Kategorie: Reise
Der 5. Oktober war ein ziemlich außergewöhnlicher Tag für die dänischen Taucher, eigentlich außergewöhlich für alle Dänen. Es war der Tag an dem das alte Fährschiff AEROSUND versenkt wurde - nicht aus Versehen, sondern beabsichtigt.
Bericht von Lars Kirkegaard
Das Versenken alter Fährschiffe oder von Schiffen im Allgemeinen, ist in Nordeuropa eher unüblich. Menschen die noch nie davon gehört haben, bewerten es oft als Umweltverschmutzung oder sehen darin eine Gefahr für den Schiffsverkehr.
In anderen Ländern der Welt wie etwa Malta oder Portugal ist das Versenken eines Schiffes, das gereinigt und auf Sicherheit präpariert wurde, weniger ungewöhnlich. Auf Malta und Gozo wurden bereits zahlreiche Schiffe für Sporttaucher prepariert und versenkt und in Portugal hat man einen großen Unterwasserpark erschaffen. In Dänemark ist das Versenken eines Schiffes wie die AEROSUND nicht üblich und deshalb erzielte dieses Projekt eine hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit.
Der Weg zum Taucherwrack
Der Plan, ein Fährschiff zu versenken, begann 2012. Die AEROSUND fuhr 39 Jahre lang in der südlichen Fünen Inselgruppe Dänemarks. Es ist ein Gebiet mit vielen kleinen Inseln und eine bei Seglern sehr geschätzte Zone. Die einzige Möglichkeit diese Region zu bereisen war über Jahrhunderte hinweg alleine das Schiff. Und hohes Schiffsaufkommen bedeutet auch viele Wracks. Dementsprechend ist die Tauchcommunity in dieser Region ziemlich groß.
Die AEROSUND war das letzte Fährschiff, das sich in Privatbesitz befand und obwohl privat, hatte es einen historischen Wert und sollte nicht in kleine Stücken zerhackt und als Altmetall verkauft werden. Also wusste niemand was man damit tun sollte und keiner hatte das Geld um es zu etwas Nützlichem umzubauen. Man hatte bereits über ein schwimmendes Restaurant oder ein Museum nachgedacht, aber alles wäre darauf hinausgelaufen, dass man sowohl die Kosten für den Umbau als auch die für die zukünftige Instandsetzung hätte tragen müssen.
Christiansminde, in den südlichen Fünen und die bereits für die Versenkung aufbereitete Fähre.
Also lag das alte Fährschiff viele Jahre im Hafen von Svendbourg, der größten Stadt in der Region. Jeder Hafenbesucher konnte es sehen und man konnte es aus vielen Bürofenstern um den Pier ebenfalls bewundern.
Eines Tages hatten die Leute von Naturturisme die Idee, es zu versenken, zum Wohle der Umwelt, der nautischen Wissenschafler und nicht zuletzt, zur Freude der Taucher. Naturturisme ist ein Staatsunternehmen, ihr Ziel: die Entwicklung neuer touristischen Attraktionen in der Region. Und sie sahen dies als großartige Möglichkeit, Taucher in eine Gegend zu locken die schon im Ausland bei Touristen bekannt war, nur nicht fürs Tauchen.
Viel Arbeit
Und die Arbeit begann... Erstens musste das Projekt seitens der Behörden genehmigt werden. Und das war alles andere als einfach. Das Problem ist, man kann nicht einfach zum Hörer greifen und um Erlaubnis bitten, oder ein Formular ausfüllen und es bei der Schifffahrtsbehörde einreichen. Niemand wusste wie man damit umgehen sollte, obwohl ein ähnliches Projekt, wenn auch kleiner, bereits vor Jahren unweit von dort, an der Westküste Jütlands, durchgeführt wurde. Da hatte man einen ganzen Park aus Wracks, einen alten Panzer und selbstgemachten Gegenständen gebaut, um Fische und andere Wasserbewohner anzulocken. Aber es gab immer noch genug Unklarheiten in dem gesamten Prozess und leider viele "verschlossene Türen".
Die Projektgruppe war hartnäckig. Trotz mehreren Absagen seitens der Behörden (zwei Dänische Minister sagten zuerst "Nein") wurden die Kritiker schlussedndlich überzeugt und das Projekt genehmigt. In Summe hatte es zwei Jahre gedauert bis das Projekt umgesetzt werden konnte.
Mit allen Genehmigungen in der Hand musste das Schiff nun in ein gründlich geprüftes und gesichertes Taucherwrack verwandelt werden. Es lag viel Arbeit an, die zum Teil von Profis ausgeführt wurde. Ein Team junger Leute aus der Stadt und viele Mitglieder der Tauchclubs aus der Gegend halfen bei den umfangreichen Arbeiten. Der Genehmigungsprozess erforderte einige Gutachten von beratenden Unternehmen, die festgelegt hatten, wie die Reinigung durchzuführen sei, wie man Farbe abschleifen und wie man alle Kabel, den Motor und das Öl beseitigen müsse. Außerdem hatte die Gruppe beschlossen, dass man das gesamte Schiff für die Taucher freigeben sollte. Keine Türen sollten verschlossen und kein Raum sollte nicht betauchbar sein. Mit der Zeit würde das Boot mit Pflanzen überwuchern und es würde für keinen Taucher mehr möglich sein, sicher durch Bereiche zu gehen wo man ggf. verwickelt oder festgeklemmt werden könnte. Das Ergebnis was ein sehr offenes und sehr sauberes Schiff.
