18.09.2013 08:07
Kategorie: News
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Verraten und Verkauft
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Ihr Taucherinnen und Taucher, User von Taucher.Net, habt mit euren Kommentaren auf facebook und den Feedbacks an die Redaktion bewiesen, dass ihr genauer hinschaut, als mancher Profi. Nur was sagen die Betroffenen? Wir haben an der Rotmeerküste nachgefragt und das Ergebnis ist eine Abrechnung mit deutschen Behörden, inkompetenten Airlines und sensationsgesteuerten Medien.
Kennt ihr noch das Spiel 'Mühle'? Das war immer sehr spaßig und spannend, wenn wir es früher gespielt haben. Es gab nur eine Situation, in der es völlig unspaßig wurde! Dann nämlich, wenn der Gegner eine Zwickmühle gestellt hatte und man Zug für Zug langsam 'hingerichtet' wurde.
Genau dieses unangenehme Gefühl kam bei uns auf, als wir von zahlreichen Tauchbasen, Reiseveranstaltern, Hotelbesitzern und Tauchsafariveranstaltern ihre Essays zur Situation in Ägypten erhielten. Wie in einer Zwickmühle, gnadenlos, ohne Chance etwas zu ändern...: So oder ziemlich ähnlich müssen sich die Eigentümer und Betreiber von Tauchbasen und Hotels und deren Mitarbeiter am Roten Meer zurzeit fühlen.
Seit Wochen berichtet Taucher.Net über die im wahrsten Sinne des Wortes 'verzwickte' Situation an den Rotmeerküsten und muss wie alle Taucherinnen und Taucher mit ansehen, wie Tauchbasen und Hotels dem wirtschaftlichen Abgrund Stück für Stück näher rücken und deutsche Tauchlehrer und die einheimischen ägyptischen Kolleginnen und Kollegen um ihre Jobs bangen. Wir wollten wissen, wie es sich anfühlt, wenn die Existenz in Gefahr gerät, ohne dass man selbst etwas dagegen tun kann, sei man noch so gut, noch so engagiert und noch so perfekt!
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Alle waren sich einig, dass dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland (AA) - vielleicht ungewollt - eine Schlüsselrolle zukommt.
Volkmar Göldner vom Sub Aqua Divecenter stört die schwammige, sogenannte 'Teilreisewarnung' des AA, da sie die Menschen in Deutschland seiner Ansicht nach nur verunsichert. „Sie raten ab, sie raten dringend ab und sie warnen, wie bitte soll dies ein normaler Tourist richtig deuten können und verstehen?“, fragt der Operations Manager Egypt & Middle East von Sub Aqua Dive Center.
Bianca Greiner vom Camel Dive Club in Sharm El Sheikh erklärt, dass es den Camel Dive Club nicht ganz so hart träfe, denn man habe ein durchmischtes internationales Publikum mit rund 40 Prozent englischen Gästen. Und die kommen nach wie vor, und völlig problemlos: „Hier in Sharm El Sheikh erleben wir einen extremen Widerspruch: Denn, Großbritannien schließt Urlaubsorte am Roten Meer von seinen Reisewarnungen nach wie vor aus, trotz der Reisewarnungen anderer europäischer Länder, die von Reisen nach ganz Ägypten, einschließlich der Resorts am Roten Meer, abraten“, erklärt Greiner und fährt fort: “Dieser Widerspruch geht noch tiefer: Da Easyjet eine in Großbritannien registrierte Fluggesellschaft ist und demnach den Hinweisen des britischen Außenministerium folgt, führt sie weiterhin ihre Linienflüge nach Sharm El Sheikh von Genf und Mailand aus durch, trotz Reisewarnungen der Schweizer und der Italienischen Regierungen“ sagt Greiner, die mit Ihre Hinweisen deutlich macht, wie widersprüchlich die Einschätzung der Situation auch auf internationalem, politischen Parkett ist. „Machen die Briten sich eigentlich weniger Sorgen über die Sicherheit ihrer Staatsbürger, oder sind sie einfach nur dichter dran und besser informiert?“ Das fragen sich zahlreiche Insider, die im selben Atemzug dem deutschen Auswärtigen Amt vorwerfen, die Situation undifferenziert nach der Sicherheitslage im Nordsinai oder in Kairo auf den Rest des Landes zu übertragen.
