Seychellen. Tauchen im Paradies

Teile:
12.03.2012 15:29
Kategorie: Reise


Das Wort "Paradies" ist wohl das werbe- und marketingtechnisch am stärksten strapazierte Wort der Tourismusbranche. Ob die Seychellen noch ein Paradies sind? Mehr als andere "Paradiese"? Ich behaupte: Ja!

Ein strapaziertes Paradies, wie alle verbleibenden Kleinode dieser Welt, doch immer noch eines, das einen Besuch lohnt. Eines gleich vorweggenommen: Wenn jemand zwei Wochen lang nichts anderes tun will, als zwischen unzähligen Tauchgängen lästige kurze Zwischenpausen einzulegen, die für uns tauchende Menschenwesen leider immer noch eine physiologische und technische Notwendigkeit sind, dann braucht er nicht unbedingt auf die Seychellen zu fahren. Es gibt andere Destinationen, die näher liegen, billiger sind und intakte Korallenriffe aufweisen.


Bericht von Robert Hofrichter

Suche Dir einen eigenen weißen Traumstrand aus, knacke eine Kokosnuss, gehe mit Rifffischen und Meeresschildkröten schnorcheln oder, wenn Du gerade auf La Digue weilst, wandere auf den gut 300 Meter hohen Nid D'Aigle, wo Dich eine wunderbare Aussicht auf die umgebende Inselwelt erwartet. Und dann schnappe Deine Tauchausrüstung und tauche ab in die Unterwasserwelt des Indischen Ozeans, in die Welt von Walhaien und wunderschönen kleinen Korallenfischen.

Ein Blick in die Erdgeschichte: Einzigartige Inseln


Die zentralen (granitischen) Seychelleninseln – auch Innere Inseln genannt – sind kein Reiseziel für Tiefseebegeisterte und/oder Tekkies, die magische Tiefengrenzen wie 50, 80, 100 oder 150 über- oder vielmehr unterschreiten wollen. Warum das so ist, verrät jede großräumigere Karte des Archipels, die auch die Unterwassertopografie und die Tiefenlinien zeigt. Schnell wird dem Betrachter deutlich, dass das gesamte Gebiet der Inneren Inseln ein einziges Plateau bildet, dessen im Meer untergetauchten Teile ein flaches Schelfgebiet mit durchschnittlich kaum mehr als 40 bis 50 Meter Tiefe bilden, die oberirdischen Teile hingegen die heutigen etwa 50 Granitinseln der Seychellen darstellen. Nur mit viel Mühe würde hier ein allzu ambitionierter Tiefseetaucher ein "Loch" finden, das tiefer als 50 Meter ist.

Dieses größtenteils durch Wasser bedeckte, teils aus dem Wasser ragende Granitplateau ist in jeder Hinsicht einzigartig. Auf der ganzen Welt würde man kein vergleichbares Wunderland finden. Dieses Stück "Erde" besteht aus präkambrischem Urgestein und ist mindestens 700 Millionen Jahre alt. Bereits Hunderte Millionen Jahre bevor es überhaupt den Atlantik, das Mittelmeer und den Indischen Ozean gegeben hat, existierte dieses Land als Teil einer riesigen Landmasse, des Ur-Südkontinents Gondwana. Zusammen mit Afrika, Südamerika, Australien, Antarktika, dem Indischen Subkontinent und eben Seychellea bildeten sie die mehr oder weniger einzige, zusammenhängende, riesige Landmasse der südlichen Hemisphäre.


Naturparadies Seychellen

Irgendwann im Mesozoikum, dem Erdmittelalter, fing die Plattentektonik an die Karte unserer Erde zu verändern und die Platten zu verschieben. Alle Puzzlebausteine wanderten, bewegten sich zum Teil tausende Kilometer weit – nur Seychellea blieb mehr oder weniger an einer Stelle stehen. Rund um diesen Mikrokontinent entstand ein neuer Ozean. Der namensgebende Subkontinent, Indien, wanderte nach Norden, stieß mit Eurasien zusammen und ließ den Himalaja entstehen. Mindestens seit Ende der Kreide und damit auch des Erdmittelalters, seit 65 Millionen Jahren also, hatte Seychellea keinen Kontakt mehr zu den anderen Landmassen. Die großen Geschwister des kleinen Granitplateaus wurden zu bedeutenden Kontinenten, während Seychellea unbedeutend, unbekannt und unentdeckt bleib. Lediglich einige arabische, später portugiesische Seefahrer setzen in früheren Jahrhunderten ihren Fuß auf manche der paradiesischen Eilande.

