Kieler Hafen: Der Schatz der Monte Olivia

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03.05.2023 09:13
Kategorie: News

Bergung vom Ostseegrund

Es ist Dienstag der 30.08.22 als sich vier Taucher, der Forschungstauchervereinigung SDA aufmachen um, sich einem ihrer Projekte zu widmen. Es ist noch sehr früh und leichter Nebel schwebt über der Ostsee. Unterstützt werden die Taucher von One Earth- One Ocean.

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Seit 7 Jahren arbeiten die Organisationen Forschungstauchervereinigung/ Scientific Diving Association und OEOO bereits zusammen um ehrenamtlich an bis zu 50 Tagen pro Jahr verlorene Fischernetze zu suchen und zu bergen. Ein wichtiges Projekt, da z.B. von dem Kleinen Schweinswal nur noch geschätzt 500 Tiere in der Ostsee existieren und mehr Tiere dieser Art in verlorenen Netzen verenden, als Jungtiere geboren werden.

An diesem Tag wollen die Taucher der Meldung eines Anglers nachgehen, der berichtet, dass er stets an der gleichen Stelle im Kieler Hafen, mit seinen Angelhaken hängen bleibt. Ein Indiz auf ein potentiell verlorenes Netz.

Das Team verzichtet heute auf den größeren Katamaran „Seekuh 1“ und nutzt stattdessen ein schnelleres Einsatz- Schlauchboot. Es ist 08:17 Uhr als sich das erste Tauchteam klarmacht und rückwärts von dem Boot in die Ostsee fallen lässt. Das Team führt eine Oberflächenboje mit sich, so dass stets überwacht werden kann, wo sich die Taucher befinden. Nicht unwichtig, da die Kieler Förde ein sehr stark befahrenes Gewässer ist.

Der ganze Ostseegrund liegt hier voll mit Schrott

Nach einer knappen Stunde geben die Taucher das Signal zum Auftauchen und nach einem Sicherheitsstopp auf 5 Meter kommen beide zur Oberfläche. Beide haben die Hände voll, aber es sind keine Netze, sondern Gegenstände aus Metall. Beide Taucher nehmen ihre Maske ab und die Atemregler aus dem Mund… Das erste was sie von sich geben ist: „Ein Netz haben wir nicht finden können, aber der ganze Ostseegrund liegt hier voll mit Schrott“!

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An diesem Tag hat Hubert Pinto de Kraus die Einsatzleitung und als erfahrener Forschungs- und Wracktaucher befindet er sich mit an Bord. Bereits auf dem ersten Blick fallen ihm die Stempel auf den Gegenständen auf. Es handelt sich um die Insignien HSDG. Diese kennt er bereits von dem Schiffswrack der Cap Arkona. Einem Schiff der Hamburg Südamerikanischen Dampfschifffahrtgesellschaft welches mit tausenden KZ Häftlingen, am 03.05.1945 von einer englischen Fliegerstaffel in der Neustädter Bucht versenkt wurde. Der Stempel der HSDG befand sich, so weiß er, nur auf wertvollem Silbergeschirr und Besteck.

Die Taucher werden an Bord geholt und gefragt wie die Situation auf dem Meeresgrund aussehen würde. Beide Taucher bestätigen noch einmal, dass es sich um einen gewaltigen Bereich voller Metallteile handeln würde und sich darunter auch Gießkannen befinden würden. Diese Gießkannen stellen sich später als silberne Karaffen für Kaffee und Tee heraus.

Wie kommt das vermeintliche Silber auf den Grund der Ostsee?

Es dauert nicht einmal einen Tag, bis Recherchen ergeben, dass genau an dieser Stelle, ebenfalls am 03.05.1945 ein weiteres Schiff der Hamburg Südamerikanischen Dampfschifffahrtgesellschaft durch einen Bombentreffer versenkt wurde. In der Literatur steht allerdings auch, dass das Schiff bereits 1946 wieder gehoben und abgewrackt wurde. Beim Zerlegen des Schiffes ging dann jedoch ein Großteil, der sich im Schiff befindlichen Ausstattung und Ladung, über Bord.

