01.05.2013 18:05
Kategorie: Reise
Kategorie: Reise
Pilger machen eine Wallfahrt, Neptunjünger lieber eine Walfahrt. Walfahrtsorte, wo es im Wasser zu hautnahen Begegnungen mit den Giganten kommt, gibt es nur wenige auf unserem Planeten. Was man dort erlebt, ist einfach atemberaubend und obendrein gut für das Seelenheil.
Bericht von Andreas Wackenrohr
Schon vor über zwei Stunden haben die zwei Schlauchboote vom Mutterschiff, der "Turks and Caicos Aggressor", abgelegt. Ein paar in der Ferne springende Buckelwale sind die bisherige magere Ausbeute, denn diese sind hier auf den Silverbanks nichts besonderes.
Hat die Gruppe Schnorchler das Glück verlassen? Das wäre echt ein Jammer, denn die Sicht ist heute wirklich großartig. Zwar gab es in den letzten zwei Tagen schon einige wirklich traumhafte Begegnungen mit den Sängern der Meere, aber bei den jetzigen Sichtverhältnissen wäre das einfach noch mal der Megahammer.
Warten auf's "go, go"
Das Walschutzgebiet
Gebiete in denen Menschen offiziell zu den Walen ins Wasser dürfen, sind eine echte Rarität. Ein Platz, wo dies möglich ist und der nahezu ideale Bedingungen für diesen Zweck aufweist, ist das Gebiet der Silverbanks. Es ist ein 1998 von der Unesco ernanntes Walschutzgebiet und liegt etwa 100 km nördlich vor der Küste der Dominkanischen Republik, in der Nähe der Karibikinseln Turks und Caicos.
Es handelt sich hierbei um ein paar hundert Quadratkilometer großes flaches Seegebiet. Stellenweise liegen einige Teile des Riffs nur ein paar Meter unter der Oberfläche. Für die Buckelwale ideal um dort ihre Jungen aufzuziehen. In der Zeit von Mitte Dezember bis Anfang April treffen sich hier einige tausend Tiere aus dem Nordatlantik, um sich zu paaren und den Nachwuchs zu gebären. Dies ist dann die Zeit in der auch einwöchige Touren an die Silverbanks angeboten werden.
Plötzlich durchbricht das Knacken und Rauschen des Funkgerätes die Stille. Dann meldet sich Amanda. Sie steuert das zweite Schlauchboot und ist gleichzeitig die Chefin des Mutterschiffes. Ihre Gäste sind schon seit geraumer Zeit im Wasser bei den Walen. "Das war eine Einladung" sagt Rob und gibt etwas mehr Gas. "Wir machen uns gleich auf den Weg", denn laut Amanda stehen die Chancen gut, dass sich die Wale noch eine Weile dort aufhalten. Sie sollte es wissen, denn sie verfügt über acht Jahre Erfahrung mit den Humpacks hier auf den Silverbanks.
Kaum ist das Zielgebiet erreicht, sind alle Gäste fertig aufgerödelt. Aber noch heißt es warten. Keine 20 Meter entfernt schäumt und spritzt das Wasser. Ein Walkalb gibt der anderen Schnochlergruppe eine Sondervorstellung. Kaum jemanden hält es jetzt noch im Boot, doch bevor nicht das "go, go" ertönt, darf hier niemand ins Wasser. Mit anzusehen, was das Waljunge da aufführt, ohne ins Wasser zu können, kommt einer Folter gleich. Die Minuten bis die Teilnehmer der anderen Gruppe zu ihrem Boot schwimmen, erscheinen wie eine Ewigkeit. Doch dann geht es endlich los.
Achtung spielendes Kalb
Kaum im Wasser, ist das an der Oberfläche umher schwimmende Kalb auch aus der großen Distanz sehr gut zu erkennen. Die Sicht ist wirklich phänomenal. Unten liegt die ruhende Mutter. Die einfallenden Sonnenstrahlen brechen sich auf dem gewaltigen Körper und verleihen ihm eine Art "Heiligenschein". Das spielende Junge sucht nur die Nähe der Mutter und taucht zu ihr hinab. Vorerst ist diese Vorstellung also beendet.
