Kindertauchen. Wie steht die Tauchmedizin dazu?

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08.12.2009 12:16
Kategorie: Medizin


Bei tauchsportbegeisterten Eltern kann häufiger die Beobachtung gemacht werden, dass sich eine gewisse Genugtuung auf Seiten der Eltern einstellt, wenn das dritte Wort im Sprachschatz des Sprösslings nach "Mama" und "Papa" das Wort "Taucher" ist.

So gibt es denn bald Tauchermaske und Entenfüße für die Badewanne und eine innere, ungeduldige Elternstimme fragt: "Wann ist es denn nun endlich so weit? Wann kann dieses für diesen Sport so begabte Kind endlich mit zum richtigen Tauchen?"


Bericht von Dr. med. Claus-Martin Muth, Bernd Winkler und Dr. med. Christian Beyer

Leider tut sich die Tauchmedizin mit einer verbindlichen Antwort auf diese Frage schwer, denn es gibt kaum Daten zum Kindertauchen. Sicher ist, dass eine starre und verbindliche Altersgrenze nicht festgelegt werden kann. Im Gegenteil: Mehr noch als beim erwachsenen Taucher spielen individuelle Unterschiede bei der Beurteilung auf die Tauchtauglichkeit eine Rolle. Und selbst wenn die Tauchtauglichkeit grundsätzlich gegeben ist, bedeutet Tauchen mit Kindern immer etwas anderes als `normales Tauchen', es gilt viele Dinge zu beachten.

Zur Tauchtauglichkeit: hier ist festzuhalten, dass es für Kinder bisher keinerlei genormte Richtlinien und Empfehlungen gibt. Meistens wird lediglich darauf hingewiesen, dass das Kind tauchtauglich sein soll, ohne dies zu spezifizieren. Also einfach die Untersuchung nach bewährtem GTÜM-Schema? Die wird den besonderen Anforderungen beim Kind leider nicht gerecht. So kann schon die Durchführung eines Belastungs-EKG's unmöglich sein, weil der kleine Tauchaspirant selbst bei niedrigster Einstellung nicht richtig an die Pedale kommt, oder ihm einfach noch die nötige Kraft fehlt (Bei einem ansonsten gesunden Kind wird wohl niemand eine Herz-Kreislaufschwäche annehmen wollen, wenn es auf dem Fahrradergometer nicht so recht klappt). Wünschenswert wäre die Untersuchung durch einen in der Tauchmedizin sehr erfahrenen Arzt, möglichst in Kooperation mit dem Kinderarzt, Hals-, Nasen-, Ohrenarzt und auch in Absprache mit dem Ausbilder. Dies ist in der Praxis jedoch oft nicht realisierbar. Grundsätzlich scheint eine Untersuchung durch einen Kinderarzt sinnvoll, da dieser in der Regel sehr gut mit den spezifischen Erkrankungsbildern bei Kindern vertraut ist.

Die allermeisten Kinderärzte verfügen jedoch im Regelfall nicht über das nötige tauchspezifische Fachwissen. Daher sollten sie sich an die Empfehlungen der Tauchmedizinischen Gesellschaften halten. Denkbar ist auch eine Untersuchung des Kindes durch einen im Umgang mit Kindern erfahrenen Tauchmediziner, sofern er über die nötige technische Ausstattung und das nötige Fachwissen für die Untersuchung von Kindern verfügt.

Was verdient bei dieser Untersuchung besondere Beachtung?

Zum einen sind dies die körperliche Reife und die motorischen Fähigkeiten. Dass heißt, das Kind muss sicher über und unter der Wasseroberfläche schwimmen können und sich im und unter Wasser wohl fühlen. Kinder sollten die Leistungen des deutschen Jugendschwimmabzeichens in Silber erfüllen und 200 Meter ohne jegliche Pause in weniger als zehn Minuten schwimmen können. Hat es z.B. bereits beim Tauchen im Schwimmbad ohne Hilfsmittel Schwierigkeiten die Augen unter Wasser zu öffnen, so ist es mit Sicherheit für das Gerätetauchen zu früh. Hier sollte dann zunächst eine Gewöhnung an das Wasser und eine Verbesserung der Schwimmfertigkeiten erfolgen.

Zum anderen verdient auch die psychische Entwicklung des Kindes ein Höchstmaß an Beachtung. Das Kind muss dabei in der Lage sein, sich über längere Zeit zu konzentrieren. Auch muss es den Stoff der Tauchtheorie (kindgerecht dargeboten!) begreifen können. Und schließlich muss es den Anweisungen des Ausbilders gewissenhaft und zuverlässig folgen.

Der Kopf und Halsbereich

Der kindliche Organismus hat sich mit einer Vielzahl von Krankheitserregern auseinanderzusetzen, um so sein Immunsystem zu schulen. Die sichtbare Folge davon sind häufige Erkältungskrankheiten. Dabei reagiert auch das sogenannte lymphatische Gewebe im Hals- und Rachenraum, das zum Abwehrsystem des Körpers gehört. Daher findet man regelhaft bei Kindern geschwollene Rachenmandeln, umgangssprachlich auch "Polypen" genannt. Diese Polypen liegen im Übergangsbereich von Nasenhöhle zum Rachen, und zwar in unmittelbarer Nähe zu den Einmündungen der Verbindungsgänge zum Mittelohr (Eustachische Röhre / Tuba Eustachii).

Die Schwellung dieser Strukturen führt daher zu Belüftungsstörungen im Bereich der Mittelohren, was auch bei sonst gesunden Kindern häufig beobachtet wird.

