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Juni 2007: nach drei Tagen Anreise stehen wir zu ...

Juni 2007: nach drei Tagen Anreise stehen wir zu dritt am Vestfjord und schauen auf die schneebedeckten Bergketten der Lofoten. Die Sonne scheint und die Temperatur beträgt 20°C. Besser hätten wir es nicht treffen können. Das Meer ist stahlblau mit türkisfarbenen Buchten. Man kann einige Meter bis auf den Grund sehen. Die Sichtverhältnisse scheinen ausgezeichnet zu sein. Acht herrliche Wracktauchtage liegen vor uns. Frank vom Norway-Team (www.norway-team.de) hat die Tour organisiert und ich habe das Glück, dabeisein zu können.

D/S Kamöy, Lödingen
Das erste Wrack unserer Tauchtour liegt am Hafenausgang von Lödingen. Ca. 200m vor der Ortseinfahrt Lödingen kann man von Land aus die Kamöy betauchen. Leider gibt es auf der schmalen Strasse absolut keine Parkmöglichkeit. So halten wir neben der Leitplanke für einen Moment an, laden die Tauchausrüstung aus und deponieren diese auf einem Felsen am Wasser. Das Auto parken wir anschließend an der Esso-Tankstelle am Ortseingang, ziehen uns dort um und marschieren dann auf der Strasse zurück zu unserer Ausrüstung. Die Kamöy ist am Heck mit einer schwarzen Boje markiert, die wir auf ca. 150m anschwimmen. Uns erwartet ein wundervoll bewachsenes Wrack. Dieser Eindruck wird sich übrigens bei allen weiteren Tauchgängen wieder einstellen. Die Tauchplätze sind unberührt, Flora und Fauna überreich entwickelt. Die Sichtweiten sind bei der Kamöy mit ca. 10m eher mäßig. Der ca. 100m lange Frachter (2.500 BRT) wurde 1921 in Dienst gestellt und im zweiten Weltkrieg von der deutschen Handelsmarine akquiriert. Am 28.10.1944 wurde das Schiff vor der Hafeneinfahrt durch britische Bomber versenkt. 5 Seeleute starben. Das Wrackmittelteil wurde in den 50er Jahren zu einem großen Teil abgewrackt und so ist hier nicht mehr allzu viel übrig geblieben. Bug- und Heckteil sind dagegen gut erhalten und stehen senkrecht auf dem ebenen Sandgrund in etwa 25m Tiefe. Der Bug ist über und über mit Fischernetzen behangen und bietet einen phantastischen Anblick. Auf Deck sind einige Seehasen, die sich unbeholfen vor uns verstecken wollen. Nach einer halben Stunde wird mir kalt. Die 6°C Wassertemperatur kriechen langsam durch den Trocki und mir in die Knochen. Bei allen weiteren Tauchgängen habe ich mir dann einen zusätzlichen Vlies untergezogen und drei Kilo mehr aufgelegt. Das hat geholfen.

