Unterwasserwunderwelt Alaska. Begegnung der dritten Art

Teile:
19.10.2013 10:58
Kategorie: Reise


Alaska - unendliche Weiten, eine Naturlandschaft der Superlative, über wie unter Wasser. Es ist nicht unsere erste Tauchreise in dieses einzigartige Gebiet. Doch wir können uns diesem Zauber einfach nicht entziehen. So kommen wir bereits zum dritten Mal in dieses eher unbekannte Tauchgebiet und erleben einen unwirklichen Tauchgang (ein Erlebnis der dritten Art), bei dem es uns gelingt atemberaubende Bilder mit an die Oberfläche zu bringen!

Bericht von Sabine Huber

Früh am Morgen sind wir heute in einem engen Fjord, der Patterson Deep Bay, mit unserem Schiff, der Nautilus Swell, vor Anker gegangen. Dort wo der Fjord zu seinem Ende ausläuft, fließt ein breiter Bach mit kristallklarem Wasser ins Meer. Der landschaftliche Reiz könnte wohl kaum atemberaubender sein. Die anderen Gäste sind bereits aufgebrochen, um die dort aufsteigenden Lachse zu beobachten und über wie unter Wasser zu fotografieren.

Die zweite Gruppe bricht nun ebenfalls zum ersten Tauchgang des Tages auf. Die einzigartige Unterwasserwelt fasziniert uns mit Fischen und Pflanzen, die wir sonst noch nirgendwo auf diesem Planeten gesehen haben. Das Wasser ist tiefgrün, die Wassertemperaturen liegen um die vier bis zehn Grad. Wir sind froh, dass wir unsere Trockenanzüge mitgenommen haben, mit einem Halbtrockenanzug würden die Tauchgänge wohl eher keinen allzu langen Spaß bereiten.

Wieder gehören wir zu den Glücklichen, die bei diesem Tauchgang schon nach wenigen Minuten den Fisch, den wir unbedingt fotografieren wollen, vor die Linse bekommen: den Red Irish Lord!

Er lebt meist am Boden und sieht einem Drachenkopf ähnlich, nur in einer wunderbar roten Färbung. Als eine der endemischen Arten in diesen Gewässern, ist er für uns natürlich besonders interessant. Seine namensgebende Farbe ist ein echter Hingucker unter Wasser; man benötigt dafür unbedingt eine Lampe, die auf den meisten Tauchgängen in Alaska nicht fehlen sollte!

Artenvielfalt im Kaltwasser


Die Unterwasserwelt ist vielfältig und teilweise extrem bunt. Plötzlich tauchen Buckelwale vor uns auf. Leider ziehen diese zu schnell an uns vorüber und wir haben nicht das Glück, dass wir sie noch einmal unter Wasser anzutreffen.



Doch schon bei einem der nächsten Tauchgänge heitern uns Stellersche Seelöwen (Eumetopias jubatus) mit ihrer verspielten Art wieder auf. Diese kommen auch unter Wasser ganz nah an uns heran. Von Kamerascheue kann man hier wohl kaum sprechen und manchem kommen sie auch schon zu nahe. An Land konnten wir zuvor beobachten, dass das stärkste Männchen alle weiblichen Seelöwen um sich schart. Der Rest der Männchen geht leer aus. Besonders diese männlichen "Single-Seelöwen" sind bei den Tauchgängen teilweise extrem aufdringlich und rüpelhaft! So viel geballtes Testosteron muss scheinbar irgendwo ausgelebt werden und sei es an den Tauchern!



Während eines Landgangs am nächsten Morgen bleibe ich an Bord zurück. Ich genieße den Anblick des Meeres und einfach den Tag selbst. Eines der kleinen Kajaks, die man an Bord ausleihen kann, habe ich mir bereitstellen lassen, um in die Nähe der Küste paddeln zu können, sollte eventuell ein Grizzlybär am Ufer vor mir auftauchen. Fotojagd auf Grizzlybären gehört an Bord der Nautilus Swell einfach zum "Adventure Feeling" dazu!

Meter für Meter scanne ich mit dem Fernglas die Uferlinie nach einer Bewegung, irgendeiner Veränderung, vorzugsweise in Braun, ab. Doch die Grizzlybären wollen an diesem Tag einfach nicht mitspielen und so schweift mein Blick immer öfter über die Wasserlinie. Wer weiß, vielleicht lässt sich ja noch einmal ein Buckelwal, Seeadler oder ähnliches blicken!

"This could be smudges..."