Das sagen die Betroffenen (v.l.n.r): Subaqua Dive Center, diving.DE, Sinai Divers - Klick zum Vergrößern
Höhere Gewalt im Reiserecht
Dass Reiseveranstalter und Airlines sich bei ihren Stornos stets auf
die Einschätzung des Auswärtigen Amtes beriefen, erlangt eine
zusätzliche Brisanz durch die Ansicht des Reiserechtsexperten
Prof. Dr.
Ronald Schmidt, der die Bewertungen des Auswärtigen Amtes
allenfalls
als “ein Indiz für das Vorliegen
höherer Gewalt“ ansieht. Die Einstufungen des
Auswärtigen Amtes seien „deshalb
kein Kriterium um das Vorliegen von 'höherer Gewalt' im Sinne des
deutschen Reiserechts zu begründen“, so Schmidt in einer Veröffentlichung zur Situation in Ägypten.
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„Und“, so sagt Judith Wächter von Bluewater Safaris, „ein Fall von 'höherer Gewalt' im Sinne des Reiserechts liegt nur dann vor, wenn im Zielgebiet auch eine tatsächliche Gefährdungslage gegeben oder zu erwarten ist. Dies war und ist jedoch für das Gebiet am Roten Meer nicht zutreffend“ sagt die Spezialistin für Tauchsafaris.
Interessant auch die Frage von Simone Scheuer, Büroleiterin im Barakuda Lotus Bay Safaga: „Und was passiert mit den zahlreichen Individualtouristen, die ihre Touren mit Safarischiffen oder Hotels selbst gebucht hatten und durch einen Flugstorno das Geld für ihre Tauchsafari verlieren? Oder vorausgebuchte und bezahlte Tauchpakete...?“ Die Airlines stornieren mit dem schwammigen Hinweis auf die Sicherheitslage und zahlen die bereits bezahlten Flugkosten zurück. Wie ist es mit der Safaritour mit 20 Gästen, 15 kommen und treten die Reise an, fünf kommen nicht, weil ihnen die Flüge storniert wurden... Der Tourveranstalter hat die Kosten und muss mit 15 Gästen die Tour stattfinden lassen, die Leistung wird also erbracht. Und die fünf Storno-Fluggäste?
Das sagen die Betroffenen (v.l.n.r): Camel Divers, Sunshine Divers, Barakuda Lotus Bay - Klick zum Vergrößern
Taucher.Net-Anwalt Klaus Nadeschdin ist mit seiner Meinung sehr nah bei Prof. Dr. Schmid, denn auch er meint, dass den Hinweisen des Auswärtigen Amtes nur eine Indizfunktion zukäme, es aber vor allem auf die Umstände des konkreten Einzelfalles ankomme.
„Selbstverständlich haftet die Fluggesellschaft auch für Schäden, die dem Fluggast aufgrund der Annullierung entstehen, also auch für Stornokosten die anfallen, wenn man seine Tauchsafari nicht erreicht. Ein solcher Schadensersatzanspruch setzt allerdings ein Verschulden der Fluggesellschaft voraus. Storniert die Airline einen Flug mit der Begründung, es liege höhere Gewalt aufgrund politischer Instabilität vor, muss sie dies für jeden konkreten Einzelfall im gerichtlichen Verfahren auch beweisen können“.
Es kann das Aus bedeuten...
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„Wir fühlen uns hier alleingelassen von Reiseveranstaltern, Airlines und Medien“, hörten wir immer wieder, denn nicht einmal den Versuch einer objektiven Bewertung kann man durchgängig wahrnehmen. „Danke, dass Taucher.Net es wenigstens versucht und nicht, wie die Reiseveranstalter und Airlines seine Partner einfach wie eine heiße Kartoffel fallen lässt, um erst dann wieder zu kommen, wenn man sie wieder ausnehmen kann“, hörten wir mehr als einmal nicht nur von deutschen Basisbetreibern.