Hurtigruten-Wrack, Offersöy
Für die nächsten Tage hatten wir uns eine Hütte in Offersöy gemietet. Ein wundervoller Platz, der normalerweise nur von Sportfischern aufgesucht wird. Hier besteht die Möglichkeit, Boote in verschiedenen Größen und Leistungsklassen zu mieten. Einen (Boots-)Führerschein braucht man hier nicht, wenn ich das richtig verstanden habe. Aber mit Frank hatten wir einen Skipper dabei, der sich noch dazu in diesen Gefilden sehr gut auskennt (Frank fährt im Oktober/November mit Gästen hinaus auf den Fjord zum Orca-Tauchen). Wir wollten ein Wrack aufsuchen, dass in der Seekarte ca. 2 Meilen vor Offersöy verzeichnet ist. Mit einem offenen 50PS-Boot sind wir rausgefahren und haben die ungefähre Position aufgesucht. Eine felsige Untiefe schien geeignet einem Schiff bei Schlechtwetter den Garaus zu machen. Ehrlich gesagt, hatte ich nicht viel Hoffnung hier auf gut Glück irgendetwas zu finden. Wir haben an diesem Felsen schließlich Anker geworfen und sind von dem Felsen weg in Richtung offenem Wasser abgetaucht. Bald folgte eine ca. 20m abfallende Steilwand an der wir uns abfallen ließen und nach einigen Metern auf dem Sandgrund erschien plötzlich der große Schatten eines Wracks. Volltreffer! Das Wrack liegt mit ca. 60° Neigung auf dem Sandgrund. Der Bug ist zerstört aber Mittel- und Heckteil noch relativ gut erhalten. Das Deckholz ist nahezu vollständig weggegammelt und man blickt durch das Deckgerippe tief in den Stahlrumpf. Einige Bullaugen sind vollständig erhalten. Überdimensionale Seespinnen haben sich im Rumpf versteckt. Die Spanten sind über und über mit Anemonen und Weichkorallen bewachsen. Ich hätte Stunden an diesem romantischen Wrack verbringen können aber der Computer mahnte zum austauchen. Oberhalb der Steilwand konnten wir uns hierzu im wunderschönen Kelbbewuchs entsprechend Zeit lassen.
Später haben wir im Hurtigrutenmuseum in Stokmarknes Nachforschungen zu diesem Wrack angestellt. Wahrscheinlich handelte es sich hier um die ´Haakon Jarl´, gesunken 1924. Allerdings weicht die bezeichnete Untergangsstelle um einige 10 Seemeilen von unserer Position ab. Ein weiteres Rätsel gab uns eine im Sand gefundene Scherbe mit dem Stempel ’Haakon Adalstein’, einem Schiff, das 1947 vor Schweden gesunken sein soll.

U-711 und Black Watch, Kilbotn
Zweifellos der Höhepunkt unserer Reise waren die Wracks U-711 und Black Watch in der Bucht von Kilbotn. Noch kurz vor Kriegsende wurden die beiden Schiffe durch einen überraschenden Bombenangriff der britischen Air Force versenkt. Gerade von einer Feindfahrt zurückgekehrt, hatte U-711 kurze Zeit vorher am Versorgungs- und Hotelschiff ´Black Watch´ festgemacht. Ca. 40 Mann der U-Boot Besatzung waren bereits auf der ´Black Watch´, wahrscheinlich froh, die vermeintlich letzte Feindfahrt heil überstanden zu haben, als der Angriff losbrach. Die Black Watch wurde von 7 Bombentreffern zerrissen. Die auf U-711 zurückgebliebene Wachmannschaft konnte das U-Boot während des Angriffs noch losmachen, aber das Boot versank dann doch durch Nahtreffer wenige 100m weiter im Fjord. Auf der ´Black Watch´ starben alle übergesetzten U-Boot Männer. Wenn man auf die friedlich-schöne Bucht von Kilbotn schaut, dann kann man sich dieses Kriegsinferno überhaupt nicht vorstellen. Stig, ein Berufstaucher aus Kilbotn erzählt, dass schwere Stahlplatten der Black Watch durch die Explosionen bis auf die umliegenden Hügel geschleudert wurden. Aus den Baumkronen mussten nach dem Angriff Leichenteile geborgen werden. Die Häuser an der Bucht wurden zum Teil stark in Mitleidenschaft gezogen. Verluste unter der norwegischen Zivilbevölkerung hatte es aber nicht gegeben.
Stig hatte seinen Tauchroboter (ROV) mitgebracht, mit dem er normalerweise die Netze von Lachsfarmen kontrolliert. Mit Hilfe des ROVs war das U-Boot in einer Tiefe von ca. 50m schnell gefunden. Es lag ca. 10m neben unserer Ankerleine. Die Bilder des ROVs wurden auf ein Laptop übertragen und wir konnten uns ein gutes Bild von der Lage des U-Boots machen. Die Sicht war im übrigen enttäuschend schlecht. Holger und Harald, zwei Mittaucher vom Bodensee, sind als erste die Ankerleine runter und haben an dem U-Boot, ungefähr Mitschiffs, ein neues Ankerseil gesetzt. Für uns war es nun einfach, auf direktem Wege zum Wrack zu gelangen. Die Sicht lag bei ca. 5m. U-711 liegt mit ungefähr 60° nach Backbord geneigt auf ebenen Grund. Der Zustand ist hervorragend! Im Turm sind alle Gerätschaften, wie das Luftzielseerohr, Kompasshalterung (der Kompass ist natürlich weg), Überwasserzieleinrichtung, gut zu sehen. Das Turmluk steht halb auf und man kann einen Blick in das schwarze Innere werfen. Die hinteren Turmanbauten sehen ziemlich beschädigt aus. Die beiden Flakgeschütze konnte ich nicht entdecken. Vielleicht sind sie abgerissen oder sie wurden bereits geborgen. Die Holzbeplankung auf Deck ist nahezu vollständig erhalten. Man glaubt gar nicht, wieviele Details an so einem, eigentlich glatten U-Boot-Körper zu entdecken sind. Schade, dass aufgrund der Tiefe die Grundzeit nicht besonders ausgedehnt werden konnte. Das U-Boot würde Stoff für viele interessante Tauchgänge bieten.
Der zweite Tagestauchgang führte uns zur Black Watch. Man erreicht die Wrackoberkante bereits auf 18m Wassertiefe. Das Schiff liegt übel zugerichtet mit 90° Seitenlage auf dem ca. 40m tiefen Sandgrund. Obwohl das Schiff bereits z.T. abgewrackt wurde, habe mich die Tauchgänge hier tief beeindruckt. In dem kalten Salzwasser haben sich viele Dinge seit dem gewaltsamen Untergang vor 62 Jahren gut erhalten. Das Holz der Decksaufbauten ist nicht nennenswert vermodert. Die vielen Fenster gaben den Blick ins Innere frei. Ich sah Sanitäreinrichtungen, Stiefel und Bücher! Ich wusste nicht, dass sich Papier solange im Wasser halten kann. Ein Buch lag unmittelbar am Aussenrand des Wracks und der deutsche Titel war gut lesbar: ’Ackerbaulehre für Jungbauern’. Wie kam dieses Buch zur Kriegsmarine und welches Schicksal mag sich dahinter verbergen? Auf dem Grund liegen geborstene Maschinenteile und auf einmal steht dort eine emaillierte Badewanne.