Ein Paradies über und unter Wasser


Doch braucht ein Taucher überhaupt all das zu wissen um auf die Seychellen zu fliegen und dort tauchen zu gehen? Nun, es gibt die alte philosophische Erkenntnis, dass es weiser ist nach der Devise "sowohl als auch" zu handeln als nach dem Motto "entweder-oder". Man kann (und soll) auf den Seychellen durchaus viel tauchen, aber was wäre ein Seychellenaufenthalt, ohne dass man die einzigartigen Riesenschildkröten aus Curieuse gesehen hätte? Oder die Vogelinsel Cousin mit hunderttausenden Vögeln – so wie man es wohl noch nie im Leben erlebt hat?

Was wäre eine Seychellenreise ohne einen Besuch im Nationalpark und Welt-Kulturerbe der UNESCO Vallée de Mai auf Praslin mit der einzigartigen Palme Coco de Mer? Und so könnten wir noch lange fortfahren. Die Seychellen sind einfach zu einzigartig, um sich ausschließlich der Unterwasserwelt zu widmen. Mindestens so sündhaft wäre es aber sie zu vernachlässigen...

Korallen und Granit: Die Welt unter Wasser


Die 43 Inneren Inseln sind der Rest einer uralten, versunkenen Landmasse. Hier findet man die typische Fauna des Indopazifiks, so wie man sie vom Roten Meer oder den Malediven her kennt. Meist wird in der Umgebung von Mahé, Praslin, La Digue und Marianne getaucht. Taucher, finden hier eine große Zahl lohnenswerter Tauchplätze.

Die Gewässer der Seychellen sind vom Massentourismus verschont geblieben und nicht etwa mit dem Roten Meer zu vergleichen. Es ist daher selten, dass man auf eine andere Tauchergruppe trifft. Die Unterwasserlandschaft der Inneren Inseln besteht wie bereits beschrieben aus Granit, der über die Jahrmillionen über und unter Wasser zu wunderschönen Formen erodiert ist. Ausgedehnte Korallenriffe sind hier kaum zu finden, dafür spannende Landschaften aus oft riesigen Granitblöcken, die teilweise mit Korallen und anderen Aufwuchsorganismen bewachsen sind. Die Tauchtiefen reichen in Inselnähe normalerweise von 8 bis 20 oder maximal 25 Metern und bei offshore-Tauchgängen bis zu 40 Meter. Ein solcher offshore-Tauchplatz ist Shark Bank, grob geschätzt in der Mitte zwischen Mahé und Silhouette. Bei guten Bedingungen, etwa in der ruhigen Zwischenmonsunzeit im April, kann die Sicht unfassbare 50 Meter betragen – absolut glasklar!

Nur einige Tage später, etwa ab Mitte Mai, kann das Wasser dann plötzlich so trüb werden, dass man in der Strömung an der Ankerkette hängend nur noch die eigene Nase erkennt. Die Sicht kann dann bei weniger als einem Meter liegen. Nur die Schatten von riesigen Fischen, Rochen und Meeresungeheuern, die die eigene Phantasie zeichnet, huschen ständig vor einem vorbei. Shark Bank ist ein einzigartiger Tauchplatz, den man bei passenden Bedingungen auf keinen Fall auslassen sollte. Hier kann man praktisch alles antreffen, was im Indischen Ozean lebt, außer großen Walen.

Die Äußeren Inseln sind etwas schwieriger – und vor allem auch teurer – zu erreichen. Sie bieten erfahrenen Tauchern ganz besondere Erlebnisse. Hier fällt der Meeresgrund im Gegensatz zu den Inneren Inseln oft steil auf 2000 Meter Tiefe und mehr ab. Dadurch hat man ein wesentlich "ozeanischeres" Erlebnis mit Strömungen und an vielen Stellen auch Begegnungen mit den richtig großen Meeresbewohnern.

