Augenblicke: Das erste Mal

Teile:
26.05.2018 16:56
Kategorie: Diverses

Der erste Sex, die erste Ausfahrt mit dem eigenen Auto, der erste Tauchgang – es gibt Dinge, die man nie vergisst. Später dann, mit mehr Erfahrung, versucht man, dieses Gefühl noch einmal zu finden. Schwierig, gewiss – aber nicht unmöglich.

Bericht von Linus Geschke

Es war auf Malta. Eine Bucht nahe St. Julians. Ein Tag voller Ruhe, die kleine Tauchschule. Ich wollte es nur mal ausprobieren, dieses „Schnuppertauchen“ in sechs Metern Tiefe, über einen langweiligen Sandgrund hinweg. Zwanzig Jahre ist das jetzt her, und es war der Anfang von allem. Gut 2500 Tauchgänge habe ich seitdem absolviert, aber den ersten vergesse ich nie. Nicht, weil es dort so spektakulär war oder es etwas Besonderes zu sehen gab, sondern wegen dem Gefühl. Ich, unter Wasser, und atmend! Eine fremde Welt, fremde Ausblicke und fremde Lebewesen. Das Bewusstsein versteht, was da vor sich geht – das Unterbewusstsein jedoch will es nicht glauben. Noch nicht. Das kam erst mit den Tauchgängen danach, mit dem Mehr an Erfahrung und Wissen.

Heute kommt es mir manchmal so vor, als könne das Meer mich nicht mehr überraschen. Egal, wo ich hinreise und den Kopf unter Wasser stecke – überall sieht es so ähnlich aus wie an einem anderen Ort, an dem ich schon einmal war. Buckelwale, Mantas, Haie? Alles gesehen. Wracks, Höhlen und Cenoten? Alles erkundet. Ich war in einigen der weltweit spektakulärsten Gebiete unterwegs, aber kaum etwas ist mir so im Kopf geblieben wie diese kleine Bucht bei St. Julians. Weil einfach alles neu war. Das Zusammenbauen der Ausrüstung, die Aufregung und die ersten Atemzüge unter Wasser. Dieses Gefühl hat man halt nur ganz am Anfang, danach ist es unwiederbringlich für alle Zeiten verloren.

Wird das Tauchen selbst dadurch schlechter? Nein, nur anders. Intensiver, weil man sich mit zunehmender Erfahrung nicht mehr so stark auf sich selbst konzentriert, sondern auf die Dinge, die um einen herum passieren – das ist beim Tauchen nicht anders als beim Sex oder Autofahren. Wer nicht mehr permanent nach dem Inflatorknopf suchen muss, kann den Blick auf die Bewohner des Meeres richten. Ist nicht mehr abgelenkt, weil nicht mehr ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. Eine gewisse Ruhe und Gelassenheit kommt hinzu, weil einem die Erfahrung verrät, was man wann machen muss – ganz ähnlich wie beim … ach, lassen wir das!

Das Einzige, was mir wirklich abgeht, ist die Aufregung und die Spannung auf das, was kommt. Mit den Jahren ist mir klar geworden, dass Tagesausfahrten mir das nicht mehr bieten können – zu ähnlich sind sich die Abläufe, zu gleich die Sätze, die jeder Guide vor jedem Tauchgang sagt. Sie tropfen in das eine Ohr hinein und aus dem anderen heraus, ohne dazwischen große Wirkung zu hinterlassen. Nicht, weil diese Infos unwichtig wären – man hat sie einfach nur zu oft gehört. Buddycheck, blabla, 50 bar, blabla, und bitte keine Deko, blabla.

Rettung Tauchsafari

Aus irgendeinem Grund empfinde ich dies auf Tauchsafaris nicht ganz so nervend. Vielleicht, weil der Guide (sofern es ein guter ist) dies nur einmal sagt, ganz am Anfang, und sich danach auf die Beschreibung dessen konzentriert, was man unter Wasser zu sehen bekommt. Vielleicht, weil das Tauchen dort häufig nicht so reglementiert ist und die Unterwassererlebnisse in der Regel spektakulärer ausfallen. Vielleicht, weil ein Spot fern der Küste schon per se aufregender ist als einer, der von Massen an Tagesbooten frequentiert wird.

Andere Taucher mögen dies anders empfinden, aber hey … den Bericht schreibe ich, und da kommt es nur auf meine subjektive Wahrnehmung an.

Ein weiterer Punkt ist die Abwechslung. Ich liebe das Tauchen in Ägypten, ich bin verrückt nach den Brothers. Rund zwanzig Mal war ich dort, manchmal sogar vier Mal in einem Jahr, bis ich mich geistig überfressen hatte und die Inseln nicht mehr sehen konnte. Drei Jahre Pause haben das weggewischt, und wenn ich dieses Jahr noch einmal ans Rote Meer fahre, freue ich mich darauf wieder wie auf das erste Mal – anders vielleicht, aber genauso intensiv. Auch aus diesem Grund möchte ich am liebsten allen Tauchern zurufen, die jedes Jahr an den selben Ort, ins gleiche Hotel und zu der selben Basis fahren: Macht das nicht! Geht mal ein wenig Risiko ein, setzt nicht nur auf Altbewährtes, traut euch an etwas völlig Unbekanntes ran. Das hält die Liebe und die Leidenschaft jung, ganz ähnlich wie beim … ach, lassen wir das!

Der dritte Tipp aus meiner Sicht: Ausbildung! Und damit meine ich nicht das Sammeln von in der Regel blödsinnigen Specialties, sondern Kurse, die einen wirklich weiterbringen und neue Horizonte öffnen. Ich habe einen GUE-Fundamentals gemacht und anschließend einen Trimix-Kurs, bei beiden kam ich mir stellenweise wieder wie ein absoluter Beginner vor – und ich bin sicher, dass dies bei dem Höhlentauchkurs, der im Sommer ansteht, nicht anders sein wird. All diese Kurse dienen einem Zweck: Anschließend Dinge zu können, die man vorher nicht konnte. In Bereiche vorzustoßen, die einem bislang verborgen blieben. Nicht um des Selbstzwecks, sondern um der Inhalte wegen.

Wie gesagt: Ich bin nur ich. Vielleicht habt ihr andere Wege gefunden, die Leidenschaft und die Neugierde aufs Tauchen lebendig zu halten. Vielleicht durch Fotografieren, vielleicht dadurch, anderen Tauchern das eigene Wissen als Tauchlehrer zu vermitteln. Wenn ja, wäre das Forum „Diverses“ der ideale Ort, um darüber zu diskutieren. Manchmal macht ja schon das Sprechen darüber Spaß, genau wie beim … ach, lassen wir das! 

Titelbild von Katie Fraser