Kategorie: Diverses
Eine Begegnung mit Delfinen – diesen Traum möchten sich viele Menschen erfüllen. In Ägypten kann man mit etwas Glück sogar mit ihnen schnorcheln. Und so boomt das Geschäft für die Anbieter solcher Touren. Dabei werden die Tiere oft rücksichtslos gejagt. "Die bestehenden Regeln zum Schutz der Tiere werden leider häufig missachtet. Dadurch sind die intelligenten Meeressäuger langfristig ernsthaft bedroht", sagen die Biologen der Dolphin Watch Alliance.
Bericht von Andreas Wackenrohr
Mittlerweile haben sich die Besucherzahlen am Roten Meer etwas stabilisiert. Auch in Ägyptens Tourismusmetropole Hurghada läuft es einigermaßen rund. Aber leider hat dies für einige andere Bewohner des Roten Meeres ernsthafte Konsequenzen: konkret den Indopazifischen Großen Tümmler (primär im nörldlichen Bereich um Hurghada) und dem Spinnerdelfin (z.B. im Süden am Sataya Reef). Von Hurghada und dem nördlich gelegenen El Gouna fahren die Touristen täglich mit einer ganzen Armada von Booten an die Riffe - z.B. dem Shaab El Erg, wo die Delfine normalerweise schlafen und sich erholen. Das gleiche gilt für das südlich gelegene Sataya Dolphin Reef mit Ausfahrten von Berenice oder auch Marsa Alam.
Ein unglaublicher Stress für die Delfine
Erholung und Schlafenszeiten? Dafür haben die Tiere fast keine Gelegenheit mehr. Ständig werden sie bedrängt. Zunächst sind da die vielen Tagesboote, die durch ihr ständiges Kommen und Gehen eine unglaubliche Lärmbelästigung für die Tiere darstellen. Liegen die Schiffe dann vor Anker und sind die Motoren endlich abgestellt, werden die Touristenscharen in Schlauchboote gepfercht, die sie möglichst nahe zu den Delfinen bringen. Dort stürzen sich die Neugierigen dann ins Wasser; einige Schnorchler versuchen sogar die Tiere zu berühren. Für die Delfinschützer von der Organisation "Dolphin Watch Alliance" ist dies der blanke Horror. Denn sie wissen genau, welchem Stress die Tiere damit ausgesetzt sind. Auf Grund der steigenden Zahl der Ausflugsboote haben die Tiere wirklich kaum noch Möglichkeiten sich zurückzuziehen. Welche Auswirkungen dies als Langzeitwirkung auf die intelligenten Meeressäuger haben wird, kann man im Moment nur vermuten. Weitreichende Folgen für die Tiere entstehen schon jetzt: Neben dem hohen Dauerstress zeigen sich auch Auswirkungen auf die Aufzucht des Nachwuchses. Sogar das überaus wichtige Sozialverhalten der Tiere wird durch den übermäßigen Delfintourismus nachhaltig gestört.
Schlafende Delfine sollten niemals gestört werden.
Um es auf den Punkt zu bringen, langfristig geht es um das Überleben der Delfine. Zwar haben die Delfinschützer in Zusammenarbeit mit anderen Umweltschutzorganisationen mittlerweile wissenschaftlich fundierte Verhaltensregeln für die Schiffe und den Umgang mit den Tieren erarbeitet. Leider jedoch werden diese zu oft ignoriert. Das Trinkgeld ist den Crews der Boote wichtiger als das Wohl der Delfine. Natürlich ist das extrem kurzfristig gedacht, denn wenn die Delfine nicht mehr da sind, gibt es auch nichts mehr zu verdienen.
Es lauern auch viele Gefahren auf die Touristen
Die meisten Urlauber sind in jeder Hinsicht völlig ahnungslos. Sie wissen nicht, was den Tieren durch das rücksichtslose Verhalten angetan wird. Auch nicht, dass so ein Ausflug für sie selbst tragisch enden kann.