Anfangs ist die Meeresoberfläche etwas undurchsichtig, aber als sich der Wind legt, wird das Wasser durchsichtig und klar. Was ich zuerst für weiße Schlieren, Ozeanmüll oder Algen halte, scheint plötzlich noch intensiver weiß unter der Oberfläche zu leuchten. Auch mit dem Fernglas fest an die Augen gepresst, kann ich mir keinen Reim darauf machen, was da wirklich unter der Wasseroberfläche treibt!

Unser Kapitän Mike ist am Kartentisch. Neugierig frage ich, was das sein könnte. Er blickt kurz durch das Fernglas und meint: "That could be smudges". Damit kann ich jetzt noch weniger anfangen, als wenn er mir gesagt hätte, Außerirdische seien gelandet. Also erklärt er weiter, dass das Wasser vor lauter Quallen so aussieht als hätte ein Aquarellmaler Schlieren auf sein Bild gemalt. Da es für das, was wir gerade sehen, noch keine "wissenschaftliche" Bezeichnung gibt, hat er diesen Anblick "Smudges" getauft. Er hat dies schon einmal vor Jahren beobachtet; es könnte sich hierbei um die Wiederholung handeln, denn es habe exakt so ausgesehen.

Bei der Vermutung, dass es sich bei den von mir beobachteten Schlieren um die Wiederholung eines Naturphänomens handeln könnte, steigt bei uns beiden der Adrenalinspiegel. Wir laufen mit unseren Ferngläsern auf das oberste Deck des Schiffs, von wo aus wir den besten Überblick haben. Mike meint nur, ich solle meinen Hintern endlich in den Tauchanzug packen und ins Wasser gehen. Leider sind die anderen an Land, aber so habe ich auch den Vorteil alleine und als erster ins Wasser zu gehen.

Ich rase aufs Tauchdeck, wo ich beinahe einen Frontalzusammenstoß mit meinem Tauchbuddy Christian habe. "Ich dachte du bist bei den Lachsen?", frage ich erstaunt. "Nein, die hab ich verschlafen" kommt in schönstem "Schwitzerdütsch" zurück. Schnell erkläre ich ihm, worum es geht, und was es möglicherweise zu sehen geben könnte.

Der Schlaf ist blitzartig aus seinem Gesicht verschwunden, und wir liefern uns einen Wettkampf darin, wer schneller im Trocki ist, Österreicher oder Schweizer. So rasch waren wir selten im Anzug und simultan springen wir von der Nautilus Swell in die eiskalten Fluten. Langsam tauchen wir knapp unter der Wasseroberfläche in Richtung des "Aquarells". Bereits unter dem Schiff treiben erste Mondquallen und je näher wir zur Hauptansammlung vorstoßen, desto dichter wird der Vorhang der schimmernden, rund 30-40 Zentimeter großen, Gallerttiere.


Reiseinfos


Waterworld ist Kaltwasser Spezialist, für eiskaltes Abtauchen und außergewöhnliche Naturerlebnisse. Auf den begleiteten Reisen ist auch immer ein UW-Fotoprofi dabei, der gerne individuell Tipps und Tricks für Über- und Unterwasser-Fotografie gibt!

Waterworld Kaltwasser Highlights:
ALASKA - jederzeit individuell buchbar!
SPITZBERGEN begleite Foto-, Natur- & Tauchreise 01.07.- 10.07.2014
GRÖNLAND 12.09. - 19.09.2014

Web: www.waterworld.at
Mail: info@waterworld.at
Tel : +43 5224 67455


Begegnung der dritten Art


Wir tauchen auf 15 Meter Tiefe, das Wasser ist kristallklar und schimmert in grünem Licht. Die Strömung treibt uns zusammen mit den Quallen gemächlich in Richtung Schlieren. Dann plötzlich erhebt sich vor uns eine wabernde, pulsierende Wand. Sprachlos bremsen wir unseren langsamen Drift ab und starren wie gebannt auf dieses einzigartige Naturschauspiel. Es ist mit Worten kaum zu beschreiben, wie Abermillionen von Quallen so dicht gedrängt, dass kein Blatt Papier dazwischen Platz hätte, auf den Betrachter wirken. Soweit wir sehen können, nach links und nach rechts zeichnet sich kein Ende dieser "Quallenwand" ab. Nach oben hin erreichen sie beinahe die Oberfläche, werden jedoch von einer zirka ein Meter dicken Süßwasserschicht, die durch den Fluss entsteht, am weiteren Aufstieg gehindert. Nach unten scheint bei ca. 30-40 Metern das Ende des "Quallenreichs" zu sein.


Abermillionen von Quallen, begrenzt nur durch eine zirka ein Meter dicke Süßwasserschicht an der Oberfläche.

