Alec Blalock und seine versunkenen Baumschätze

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19.12.2017 16:27
Kategorie: Diverses

Raue Schale, harter Kern

Alec Blalock ist 70 und ein harter Bursche.  Er wird in seiner Heimat Lee County im Südosten der USA, genauer gesagt in Bishopville im Bundesstaat South Carolina, als so etwas wie ein Patchworkman gesehen. Zunächst einmal ist er Taucher, aber auch Geschäftsmann, ein Teil in ihm ist Archäologe, ein anderer ein wenig Historiker und in fast allem, was er tut ist er ein Abenteurer. Alec ist ein Outdoor-Mann, am liebsten am, im oder unter Wasser. Und seit vergangenem Jahr ist er auch Inhaber einer einzigartigen Galerie in Downtown Bishopville in der Kunstwerke, Kleinkunst, Möbel, Nützliches und Nippes von inzwischen fast 40 regionalen Handwerkern und Künstlern verkauft wird.

 

Bericht von Harald Apelt


Alec war bis vor einigen Jahren mit einem eigenen Tauchgeschäft in den muddigen, sumpfigen Flüssen und Seen South Carolinas unterwegs. Rund 15 Jahre lang machte er sich mit seinem Scuba Charter-Unternehmen mit Gästen und Tauchern auf die Suche nach Schätzen, die immer wieder in den nicht ungefährlichen Gewässern gefunden werden. Genau genommen sind es historische Artefakte – jahrtausendealte Versteinerungen und vor allem Zähne des urzeitlichen Riesenhais Megalodon. Bei den vielen hundert Tauchgängen die Alec in seinen Heimatgewässern unternahm ging es auch schon mal etwas rau zu.

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Gute Sicht herrschte, wenn man den Schein der Tauchlampe einen halben Meter weit sehen konnte, schlechte Sicht, wenn man den Schein der Lampe gar nicht mehr sehen konnte“, erzählt Alec mit einem breiten Grinsen. Zumeist gesellte sich zur schlechten Sicht auch noch eine recht flotte Strömung. Und wenn man  zum Boot wieder zurückkommen wollte, war  man gut beraten, dass man direkt zum Grund hinabrauschte und sich dort dann mit einem langen Schraubenzieher oder Haken „einklinkte“. Für Spannung sorgte stets auch der Umstand, dass in diesen Gewässern gern mal recht stattliche Alligatoren unterwegs sind oder Moccasins, eine giftige bis zu 90 Zentimeter lang werdende Natternart. „Die Moccasins sind allerdings nicht mehr das Hauptproblem“, schildert Alec, „denn die sind in den letzten Jahren weitgehend von den Alligatoren weggefressen worden.“ Keine Tauchgänge also für Warmduscher...
Man muss schon eine ganz besondere Form von Entspannung innehaben, wenn man beim Tauchgang kräftig angestoßen wird und nicht weiß, 'was' oder besser 'wer' da grad angeklopft hat“ berichtet Alec. Die Alligatoren jedenfalls erreichen hier oft stattliche Maße und sind im Wasser weit uncharmanter als nahezu jede Haiart.