Delfintour läuft völlig aus dem Ruder
Schnorcheltouristen bei Delfin-Tour in Lebensgefahr. Der Delfin-Beobachtungstourismus im Roten Meer in Ägypten gefährdet nicht nur das Überleben wild lebender Delfine. Kunden berichten der Gesellschaft zur Rettung der Delphine e.V., wie sie während einer Delfinbeobachtungstour zum Sataya-Riff in Lebensgefahr gerieten.
Da die Zahl der Schiffe ständig steigt, ist es mehr als fraglich, ob die Bootscrews überhaupt eine Ausbildung oder zumindest eine Einweisung haben, damit ein Minimum an Sicherheit gewährleistet ist. Man sieht, welch waghalsige Manöver die Schiffe und Schlauchboote zwischen den Touristen und den Delfinen fahren: Solche Aktionen müssten sofort verboten werden. Denn wenn man weiß, was so ein rotierender Propeller anrichten kann, wäre dies im Hinblick auf die Sicherheit das Gebot der Stunde.
Zudem gibt es Gäste, die nicht mal richtig schwimmen können, geschweige denn im Umgang mit Maske und Flossen vertraut sind; hier lauern weitere Gefahrenquellen. Vom unbemerkten Abtreiben in das offene Meer wollen wir gar nicht sprechen; ein Szenario dass aber durchaus vorstellbar ist in dem Durcheinander mit unzähligen Touristen die fast wahllos ins Wasser "befördert" werden.
Es wäre dringend erforderlich auf jeder Tour eine geschulte Person mit an Bord zu haben, die für die Sicherheit der Gäste und das Einhalten der Richtlinien verantwortlich ist. Um der Sache einen gewissen Nachdruck zu verleihen, müsste die Regierung eine unabhängige Riffpolizei einsetzen, die hart durchgreifen kann und völlig unabhängig arbeitet. So könnten die zahlreichen Übertretungen bald Geschichte sein und die Delfine hätten ihre dringend benötigte Ruhe zurück.
Wer wirklich eine "delfingerechte Tour" machen möchte und dabei auch etwas über die Meeressäuger erfahren will, sollte sich die Webseiten der Delfinschützer näher anschauen. Dort gibt es eine Menge hilfreicher Informationen. Auch die Lesertipps können helfen einen verantwortungsvollen Veranstalter zu finden.
Infobox zur Arbeit von DWA
Der Verein Dolphin Watch Alliance wurde am 25.09.2011 in Gossau/Schweiz gegründet. Sein Zweck ist die ideelle und finanzielle Unterstützung von Projekten, die der Erforschung und dem Schutz der Delfine dienen. Die DWA hat sich auf die Population des Indopazifischen Delfins rund um Hurghada spezialisiert.
Zur Bedeutung des Namens: Dolphin, ein einzigartiger Meerssäuger. Watch heisst in diesem Zusammenhang nicht nur beobachten und zusehen, sondern auf achtgeben und aufpassen. Alliance ist das Bündnis bzw. die Verbindung die man dabei eingeht.
Mit dem Projekt "Dolphin Watch Natural Underwater Science" versuchen die Forscher neue Erkenntnisse über das Verhalten der Delfine in ihren natürlichen Lebensräumen zu gewinnen. Mit diesem Wissen könnte man dann z.B. gezielt erforderliche Schutzzonen errichten.
Es geht den Mitgliedern von DWA nicht darum, Begegnungen mit Delphinen zu verbieten, sondern darum, dass die einzigartigen, wundervollen Begegnungen zwischen Mensch und Tier mit dem nötigen Respekt ablaufen und dass die vorhandenen Richtlinien eingehalten werden.
Weitere Infos: Dolphin Watch Alliance. Natürlich sind auch Spenden gern gesehen und helfen den Delfinen.
Tipps für Interessierte
Ein verantwortungsvoller Tourveranstalter:
- sorgt für geringst mögliche Auswirkungen für die Delfine und die Umwelt!
Das Wohl der Tiere muss oberste Priorität haben. Er hält alle Richtlinien im verantwortungsvollen Umgang ein.
Wirbt er mit einer Sichtungsgarantie? Das ist unseriös: Eine Garantie bei wilden Tieren kann nicht gegeben werden und sie erhöht den Druck auf die Crew.