Dronning Maud
Das letzte Ziel unserer Reise war das Wrack der Dronning Maud. Das Schiff gehörte einst zur Hurtigruten-Linie und wurde im zweiten Weltkrieg als Lazarettschiff umfunktioniert. 1940 wurde es von deutschen Flugzeugen in Brand gebombt und sank schließlich aufrecht stehend auf 42m Grund. Das Wrack ist heute mit zwei Bojen am Heck und Bug markiert. Wir haben unsere Tauchgänge am Heck in 32m Tiefe begonnen. Das Schiff ist gut erhalten und bietet einen phantastischen Anblick. Im Heck ist das Notsteuerrad gut zu erkennen. Von hier sind wir entlang der zweistöckigen Kajütdecks In Richtung Bug getaucht. Der große Schornstein und der vordere Mast ragen steil zur Oberfläche. Die Holzaufbauten wurden vom Feuer vernichtet, so dass man nun von oben in die leeren Räume sehen kann. Wir sind nicht weiter in das Wrackinnere vorgedrungen, sondern haben uns auf das 75m lange Deck beschränkt. Im Bugbereich kann man einen Blick in die Kombüse werfen. Auf dem Vordeck in 25m Tiefe stehen auch die schweren Ankerwinden. Die Ankerketten verschwinden irgendwo Richtung Grund. Bei der Dekopause in 3m Wassertiefe hatten wir eine Begegnung mit einem zentimetergroßen Seehasen. Der kleine vorwitzige Fisch lugte die ganze Zeit über neugierig in meine Kameralinse. Vielleicht sah er dort sein Spiegelbild oder wollte er unbedingt ins taucher.net ?


im Hurtigrutenwrack


Blick in die Black Watch


U-711 Kompasshalterung


U-711 Luftzielseerohr


Dronning Maud


2cm - Seehase