Leigh, eine gebürtige Südafrikanerin, ist für die Schnorchlergruppe im Wasser zuständig. Sie lotst die Gruppe an der Oberfläche (Abtauchen ist hier verboten) in Richtung Kopf der Walmutter und achtet peinlich darauf, das die Schnorchlergemeinde eine in sich geschlossene Reihe bildet (siehe Infos am Ende des Berichts).
Das Kalb ist nun komplett unter seiner Mutter, die beeindruckend wie riesig ist, verschwunden. Sie verharrt weiterhin nahezu bewegungslos in Schlafhaltung(siehe Infos über die Buckelwale) über dem Grund. Nur ein paar Minuten vergehen, dann kommt der kleine Wal im Zeitlupentempo unter seiner Mutter hervorgeschwommen. So lange wie ein erwachsener Wal kann er die Luft noch nicht anhalten. Geschätzte 7 Meter dürfte der erst wenige Wochen alte Wal wohl schon messen, und dabei bringt er schon ein paar Tonnen auf die Waage.
Mit Walen zusammen im Wasser ist eine unglaubliche Erfahrung
Als er dann die Oberfläche erreicht, gilt sein Interesse wieder den unbekannten Wesen, die von den Wellen hin- und her geschaukelt werden. Mehrmals schwimmt der "kleine" Meeressäuger ganz dicht an der Gruppe vorbei. Dabei peitscht er mit ein paar kräftigen Flukenschlägen das Wasser, so dass die Sicht wegen der vielen Luftblasen gleich null ist.
Blick in das Auge des Wales
Irgendwann zieht es ihn dann aber wieder hinab zur Mama. Die aber beginnt gerade mit ihrem Aufstieg. Langsam, wirklich ganz langsam kommt der riesige Körper immer näher. Gänsehautfeeling pur. Nur noch ein paar Meter trennen den gewaltigen Kopf von den Schnorchlern. Die Mystik, welche man bei einem tiefen Blick ins große Auge des Wales empfindet und die sanft wirkenden Bewegungen dieses riesigen Tieres hinterlassen einen tiefen Eindruck aus einer Mischung von Achtung und Ehrfurcht vor diesen Geschöpfen. Allein dieser Moment ist die Reise, nein sorry, die Walfahrt wert.
Kurze Zeit später atmet das gewaltige Tier aus und es entsteht eine meterhohe Fontäne. Nur zwei leichte Flukenschläge und die Walmutter ist mindestens eine Köperlänge entfernt. Langsam gleitet sie wieder in die Tiefe, gefolgt von ihrem Säugling. Noch zirka 20 weitere Minuten darf die Gruppe dieses faszinierende Schauspiel verfolgen, dann erscheinen zwei paarungswütige Bullen und die Mutter mit ihrem Kalb sucht das Weite.
Als dann alle wieder auf den Schläuchen sitzen, meint der "walerfahrene" Manfred: "Also, das ist jetzt wohl nicht mehr zu toppen. Solch hautnahe, lange Begegnungen habe ich noch nicht erlebt. Gut, dass wir Morgen noch einen Tag haben". Übrigens, seine nächste Walfahrt ist schon in Planung.
Infos zu den Buckelwalen
Buckelwale gehören zur Familie der Furchenwale. Sie werden im Durchschnitt etwa 16 Meter, maximal 18 Meter lang. Das Höchstgewicht liegt bei etwa 40 Tonnen (was ca. einem Gewicht von 30 Mittelklassewagen entspricht). Ihre Nahrung besteht überwiegend aus Krill und kleinen Schwarmfischen.