Es vergehen weitere 8 Wochen bis sich das Team der Scientific Diving Association erneut aufmachen kann um der Sache nachzugehen, denn im September müssen noch wichtige Forschungsarbeiten in Tansania und Uganda erledigt werden.

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Als Mitte Oktober das Team erneut am Ort der Untergangsstelle ist, wird schnell klar, dass sich hunderte von Gegenständen aus Silber und weitere Beifunde aus dem Schiff auf dem Meeresgrund befinden. Bereits bei dem ersten Taucheinsatz können rund 30 Gegenstände aus Silber geborgen werden. Kurios gibt es auch: der Fund eines Motorrads aus dem WK2 welches sich zwischen den ganzen Gegenständen befindet ist ein ganz besonderes Stück. Da die Monte Olivia durch den Bombentreffer in Brand geriet sind viele der Gegenstände schwarz verfärbt und mit Rückständen von Schweröl verunreinigt.

Eine der wichtigsten Maßnahmen war wohl die sofortige Kontaktaufnahme mit dem Archäologischen Landesamtes in Schleswig, denn nach dem Denkmalschutzgesetz gehören alle gefunden Artefakte, die älter sind als 100 Jahre, automatisch dem Land und damit der Allgemeinheit. Wer ohne Nachforschungsgenehmigung (NFG) gräbt oder plündert begeht eine Straftat. Da die SDA aber in den letzten Jahren bereits in enger Kooperation mit dem ALSH zusammengearbeitet hat, wird von diesen relativ schnell eine Genehmigung, für weitere Prospektionen, erteilt.

Mit Plünderungen ist zu rechnen

Genauso wichtig ist das einbeziehen der Wasserschutzpolizei und des Hafenamtes da klar ist, dass bei Bekanntwerden des Fundes, mit Plünderungen zu rechnen ist. Einzelne Gegenstände aus der Vergangenheit der HSDG werden im Internet hoch gehandelt. So findet sich im Internet ein silbernes Trinkbecherset auf einer amerikanischen Plattform für 16 000€. Eine kommerzielle Vermarktung der Funde liegt nicht im Interesse der ehrenamtlich arbeitenden SDA. Den Mitgliedern ist klar, dass dieser einmalige Schatzfund in die Öffentlichkeit gehört.

Nach einer Kontaktaufnahme mit der Hamburg Süd, meldet sich Philip Oetker persönlich und vermittelt einen weiteren wichtigen Kontakt zu Frau Eva Graumann. Frau Graumann ist langjährige Mitarbeiterin der Hamburg Süd und eine enge Vertraute der Familie Oetker. Frau Graumann berichtet, dass sich eine wichtige Ausstellung, zur Geschichte der Hamburg Süd, im Internationalen Maritimen Museum in Hamburg befindet. Es handelt sich dabei um eine Wanderausstellung.

Bereits bei dem ersten Treffen im IMM in HH, bei dem auch Peter Tamm anwesend ist, kann man sich darauf einigen, dass die Funde dort ausgestellt werden sollen. Seit dem Treffen befinden sich alle Beteiligten in einem regen Austausch.

Perspektiven

Seit November leisteten die Forschungstaucher der SDA, in nahezu jeder Woche weitere Einsätze, um möglichst viele weitere Gegenstände zu bergen. Dabei sind gerade im Winter die Einsatzbedingungen mit 4 Grad Wassertemperatur und Schnee und Eisregen nicht immer angenehm. Viele der Funde wurden durch Schraubenbewegungen großer anlegender Schiffe tief in die Sedimente gedrückt und müssen regelrecht frei präpariert werden, oder liegen im Faulschlamm der Ostsee verborgen.

Derzeit trüben eine frühe Braunalgenblüte die Sichtverhältnisse und die Funde müssen nahezu blind ertastet werden.

Ziel ist es jedoch, bis zur Bekanntgabe des Schatzfundes, am heutigen Mittwoch (03.05.23), möglichst viele Gegenstände zu bergen und potentiellen Plünderern und Schatzräubern keine Chance auf schnelle Beute zu ermöglichen.