Da klingt schon ein wenig Frust heraus denn viele Tauchbasen ziehen schon Konsequenzen, und schließen zunächst einmal vorübergehend, wobei ihnen dann häufig Ungemach mit den vermietenden Hotels ansteht. (wir berichteten: "Ägypten vor dem Kollaps" 4.9.13)
„Die letzten zwei Jahre waren für die Tauchbasen schon schwer in Ägypten und darum werden sicherlich einige dieses Jahr nicht unbeschadet überstehen und für andere wiederum kann es sogar das endgültige Aus bedeuten“, prognostiziert Volkmar Göldner von Sub Aqua Dive Center düstere Zeiten.
Kritisiert wurden immer wieder auch die Medien, denen fast unisono eine unausgewogene, nicht gut recherchierte Sensationsberichterstattung vorgeworfen wird.
Klartext gab es von Mirko Obermann von diving.DE. Er befasste sich in seinem Beitrag ausgiebig mit der Rolle der Medien und fasste zusammen: “Getreu dem guten alten Medienmotto 'Nur eine schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht' wurde fünf Tage lang über Tod und Terror und einen vermeintlichen drohenden Bürgerkrieg geschrieben und gesendet und sich gegenseitig überboten an Dramatik. Und dann zog der Medientross einfach weiter und beschäftigt sich jetzt mit Syrien und der Bundestagswahl und Promi Big Brother. Dabei ist es leider völlig nebensächlich, dass ausschließlich aus Kairo und Alexandria berichtet wurde und sich wahrscheinlich kein einziger der Reporter überhaupt ans Rote Meer verirrt hatte.“
Das sagen die Betroffenen (v.l.n.r): Bluewater Safaris, Aquarius - Klick zum Vergrößern
Auch die Fluggesellschaften bekamen ihr Fett ab, denn deren Verhalten wird durchgängig kritisiert und nicht verstanden: „Die Airlines werden ihr Übriges tun das ein oder andere Resort samt Tauchbasis in die Pleite zu senden und viele Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit – natürlich ohne Arbeitslosengeld vom Staat. Aus Erfahrung wissen wir, dass Airlines im Umstellen ihrer Flugpläne nur sehr langsam und unflexibel reagieren und warten bis die Nachfrage größer wird als die Kapazitätsgrenze ihrer Maschinen. Da die Nachfrage nach „Rot-Meer-Urlaub“ aber nicht merklich größer wird solange nur eine begrenzte Zahl an Flügen verfügbar ist wird sich die Katze in den sprichwörtlichen Schwanz beißen und bis ein „Vorkrisenniveau“ erreicht ist, dauert es etwa zwei bis drei Jahre“, resümiert Mirko Obermann die nicht gerade rosigen Aussichten für die touristische Zukunft der Tauchindustrie am Roten Meer.
Nicht mit Ruhm bekleckert
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Doch alle Kommentatoren waren sich auch einig, dass es weiter gehen muss und Ägypten diesen Absturz nicht verdient habe. Volkmar Göldner brachte es knapp auf den Punkt:
„Ja, es ist zurzeit sehr ruhig hier und man kann wirklich sehr gut entspannen!
Ja, das Tauchen ist zurzeit genial,
Ja, ich persönlich würde wieder hierher fliegen.
Aber NEIN, wir können euch eure Entscheidung nicht abnehmen!“
„Vor zwei Wochen war ich mal wieder zu spät dran um mit unserem Auto am Mittwoch von Hurghada nach Port Ghalib zu den einlaufenden Schiffen zu fahren. Die Folge war eine „geringfügige“ Geschwindigkeitsübertretung die nicht genauer benannt werden muss. Und dann haben die Ägyptischen Sicherheitskräfte - sprich Polizei - tatsächlich nichts anderes zu tun, als eine Radarfalle aufzustellen und 150,- Ägyptische Pfund von mir zu kassieren. Und ich habe diese gerne bezahlt, denn das ist ein Zeichen, dass hier alles normal läuft und Zeit und Kapazitäten für Verkehrskontrollen vorhanden sind.
In diesem Sinne - lasst Euch nicht verrückt machen.“