Das Schieferbergwerk Nuttlar. Unter Wasser. Unter Tage.

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28.07.2013 17:28
Kategorie: Reise


Anfang Juni hat einer der spannendsten Tauchplätze eröffnet, den die Republik zu bieten hat: Das Schieferbergwerk Nuttlar im Sauerland. DiveInside hat sich vor Ort umgesehen – über und unter Wasser.

Bericht von Linus Geschke

Nachdem man den gelben Container durchquert hat, der den Eingang darstellt, wird es dunkel. Sehr dunkel. Dreißig Meter weit führt der Stollen abwärts, dann steht man vor einem unterirdischen See, der den Eingang zum Reich der Finsternis markiert. Und kalt ist es hier: das Thermometer zeigt nur gute sieben Grad - und dies gilt für Luft und Wasser.

Dieser See ist gleichzeitig auch der Bereich, der dem Sporttaucher offen steht. Es ist "gefühltes Höhlentauchen": Die schroffen Schieferwände in dem maximal acht Meter tiefen See, die komplette Dunkelheit – das ist Höhle. Die Möglichkeit, jederzeit wieder auftauchen zu können – das ist Sporttauchen. "Ich würde es fast als Schnuppertauchen für Höhlentaucher bezeichnen", sagt Matthias Richter, der Betreiber der Tauchschule. "Durch die völlige Dunkelheit stimmt das Feeling und man merkt recht schnell, ob dies etwas für einen ist."

Im See schwebt man über Gleisanlagen hinweg, das Schiefergestein mit seinen Einkerbungen, Kanten und Überhängen sieht aus wie eine Filmkulisse von Mittelerde, genauer gesagt, dem dunklen Land Mordor. Und irgendwann gelangt man in den Bereich, der ausgebildeten Höhlentauchern mit dementsprechender Ausrüstung vorbehalten ist. Doppeltank, drei Lampen, Trockentauchanzug, zwei getrennte Atemsysteme, das sind die Minimumvoraussetzungen, um tiefer vorstoßen zu können – neben dem dementsprechenden Brevet natürlich. Was dann folgt, kann man immer noch Tauchen nennen, aber es ist mehr als das. Es ist das Vorstoßen in eine Welt, der man 1985, bei der Insolvenz der Bergbaufirma, einfach den Stecker zog.

Die Männer stellten am letzten Arbeitstag ihr Gerät zur Seite, schalteten die Pumpen ab, machten das Licht aus und schlossen die Tür. Fertig. Zwanzig bis fünfzig Kubikmeter Wasser strömten fortan jeden Tag herein, überfluteten zwölf Kilometer an Stollen und unterirdischen Hallen. Loren, Werkzeuge und Lampen wurden bedeckt, dazu Helme und dicke Jacken, die die Arbeiter an den Wänden hängen gelassen hatten. Nach sieben Jahren waren die zwei untersten Ebenen voll, drei höher gelegene sind trocken geblieben. Erst rund 15 Prozent des Gesamtareals unter Wasser ist mit Seilen versehen, der Rest wartet noch immer auf seine Erkundung.



Vorsichtig geht es durch Engstellen hindurch, durch Stollen, durch die einst gerade mal eine Lore passte. Dann gelangt man immer wieder in große Hallen, manche davon bis zu 15 Meter hoch. "Es gibt auch Bereiche, in denen man auftauchen kann", sagt Richter. "Aber da muss man schon wissen, wo die sind."


Bergwerktauchen


Anmeldeadresse:
Briloner Str. 48
59909 Bestwig

Leitung: Matthias Richter
Tel: 02393/22 04 30
Fax: 02393/24 00 27
Mail: info@bergwerktauchen.de
Web: www.bergwerktauchen.de
Infos auf Taucher.Net (Bergwerktauchen)

In den weit offenen Bereichen staunt man über die grandiosen Sichtweiten: Sind es zwanzig Meter, dreißig? Eine falsche Flossenbewegung jedoch und die Sicht ist dahin – auf dem Boden hat sich feinstes Sediment abgesetzt, entstanden, als der Schiefer gebrochen wurde.