Die Seychellen können das ganze Jahr über betaucht werden. Optimal sind die Verhältnisse von September bis Mitte Dezember und von März bis Mitte Mai. Die Sicht beträgt dann oft mehr als 30 Meter. Im Dezember und Januar bläst der Nordwestwind, aber die Bedingungen sind nach wie vor gut. Stärkerer Wellengang und örtlich begrenzte Sichtverhältnisse müssen in Kauf genommen werden. Von Mai bis September herrschen stärkere Südostwinde vor – der Monsun lässt grüßen. Die Sichtverhältnisse sind dann oft nicht optimal, doch gute Basisleiter finden mit ihrer langjährigen Erfahrung selbst während dieser Zeit gute Tauchplätze. Das Wasser ist dann mit ca. 25° C am kühlsten, wahrlich ein relativer Begriff.

Die Äußeren Inseln – das sind Aldabra, Cosmoledo, Astove, Amiranten und einige weitere Inseln – im Süden des Archipels bestehen aus korallinem Sand oder Korallenkalk-Plattformen und sind meist unbewohnt. Sie bieten dem Taucher großartige Erlebnisse an unberührten Tauchplätzen. Hier kommen nur wenige Menschen, geschweige denn Stickstoffjünger vorbei! Das Tauchen ist hier von besonderem Artenreichtum gekennzeichnet und bietet von Wall Diving und Canyons bis zu Wracktauchen und Drifttauchen so ziemlich alles. Das Sahnehäubchen sind Mantas, größere Haie und einige der schönsten Gorgonien des Indischen Ozeans.

Die Korallenbleiche: Ein Unterwasserparadies mit Schrammen


Leider wurde das Unterwasserparadies der Seychellen – ähnlich wie jenes der Malediven – nicht vom globalen Umweltdesaster des "coral bleaching" verschont. Nur wenige Tauchplätze wie die Oscar Reef und Alice in Wonderland auf Mahé haben das El-Nino-Phänomen unbeschadet überstanden.

Die Korallenbleiche und ihre Folgen einem künftigen oder noch unerfahrenen Seychellenreisenden ganz zu verschweigen wäre unseriös. Viele klassische Ausflugsziele für Schnorchler (oder auch Taucher) wie etwa St. Pierre, Cocos oder die "Schwestern" (Sisters) bieten am Meeresgrund stellenweise auch zehn Jahre "danach" noch den trostlosen Anblick eines Korallefriedhofs.

Doch das Leben kehrt zurück und erobert wieder seine angestammten Habitate. Eine kaum überschaubare Vielfalt an Korallenfischen – alle von verschwenderischer Schönheit – schwimmen nach wie vor zwischen skurrilen Granitformationen und dort, wo es genügend frisches Meerwasser und Strömungen gibt, auch zwischen gesunden, jungen Korallenstöcken. Viele neue Korallen zeugen von der Regenerationskraft des Meeres.


Krustenanemonen an der Küstenlinie von Mahé.

Es ist sinnvoller die Lage aus diesem Blickwinkel zu betrachten als endlos über den Untergang von Riffen zu jammern. Es ist ein Vorrecht und ein wunderbares Erlebnis zu sehen, wie sich das Leben im Meer regeneriert. Ereignisse wie vor bald zehn Jahren hat es in der Erdgeschichte unzählige Male gegeben – und noch wesentlich dramatischere. Man darf nicht vergessen, dass es vor etwa 12.000 Jahren sämtliche heutigen Riffe der Welt gar nicht gegeben hat.

Walhaie und vieles mehr


Der Platz reicht nicht annähernd aus um über alle Wunder der Seychellen über und unter Wasser zu erzählen. Etwa darüber, dass die Seychellen zu einem Top-Platz der Welt in Sachen Walhaibeobachtungen zählen. Gegen Mitte August treffen die "Riesen" in der Region ein und bleiben bis etwa Mitte November, vereinzelt auch länger.