Wir gleiten langsam in die Tiefe. Bei 35 Metern erreichen wir tatsächlich den unteren Rand des Quallenschwarmes und tauchen unter einen schneeweißen Baldachin, durch den nur spärlich das letzte Licht der Oberfläche dringt. Wie eine massive Gallertmasse treiben rund 34 Meter Quallen über uns. Unsere aufsteigenden Luftblasen öffnen uns einen kleinen Tunnel in ein Zauberreich, wie man es eigentlich in einem Fantasy Film erwarten würde. Vorsichtig beginne ich zu fotografieren, justiere meine Blitze auf sehr niedriges Leistungsvolumen, um Reflexionen weitgehend auszuschließen. Oft muss ich mir erst einen Meter Freiraum in Mitten dieser Quallenwolke verschaffen, um überhaupt ein Bild machen zu können, denn wenn dutzende Quallen förmlich auf der Optik kleben, versagt der Autofokus.

Mitten in den Quallen haben mein Tauchpartner und ich völlig die Orientierung verloren, wir sind Teil dieses riesigen Schwarmes und treiben wohl mit ihm zusammen in der Strömung. Als wir das untere Ende des Schwarms erreichen und der Blick wieder frei wird, sehen wir in welche Richtung wir tauchen müssen, um an den äußeren Rand zu gelangen. Die eisige Kälte dringt langsam durch die Trockentauchanzüge und auch unsere Grundzeit nähert sich dem Ende. So gleiten wir entlang der Quallen Richtung Oberfläche, um direkt unter der Wasseroberfläche die Quallenpopulation genauer in Augenschein zu nehmen.

So spektakulär die Tiere in der Tiefe waren, so ungewöhnlich und nicht minder faszinierend präsentieren sie sich unter der Wasseroberfläche. Die Süßwasserschicht an der Oberfläche macht es den Quallen, wegen der unterschiedlichen Wasserdichte, unmöglich bis an die Oberfläche zu gelangen. Unsere Luftblasen haben, als wir unter dem Schwarm waren, einen vertikalen Kamin zwischen die beiden Wasserschichten geschlagen. Einzelne Quallen wurden so mit nach oben mitgerissen und treiben nun verkehrt herum an der Wasseroberfläche.

Uns unserer Schuld bewusst und mit der plötzlichen Erkenntnis, wie sensibel dieses Phänomen ist, drücken wir die "gestrandeten" Quallen wieder in die Salzwasserschicht, wo sie sofort in tieferes Wasser abtauchen. Wir lassen uns an der Oberfläche über den Quallenteppich treiben und es entstehen Bilder von denen ich am Anfang dieses Tages nicht einmal geglaubt hätte, dass es sie gibt!

Mit beinahe leeren Flaschen schwimmen wir zurück zum "Mutterschiff" und fühlen uns, als ob wir von einer Expedition auf einem fernen Planeten zurückkehren.

Nach der nötigen Oberflächenpause, einem warmen Tee, aufgeladenen Akkus, einem frischen Chip für die Kamera, sowie neuen Flaschen, sind wir um keinen Preis der Welt mehr an Bord zu halten.



Die anderen Taucher sind inzwischen vom Landgang zurückgekehrt und rüsten sich ebenfalls für den Tauchgang! Den Rest des Tages verbringen alle, nur durch kurze, notwendige Oberflächenpausen unterbrochen, in einem weißgrünen Imperium. Viele von uns waren schon in Palau und sind sich einig, dass die Quallen von Alaska den weltberühmten Jelly Fish Lake zum Statisten degradieren! Dieser Tag ist sicherlich der absolute Höhepunkt unserer Tauchexpedition in Alaska.



Buckelwale, Seelöwen, Seeadler und viele andere Einwohner dieser faszinierenden Region haben wir in den nächsten Tagen noch öfter gesichtet. Allerdings konnten sie nicht so viel Adrenalin in uns zur Ausschüttung bringen, wie unsere harmlosen, ungefährlichen Quallenfreunde. Als wir in den Quallenschwarm vordrangen betraten wir, wie durch ein Sternentor, eine neue Dimension von der wir nicht wissen, ob wir sie in unserem Leben nochmals sehen werden. Aber wir hoffen es, die nächste Reise ist schon geplant!

(Erzählt von Werner Thiele, geschrieben von Sabine Huber.)


Video zum Thema:



Tauchgang mit Abertausenden von Quallen in der Patterson Bay - Hoonah Sound.

Weitere unglaubliche Aufnahmen von der Wunderwelt der Quallen in den Gewässern von Alaska in unserer Taucher.Net Videothek.