Dänemark ist und war schon seit Jahrtausenden das Tor zur Ostsee. Man hat alte versunkene Wikingerschiffe in den seichten Fjorden entdeckt und es hat weltweit die größte Wrackdichte. Aber an den meisten Stellen findet man nur sandigen Grund und nicht genug Tiefe was die Suche nach einem geeigneten Standort für das Wrack erschwerte.
Obwohl eine Stelle direkt am Strand in der Nähe von Svendborg allen Beteiligten gefallen hätte, war es nicht leicht "den Platz" für ein solch großes Schiff zu finden. Es wurde eine Stelle in der Nähe von Svendborg gefunden, an einem Ort namens "Ballen", 500 Meter von der Küste entfernt, in einem Loch von 19-20 Metern Tiefe.
Fünfhundert Meter sind keine sehr große Strecke und einige Taucher sind bereits rausgeschnorchelt und haben das Wrack betaucht. Aber es ist dennoch so weit weg vom Land, dass man idealerweise mit einem Boot hinaus fährt, um ein Mindestmaß an Sicherheit und Komfort zu gewährleisten.
Zahlen und Fakten:
M/S AEROSUND II - gebaut 1960 für den Transport von Fahrzeugen, Zügen und Passagieren.
Maße: 54,4 m lang und 9,88 m breit.
Fassungsvermögen: 700 Passagiere und 40 Autos.
Gewicht: 873 Tonnen.
Das Wrack liegt bei 19 m auf einen sandigen weißen Grund. Der höchste Teil des Schiffs ragt bis zu 6 Meter Wassertiefe hinauf.
Es ist einfach durchs Wrack zu tauchen. Große Löcher geben die Möglichkeit das Wrack gut zu durchschwimmen und man findet nirgends Sachen in denen man sich verhaken könnte. Dies alles macht es gut möglich zu trainieren und sich dem Erkunden des Wracks hinzugeben. Mehrere Betreiber organisieren Ausflüge zum Wrack. Apnoe- und übliches Gerätetauchen sind möglich.
Große Bojen markieren den Anfang und das Ende des Wracks und sind mit großen Metallketten befestigt. Der Zugriff aufs Wrack ist einfach und der Einstieg befindet sich im Seichtgewässer.
"DIVESPOT AEROSUND" ist Teil von "DivingDenmark.com", ein neues Projekt um Taucher nach Dänemark zu locken.
Buchungsadresse: Dive Resort Fyn
Die Versenkung
J.D.Contractor, eine der größten kommerziellen Tauchfirmen Europas, willigte ein, die Versenkung des historischen Schiffes zu übernehmen.
Manch einer würde denken, ein paar Sprengstoffpatronen könnten das erledigen, doch mit diesem Vorgehen hätte man keine Kontrolle über die Versenkung gehabt. Stattdessen wurde das Boot mit Sand befüllt um es später mit Wasser so schwer zu machen dass es fast von selbst versinken würde. Man hat vier Anker in jeder Ecke gesetzt und schwere Seile montiert um es während der Versenkung an einem Ort fest und stabil zu halten.
Viele hundert Schiffe, vollgepackt mit Schaulustigen, erschienen am Tag der Versenkung. Der Stadtrat hat eines der größten aktiven Fährschiffe aus dem Fahrplan genommen und es mit geladenen Gästen gefüllt. Mehrere Holzsegel-, und historische Schiffe erschienen und dies machte es tausenden von Menschen möglich, bei der Versenkung ganz nah dabei zu sein.
Hubschrauber mit Kamerateams flogen über der Versenkungsstelle und an der Küste waren die Straßen kilometerlang von Autos und tausenden Menschen blockiert. Viele der Zuschauer waren Einwohner oder frühere Einwohner die selbst in den letzten vierzig Jahren mit der Schiff gefahren waren. Das Fernsehen hatte den ganzen Tag live Interviews mit Menschen ausgestrahlt, denen das Schiff etwas in ihrer Kindheit bedeutet hatte, oder wo das Schiff sie an Weihnachten nach Hause gebracht hat und ähnliche Geschichten... Es war rührend zu sehen wieviele Menschen durch die ganze Geschichte bewegt waren.
Die Pumpen starteten... und es dauerte etwas über eine Stunde um den Schiffskörper zu füllen. Action Kameras warden überall am und im Schiff montiert um die letzte Fahrt der "AEROSUND" zu dokumentieren.
Die Versenkung der Fähre.
Zuerst bewegte sich das Schiff heftig nach links, pendelte zurück, und der Schiffskörper füllte sich langsam. Das Wasser floss ins Wagendeck... von diesem Zeitpunkt an ging alles sehr schnell. Luft schoss durch die Löcher, Bullaugen und Lüftungsöffnungen und das schwere Schiff versank im grünen Wasser der Ostsee. Was blieb war eine ruhige Oberfläche. Für die Fähre ging eine Ära zu Ende und eine neue - für uns Taucher - konnte beginnen.
Video zum Thema:
Das Video zeigt die Versenkung der Ærøsund und die ersten Tauchgänge am jungfräulichen Wrack.
The project was owned by NATURTURISME and the actual sinking was performed with by: JD-Contractor A/S. (www.jdcon.dk)
Photographers:
Lars Stenholt Kirkegaard
Thomas Fechtenburg
Mikkel Noe-Nygaard Rasmussen
René Bruno Nielsen
Peter Diinhoff Henningsen
© FOTOGRAFIT.eu