- bietet seinen Kunden Informationen über Tiere und Umwelt
Er kommuniziert realistische Erwartungen über Sichtungen und Verhalten der Tiere. An Bord gibt es Informationen über Verhaltensrichtlinien und über die Biologie der Tiere, ihre Umwelt und Bedrohungen.
- fördert den Naturschutz
Er unterstützt Forschung und/oder Umweltschutz und reduziert seine Umwelteinflüsse (z.B. durch Reduzierung von Plastikmüll, Recycling, effiziente Bootsmotoren).
Obwohl in vielen Ländern Richtlinien existieren, werden sie von den nationalen Behörden oftmals nicht kontrolliert. Informieren Sie sich auf der Website der Internationalen Walfangkommission (iwc.int/whalewatching) über die Regeln in dem Land wo Sie Wale/Delfine beobachten wollen (unter: IWC Compilation of Worldwide Whale Watching Regulations). Beachten Sie auch die Empfehlungen von Dolphin Watch Alliance (siehe nächster Absatz).
Wenn Sie Missstände bemerken, scheuen Sie sich nicht etwas zu sagen! Sie sind der Kunde, Sie können einen Unterschied machen! Berichten Sie über gute oder schlechte Praktiken auf den verschiedenen Online-Plattformen, wie zum Beispiel Tripadvisor, Taucher.Net oder Sozialen Medien. Fügen Sie Beweise mit Fotos oder Videos bei und informieren sie lokale Umwelt- und Tourismus Behörden.
Aus einem aktuellen Erfahrungsbericht
Angelina, gerade eben aus Ägypten zurückgekommen schreibt uns folgendes über die aktuellen Touren am Sataya Reef:
"Die Delfine werden massiv durch Einkreisen und Ausbremsen von Motorbooten bedrängt. Auf vorhergehende Nachfrage bei unserem Reiseleiter über den genauen Ablauf, wurde uns mehrmals versichert das sich max. 1-2 Boote in der Bucht befinden. Bei unserer Ankunft waren bereits 10 Boote in der Bucht und weitere kamen hinzu! Wild strampelnde Touristen im Wasser, pfeifende u. laut rufende Guides über Wasser und hin und her flitzende Schlauchboote, die den Tieren den Weg abschneiden und diese zwangsläufig zu den Menschen gedrängt werden!" (Kompletter Bericht: Tauchplatzberichte, Sataya Reef
Sie als Kunde können das Verhalten des Veranstalters zum Wohle der Delfine beeinflussen!
Empfehlungen für verantwortungsvolle Delfinbeobachtungen:
Verhaltenskodex für Boote:
- Passive Interaktion: Eine respektvolle Distanz halten und die Tiere entscheiden lassen!
- Das Boot sollte sich langsam parallel/seitlich nähern, nie von vorne oder hinten.
- Das Tempo wird dem langsamsten Tier angepasst und überschreitet nie 7 km/h oder 4 kn. Nicht rückwärts fahren, beschleunigen oder abrupt die Richtung ändern!
- Immer eine respektvolle Distanz von mindestens 50 Metern parallel zur Schwimmrichtung der Tiere halten.
- Nicht mehr als 2 Boote gleichzeitig; sie positionieren sich auf der gleichen Seite hintereinander. Es muss ein Fluchtweg für die Tiere offen bleiben.
- Die Beobachtungszeit sollte nicht mehr als 20 Minuten sein; möglicherweise möchten sich weitere Boote den Tieren nähern.
- Delfine sind sehr geräuschempfindlich, also laute Geräusche (Rufe, Hupen, Pfeifen, Klatschen) vermeiden und den Motor wenn möglich ausschalten.
- Bei Anzeichen von Bedrängnis (z.B. Schlagen der Schwanzflosse, Richtungswechsel) die Tiere vorsichtig verlassen.
- Nichts vom Boot aus ins Meer werfen und die Tiere nicht füttern.
Verhaltenskodex für Schwimmer
- Ruhig und vorsichtig aus einer sitzenden Position ins Wasser gleiten.
- Schwimmweste, Flossen, Maske und Schnorchel verwenden.