In den Wintermonaten zwischen Dezember und März ist der Tauchbetrieb verboten. Das war Rainer Mengelers dem Inhaber der Nutzungsrechte, wichtig, weil dann die Fledermäuse kommen, die diesen Bereich als frostsicheres Winterquartier nutzen. "Und an denen", sagt das Mitglied eines Schutzvereins, "hängt mein Herz genauso, wie an dem Bergwerk selbst."

Abenteuerspielplatz


"Für uns Kinder aus dem Ort war das Bergwerk schon immer ein Abenteuerspielplatz", sagt Rainer Mengelers, der gemeinsam mit seinem Bruder Gerd die Nutzungsrechte besitzt. "Und schon kurz nach der Schließung haben wir gedacht: Da muss man doch was machen!" Bis 2009 haben die Brüder gekämpft, dann bekamen sie das Nutzungsrecht auf Lebenszeit. "Und uns war von vornherein klar, dass wir alles lassen wollen, wie es war."

Auch Taucher sollten sich einer seiner Führungen über Wasser anschließen. Hier warten keine Laufroste aus Edelstahl, keine nachträglich befestigten Handläufe, keine Lichtinstallationen auf die Besucher. Hier bekommt jeder einen Helm mit Lampe aufgesetzt und das war´s – Bergwerk pur. Es soll halt auch zukünftig ein Abenteuerspielplatz bleiben; einer mit zehn Kilometer langen Gängen und mit Hallen, die mehrere tausend Quadratmeter groß und bis zu 25 Meter hoch sind.

Am Ende wartet dann der "Gasthof zum verschimmelten Bergmann", wo Mengelers Bockwürstchen serviert: Gegessen wird auf Bänken aus Schiefer, ganz so, wie es einst die Bergleute machten. Authentisch muss alles sein, das ist Mengelers Konzept – hier soll sich auch der tausendste Besucher noch als Entdecker fühlen.

Überall sieht man die Hinterlassenschaften der Arbeiter: Schnapsflaschen, deren Inhalt über die Härte des Jobs hinweghelfen sollte, messingfarbene Karbidlampen, Hakenkreuze aus der Zeit des Dritten Reichs. Dazu Zeitungen; die älteste aus einer Epoche stammend, als Deutschland noch von einem Kaiser regiert wurde. Hier ist nichts hinter Glas, hier kann alles angefasst werden. Nur von den Zeitungen, sagt Mengelers, würde er die Finger lassen – die hätten den Bergleuten oft als Ersatz für Klopapier gedient.



Auf einer Wand dann kyrillische Buchstaben, angebracht von Zwangsarbeitern, die im Zweiten Weltkrieg den kriegswichtigen Betrieb am Laufen hielten. "Gut siebzig Russen haben hier gearbeitet", erzählt der Pächter. "Der Jüngste war erst fünfzehn." Bis zum 29.03.1945 wurde unter Tage geschuftet - eine Woche später eroberten die Amerikaner das Sauerland.



Noch unberührter ist nur der versunkene Bereich, den das Wasser wirkungsvoll vor Plünderungen und "Lost-places"-Liebhabern geschützt hat. Leben gibt es in der Unterwasserwelt keines; nur den Einblick in ein Leben, das andere hier führten. Durch das Wasser, maximal 32 Meter tief, entstand eine Zeitkapsel, die sich nur dem vollständig öffnet, der die anspruchsvolle Ausbildung zum Höhlentaucher gemeistert hat. Was zwischen Ende März und Anfang Dezember im Schieferbergwerk auf Anfrage möglich ist.



Video zum Thema:



Ein ausführliches Video eines Tauchgangs im Schieferbergwerk Nuttlar.



Alle Unterwasserbilder wurden durch Bjoern Dorstewitz (www.uwpics-bjoern.de) bereitgestellt. Herzlichen Dank hierfür.