Bei seinen zahlreichen Tauchgängen in den Flussarmen und entlang der Sümpfe und Mangroven in South Carolina stieß Alec auch immer wieder auf lange massive, schwere Gegenstände im morastigen Flussbett – Baumstämme, die  beim Transport hinab zu den Sägewerken nahe der Städte verloren gegangen waren. Es waren überwiegend Zypressen die in den ausgedehnten Wäldern entlang der Flussläufe vor rund 130 Jahren gefällt worden waren. Große, teilweise viele hundert, manchmal bis zu 1000 Jahre alte Baumriesen von stattlichen Ausmaßen, die, als der große Bauboom im Norden einsetzte und Holz zu den bevorzugten Baumaterialien zählte, sehr gefragt waren.
Die Bäume wurden per Hand mit der Axt gefällt, vor Ort entastet und die langen Stämme dann in transportfähige Längen geschnitten. Meistens waren die Flüsse oder Kanäle die besten Transportlinien hin zu den Orten, in denen industrielle Sägemühlen das gefragte Material trockneten und in das begehrte Baumaterial verwandelten.
Irgendwann einmal begann sich der vielseitig interessierte Alec für die alten Stämme, die ihm auf dem Grund der Flüsse und vor allem in den vor den Sägewerken befindlichen Lagerbecken immer wieder begegneten, zu interessieren. Er barg einen dieser 'Sinker Logs' genannten Stämme und entfernte die vermoderten Rinden bis auf das harte Kernholz und erlebte eine Überraschung: „Dieses Holz ist prachtvoll, hinreißend und unglaublich schön“, beschreibt Alec die 'Sinker', denn die nach den vielen Jahrzehnten unter Abschluss von Sauerstoff im muddigen Flussbett konservierten Holzstämme haben eine Farbigkeit und Maserung angenommen, die sie einmalig machen.
'Sinker' sind deshalb hier zu finden, weil sie uralte, breite Kernholzbereiche hatten, die nicht nur extrem dicht, sondern auch extrem schwer waren. Diese Jahrhunderte alten Riesen gingen beim Transport bisweilen verloren, wenn sich die Rinden und weicheren Außenbereiche mit Wasser vollsaugten und der harte, schwere innere Holzkern die Stämme schließlich von der Oberfläche verschwinden ließ. Oft kam dies auch in den Sammelbecken vor den Sägemühlen vor, wenn sie dort zu lange „geparkt“ wurden  und schließlich auf Nimmerwiedersehen versanken.

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Bis zu eineinhalb Tonnen wiegen einzelne Exemplare und neben Zypressen fand Alec auch Pinien-, Pappeln-, Eichen- und sogar vereinzelt Wildkirschenstämme - alle Jahrhunderte alt und nun geborgene Zeitzeugen der Geschichte South Carolinas und der bewegten Zeiten des einsetzenden Baubooms der Industrialisierung. „Man kann an den Bearbeitungsspuren ziemlich genau erkennen, wann ein Sinker gefällt wurde und manchmal auch von wem.  Die Spuren der Axthiebe und der Axtform lassen eine ziemlich genaue Bestimmung zu“, erklärt Alec, denn die industrialisierte Fällung von Bäumen mit Motor-Kettensägen oder mit vollautomatisierten tonnenschweren Fällautomaten war zu dieser Zeit noch nicht einmal in den Träumen von Visionären vorhanden.

Zu der Zeit,  als Alec schon längst Feuer gefangen hatte und sein Plan, dieses versunkene Holz für ganz besondere Projekte zu bergen schon Gestalt in seiner nimmer ruhenden Ideenwerkstatt angenommen hatte, meldete sich einer der Macher von GB Inc. bei Alec Blalock. GB steht für „Greater Bishopville“ und hierhinter verbarg sich ein anonymer Gönner, der zur Revitalisierung des Ortskerns der wenig mehr als 3.200 Seelen zählenden Gemeinde eine Million Dollar gespendet hatte. Und Alec war sofort Feuer und Flamme, gab den kräftezehrenden Scuba Charter-Betrieb auf um etwas Neues zu starten. „The Swamp Log Artisan Gallery“ zählt heute zu einer der echten Sehenswürdigkeiten der kleinen Bezirkshauptstadt von Lee County und zieht inzwischen viele Besucher an.