- Die Arme dicht am Körper halten, nur die Flossen vorsichtig bewegen (wenig oder besser kein Spritzen beim Flossenschlag)
- Man sollte sich einem Tier nie direkt nähern, sondern parallel zu ihm schwimmen. Niemals über dem Tier abtauchen, auch nicht wenn das Tier ruht!
- Die Tiere nicht berühren! Berührung kann Stress erzeugen und es könnten auch gegenseitig Krankheiten übertragen werden.
- Unnötigen Lärm vermeiden.
Infobox: Wie alles begann
Die Biologin Angela Ziltener setzt sich seit 2009 mit dem Projekt "Dolphin Watch - Natural Underwater Science" aktiv für die Erforschung und den Schutz der Delphine rund um Hurghada ein.
2009 entschloss sich die Primatologin Angela Ziltener nach Hurghada zu ziehen. Sie hatte ein Ziel: Den Alltag der Delphine besser zu verstehen und deren Bedürfnisse zu erforschen und kennenzulernen. Denn die Bedingungen für diese Aufgabe waren dort damals optimal. Der hier lebende Indopazifische Grosse Tümmler (Tursiops aduncus) ist an Taucher und Schnorchler gewöhnt und das klare Wasser macht das Beobachten auch über weite Distanzen möglich.
"Delphine sind neugierig und suchen manchmal, wenn sie aktiv und in Spiellaune sind, sogar Kontakt zum Menschen. Über die Jahre haben mich einzelne Tiere so gut kennengelernt, dass sie mich 'persönlich' begrüßen. Sie schwimmen auf mich zu, umkreisen mich, pfeifen und führen mich dann zur restlichen Gruppe" erzählt die engagierte Biologin.
"Selbst wenn sie schlafen, schafft der schnellste Schwimmer es nicht ihnen zu folgen. (Anmerkung: Wenn Delfine schlafen, ist nur eine Gehirnhälfte inaktiv. Mit der aktiven Hälfte überwacht das Tier mit einem "wachen" Auge seine Umgebung und die eigene Atmung).
Mittlerweile wird sie sogar als "Gruppenmitglied" akzeptiert. Oft reduzieren die Delfine ihre Geschwindigkeit um mit der Forscherin zu schwimmen. Nach der Phase der Begrüßung kann sie dann mit der eigentlichen Arbeit beginnen, nämlich beobachten und dokumentieren. In den ersten Jahren ging es vor allem darum, die Tiere zu katalogisieren, die Gruppenorganisation zu verstehen und das Sozialverhalten kennenzulernen. Dabei ist ein Bestimmungskatalog von rund 200 Delphinen entstanden. Heute muss sie dieses Werk nur noch selten zur Hand nehmen, die meisten Tiere erkennt sie auch so. Das über hunderte von Tauchgängen aufgebaute Vertrauen ermöglicht es, Verhaltensweisen zu studieren, die bis jetzt unbekannt waren und noch nicht erforscht sind.
Infovideo & Interview: Angela Ziltener:
Leider haben sich in den letzten Jahren die Lebensbedingungen für die Delphine vor Hurghada massiv verschlechtert. Schwimmen und Tauchen mit Delfinen ist der absolute Touristenmagnet. Unzählige Boote machen regelrecht Jagd auf die schlafenden Delphine. Da dies auf Dauer verheerende Folgen für die Tiere haben wird, hat die Biologin ihren Schwerpunkt nun auf den Schutz der Delfine gelegt. Mit dem eigens dafür ins Leben gerufene Projekt "Care for Dolphins" betreibt sie mit Sina Kreicker, Sandy El Sammra Weder und Sara El Laithy Aufklärungsarbeit. Besonders Bootskapitäne und Guides werden über die Richtlinien aufgeklärt. Zudem halten die Delfinschützer auch Workshops ab und geben Infoveranstaltungen in den Hotels. Spezielle Kinderprogramme, in denen die Kleinen altersgerecht in die Problematik eingeführt werden und Kontakt zu den Tieren bekommen, bietet die Organisation ebenfalls an. Gestützt auf die Forschungsergebnisse sind so Richtlinien für Begegnungen mit den Delfinen entstanden und Empfehlungen für Schutzgebiete abgegeben worden.
Video zum Thema:
Schnorcheln mit Delfinen am Dolphinhouse.