Auf Grund der riesigen Strecken die sie auf unserem Globus zurücklegen, werden sie auch die Wanderer der Meere genannt. Kein anderes Säugetier überbrückt dabei solch große Entfernungen. Je nach dem, ob eine Population auf der Nord- oder Südhalbkugel lebt, wird ihr Wandertrieb durch die Jahreszeiten bestimmt. Beispielsweise ziehen die im Nordatlantik lebenden Tiere zu ihren Nahrungsgründen bis an die Packeisgrenze, wenn es dort wärmer wird. Hält dann der Winter Einzug, beginnt die Wanderung zu ihren Paarungsgebieten, die sich in den warmen Gewässern der Tropen befinden. Nur dort kommt der Nachwuchs zur Welt, denn dem fehlt noch die vor Kälte schützende Fettschicht. Auf Grund der fettreichen Muttermilch legen sich die Neugeborenen diese innerhalb weniger Wochen zu. Dabei kann die Gewichtszunahme pro Tag im hohen zweistelligen Kilogrammbereich liegen.
Bemerkenswert ist auch, dass die Wale ab Verlassen ihrer Nahrungsgründe bis zur Rückkehr dorthin keine Nahrung zu sich nehmen. Der dadurch erzielte Gewichtsverlust beträgt mehrere Tonnen.
Da Wale ständig atmen müssen, und dies nicht durch das Unterbewusstsein gesteuert wird, haben sie für die nötigen Erholungsphasen eine ganz besondere Strategie entwickelt. Sie "schlafen" nur mit einer Gehirnhälfte. So kommt es, dass die Walmütter fast bewegungslos über dem Grund schweben und nur ganz langsam zum Atmen an die Oberfläche kommen.
Preisbeispiel und weitere Infos
Aggressor: pro Person € 2.306,- (Twin Kabine), € 2.460,- (Deluxe Kabine) oder € 2.691,- (Master Suite)
Charterflug (Conder oder Air Berlin): ab € 800
Da der Zeitraum für die Touren auf die Silverbanks nur wenige Wochen im Jahr beträgt und die Schiffe von weltweit operierenden Veranstaltern gebucht werden, sollte man rechtzeitig (Frühjahr) buchen. Wer später bucht, muss meist die teuren "Deluxe Kabinen" nehmen, die erfahrungsgemäß später ausgebucht sind.
Die Anreise per Charterflieger passt meist nicht mit den Abfahrtsterminen der Schiffe überein. Man "muss" dann noch ein paar Tage in der Dominikanischen Republik verbringen. Wer sich einen Mietwagen nimmt, kann außerhalb der Touristengettos u.a. auch wundervolle, fast menschenleere Strände entdecken und so die Wartezeit sinnvoll verbringen. Der Norden der Insel hat wirklich viel zu bieten.
Genügend All-Incl.Anlagen gibt es in der Nähe des kleinen Yacht- und Abfahrthafens von Puerto Plata. Leider ist dort auch eine dieser schrecklichen Quälanlagen für Delfine (siehe Bild rechts) untergebracht. Beim Ein- und Ausfahren in die "Ocean World Marina" fährt man unmittelbar an dem schrecklichen Touristenmagneten vorbei. Gerade nach so wundervollen Erlebnissen im offenen Meer ist dies besonders schmerzhaft.
Die Fahrzeit vom Hafen bis zu dem Ankerplatz auf den Silverbanks beträgt ungefähr 9 bis 10 Stunden.
Was man vor einer Buchung wissen sollte:
Neben der "Turks and Caicos Aggressor" haben noch zwei weitere Schiffe die Genehmigung dort mit den Touristen ins Wasser zu steigen. Allerdings nur als Schnorchler. Auf Grund der Erfahrungen mit den Walen gibt es ein paar besondere Regeln, die von allen Gästen befolgt werden müssen. Um die Tiere nicht zu verschrecken und sie möglichst ohne Störungen beobachten zu können, muss die gesamte Gruppe dicht in Linienformation zusammen bleiben und den Anweisungen des verantwortlichen Guides Folge leisten.
Dieses Vorgehen hat Uwe Nehls, Geschäftsführer des Veranstalters Schöner Tauchen, als üblich für alle drei Schiffe bestätigt. Auf den Webseiten des Veranstalters, sind die Regeln zum Schnorcheln mit den Buckelwalen sehr treffend erläutert: Regelwerk Schnorcheln mit Buckelwalen.
Video zum Thema:
Buckelwale hautnah: Schnorcheln mit den Giganten der Meere bei den Silverbanks.