Aber irgendwann – wie bei allen anderen guten Walhaispots der Welt – verschwinden sie wieder in den Weiten der Ozeane. Walhaie sind auf den Seychellen geschützt und werden traditionell nicht gefischt – eine gute Nachricht für Naturfreunde.

Die Schatten des Finning auch im Paradies


Einst – und noch vor einigen Jahren – waren rund um die granitischen Seychellen viele große Haie zu finden. Wenn man mit älteren, erfahrenen Fischern spricht, erinnern sie sich gern an die ruhmreichen Tage der großen Fänge: Tiger- und Hammerhaie mit mehr als fünf Metern Länge waren bei North Island keine Seltenheit. Doch die Haie werden immer seltener. Auf dem Fischmarkt von Victoria sieht man oft Haie – in der Regel bereits ohne Flossen (siehe DiveInside Bericht zum Thema Finning). Genauso wie im Fall von Galápagos, sind auch die Seychellen nicht vor der verheerenden Ausbreitung des "Finning" verschont geblieben. Was besonders betroffen macht ist, dass sich in den internationalen Gewässern rund um die Seychellen – aber selbst in den nationalen – auch Schiffe von EU-Staaten tummeln, Italiener, Spanier, Franzosen... Die örtlichen Fischer wissen genau, was sich auf den großen Schiffen abspielt. Ob groß oder klein, alle erliegen der illegalen Verlockung des Geldes aus Südostasien und beteiligen sich am Abschlachten der Haie. So tragen sie alle zur Ausrottung der Haibestände bei, einschließlich wir Europäer.

Die drei "Hauptinseln"


Die größte Insel der Seychellen und diejenige, auf der die meisten Reisenden ankommen, ist Mahé. Neben der Hauptstadt Victoria bietet Mahé viele wunderschöne Strände, abenteuerliche Wanderungen in den Bergwäldern und vielleicht das beste Essen außerhalb von Luxusrestaurants. Mahé ist Heimat von ca. 50.000 Seychellois, etwa 27.000 davon leben direkt in der Hauptstadt.

Nur 5.000 Menschen dieses kleinen Völkchens leben auf Praslin. Es ist die Insel mit dem berühmten "Vallée de Mai" UNESCO-Weltnaturerbe und letztes natürliches Vorkommen von etwa 4000 endemischen Coco-de-Mer Palmen, dem schwarzen Seychellenpapagei und so manchen anderen bedrohten Arten. Praslin ist daher ein Muss für jeden Seychellenbesucher! Die Insel bietet außerdem einige sehr schöne Strände wie Anse Volbert, Grande Anse oder Anse Lazio und ausgezeichnete Restaurants und Hotels bzw. Gästehäuser.


Der Autor


Robert Hofrichter ist Zoologe und Meeresbiologe und ein guter Kenner der Natur der Seychellen. Im Jahr 1999 hat er einen Naturführer über die Seychellen veröffentlicht. Seit vielen Jahren führt er regelmäßig Tauch- und Naturreisen in dieses Inselparadies.
La Digue ist vielleicht die romantischste und schönste der Hauptinseln, lediglich fünf Kilometer lang und drei Kilometer breit. Am meisten schätzen die Besucher dieses Eilands ihre himmlische Ruhe und die herrlichen Strände, die zum Besten gehören, was die Seychellen zu bieten haben. Wo sonst kann man einen Strand mit herrlichen Kokospalmen und fischreichem Korallenriff zum Schnorcheln finden, an dem man ganz alleine den Tag verbringen kann?

Auf keinen Fall soll man den atemberaubenden und unvergesslichen Anblick der Anse Source d’Argent am Abend missen. Wenn man etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang ankommt, sind (zum Glück) viele Touristen schon weg, gerade wenn das Licht diese bezaubernde Szenerie in ein magisches Licht zu tauchen beginnt. Gewaltige Granitfelsen am Rande kleiner Buchten, dazwischen weißer, warmer und feiner Korallensand im Schatten der Kokospalmen – das war die ideale Kulisse für so manche romantisch-sinnliche Filme und zahlreiche Werbespots.



Video zum Thema:



Das Video zeigt die wunderbare Unterwasserwelt vor La Digue. Weitere Videos zum Thema in unserer Videothek (Seychellen).