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Blalock besorgte sich die nötigen Lizenzen zur Bergung der alten Baumgiganten und ist heute einer der wenigen handverlesenen Experten, die diesen Teil der versunkenen Geschichte South Carolinas zu Tage fördern dürfen. Einem alten Gesetz zufolge gehört nämlich alles, was mehr als 100 Jahre in den Gewässern von South Carolina verbracht hat, automatisch dem Staat. Aber Alec wollte eben nicht nur mit diesem tollen Rohstoff Geld machen, sondern auch Bishopville eine neue Attraktion bescheren. Inzwischen scharte der auch mit 70 Jahren immer noch aktive Taucher fast 40 regionale Künstler und Handwerker um sich, die ihre nach traditioneller Methode gefertigten Produkte, zum größten Teil angefertigt aus den von Alec und seinem Team geborgenen 'Sinker Logs', in der Galerie in Downtown Bishopville anbieten.
Dabei sind Möbelschreiner, Drechsler, Maler deren Holzrahmen aus dem historischen Sinker-Holz gefertigt sind oder Lampendesigner und Werkzeugmacher und sogar ein Instrumentenbauer. Und weil hier so viele verschiedene kreative Menschen zusammenarbeiten, ist diese Galerie auch von einem ganz besonderen Spirit getragen. Wenn man hier durch geht, atmet man Kreativität und Geschichte. Und ein gemeinsam für alle geltender Grundsatz wird vor allem vom Initiator dieser ungewöhnlichen Kooperative getragen: Etwas zu schaffen, was von dem besonderen Material lebt und das als fertiges Produkt etwas ist, was eine Familie über lange Zeit oder Generationen begleiten kann: egal ob Esstisch, Musikinstrument, Lampe oder Bild, ein Gegenmodell quasi zu den seelenlosen Massenprodukten der Wegwerfgesellschaft.
Dass es bis zum fertigen Produkt in der Galerie aufwändiger Handarbeit bedarf um solche besonderen Kunstwerke zu schaffen, ist klar. Aber auch die Schritte davor sind nicht ganz ohne. Wenn Alec und sein Team sich mal wieder daran machen, dem Fluss einen versunkenen Baumgiganten zu entreißen, gilt es neben der Erfahrung aus mehreren hundert geborgenen 'Sinkern' auch, nie die Aufmerksamkeit und Konzentration bei der schwierigen, gefährlichen Bergung zu vernachlässigen.

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Inzwischen haben die Sinker-Experten speziell angefertigte Pontons mit zwei mächtigen Schwimmern, die auch in den flachen Bereichen der Flüsse operieren können. Und dann ist immer noch das Taucherteam gefordert, das mit großen Stahlklampen und Ketten den Sinker erst mal dingfest machen muss, bei schlechter Sicht und Strömung und ewig wechselnden Bedingungen. Wenn solch ein Gigant dann erst einmal an den Haken hängt, wird er mit der Motorwinde des Pontons geliftet und zum Kranport geschleppt, wo er dann endgültig dem Fluss entrissen wird. Alles weitere ist dann ein Handwerksprozess: Das Schälen der Weichrinde, das vorsichtige Trocknen des Sinkers und schließlich das Aufsägen des Stammes. Und wenn Alec dann sieht, dass dort gerade wieder einmal einzigartig gemaserte Bretter herausgekommen sind, ist er auch ein wenig stolz und freut sich auf das, was daraus entstehen wird.

Nur eines, so gibt er offen zu, würde ihn dann manchmal ein wenig ärgern: „Es frustriert mich bisweilen, dass ich in manchen Bereichen so talentlos bin“, gibt der so vielseitig begabte Macher zu. Und er meint damit, dass er nicht malen kann, das er nicht singen kann und auch kein Musikinstrument beherrscht. Und mit Blick auf seine Künstler und Handwerker der Galerie fehle es ihm an handwerklichem Geschick im Umgang mit Holz und auch mechanische und technische Fähigkeiten seien rar bei ihm gesät. Bei so viel Bescheidenheit verschweigt er gern, dass es das ganze Projekt ohne ihn nicht gegeben hätte. Alec Blalock, ein Fachmann mit rauer Schale und Spezialist für harte Kerne ist halt ein Multitalent im Zusammenfügen von vielen Teilchen zu einem großen Ganzen – ein Patchworkman eben...

Mehr Informationen:  http://www.swamplogartisans.com