Diese Belüftungsstörungen behindern natürlich auch den für das Tauchen so wichtigen Druckausgleich, so dass Barotraumen des Mittelohres bei Kindern wahrscheinlicher sind (siehe auch Bericht "Das (Taucher)Ohr"). Dass diese HNO-ärztlichen Bedenken nicht nur theoretischer Natur sind, zeigt eine große Studie bei tauchenden Kindern in Belgien. Hier konnten immer wieder Trommelfellrisse beobachtet werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Verlauf der Eustachischen Röhre im Kindesalter ein etwas anderer ist, als beim Jugendlichen oder Erwachsenen. Dieser Verbindungsgang erreicht erst im Laufe des Wachstums und der Entwicklung seine endgültige Lage. Während (nämlich) bei älteren Kindern und bei Erwachsenen die Ohrtrompete in einem schrägen Winkel vom Nasen-Rachenraum zum Mittelohr zieht, liegt sie bei kleinen Kindern fast waagerecht. Dadurch sind aber jene Muskeln, die normalerweise die Öffnung der Tube begünstigen und die Tubenbelüftung bewirken, nahezu wirkungslos. Entsprechend beobachtet man bei gut 60 Prozent aller gesunden Kinder bis 12 Jahre eine eingeschränkte Tubenfunktion.

Durch die bereits angesprochenen häufigen Infekte sind bei Kindern nicht selten auch die Gaumenmandeln (Tonsillen) relativ groß, selbst dann, wenn gerade keine akute Entzündung besteht. Mitunter können diese ebenfalls lymphatischen Strukturen sogar eine solche Größe erreichen, dass nicht nur das Schlucken, sondern auch das Atmen behindert sein kann. Wird also bei Kindern eine Tauchausbildung (und sei es auch nur im Hallenbad) angestrebt, so muss sichergestellt sein, dass der Druckausgleich problemlos funktioniert. Die HNO-ärztliche Beurteilung ist daher unumgänglich, wobei auch und gerade die hier aufgeführten Problemzonen abgeklärt werden müssen.
Auch bei Kindern, die grundsätzlich tauchtauglich sind, besteht während einer Erkältung oder der Heuschnupfenperiode (bei entsprechender Disposition) keine Tauchtauglichkeit, da hier durch die angeschwollenen Schleimhäute der Druckausgleich oft erschwert und das Risiko eines Barotraumas des Mittelohres erhöht ist.

Atemwege und Lunge

Bei der Geburt ist die Lunge selbstverständlich schon funktionstüchtig, unterscheidet sich jedoch gravierend von der des älteren Kindes und des Erwachsenen. Es mag erstaunlich klingen, aber die Lunge des Säuglings ist relativ unelastisch und wenig dehnbar. Auch sind noch vergleichsweise wenige Alveolen (Lungenbläschen) angelegt.

In den ersten sechs bis sieben Lebensjahren werden beständig neue Alveolarsäckchen angelegt. Erst mit cirka acht Lebensjahren ist die Lungenentwicklung soweit abgeschlossen, dass die Ausübung des Tauchsports grundsätzlich vertretbar erscheint. Auch der Durchmesser der Atemwege ist klein. In Relation zum Körpergewicht gesetzt, ist der Unterschied im Vergleich zum Erwachsenen gar nicht so groß, absolut gesehen sind die Atemwege jedoch eng. Das allein trägt dazu bei, die Atemarbeit weiter zu erhöhen. Die weiter oben bereits mehrfach angesprochenen gehäuften Infekte betreffen jedoch auch die oberen Atemwege, was mit vermehrter Sekretproduktion einhergehen kann.

Es ist nun leicht einsehbar, dass schon geringe Sekretmengen ausreichen können, ein kleines, dünnes Rohr komplett oder partiell zu verlegen, wenn die gleiche Menge Sekret bei einem dickeren Rohr noch folgenlos bliebe. Dieser Umstand verdient gewissenhafte Beachtung, denn dadurch ist die Gefahr der Ausbildung von “Airtrapping Mechanismen“, also solchen Mechanismen, die das Abströmen des Atemgases aus der Lunge oder aus Teilen der Lunge be- oder gar verhindern, erhöht. Bei nicht wenigen Kindern kommt es zudem zur Ausbildung von allergischen Episoden, bei denen auch die Atemwege betroffen sein können. Diese reagieren dann auf Reizung (z.B. kalte Luft) mit einer Engstellung. Diese angesprochenen allergischen Reaktionen auch der Atemwege müssen daher ausgeschlossen sein und es darf keinerlei Beeinträchtigung der Lungenfunktion vorliegen.

Doch damit nicht genug: Bei der kindlichen Lunge haben die Bronchiolen die Neigung, sich am Ende der Ausatmung zu verschließen (der Unterduck im Brustkorb während der Einatmung weitet die Bronchiolen, der Überdruck während der Ausatmung engt sie ein). Prinzipiell ist das bei maximaler Ausatmung auch beim Erwachsenen der Fall, die Luftmenge in der Lunge, bei der dieser Effekt auftritt, ist aber in der kindlichen Lunge relativ größer, das Kind hat ein höheres "closing volume". Auch dieser Effekt kann zum Airtrapping werden, so dass insgesamt die Gefahr der Lungenüberblähung beim gesunden Kind größer ist, als beim gesunden Erwachsenen.

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Tatsache, dass in zwei aktuellen Studien eine Verengung der kindlichen Bronchien in Folge des Tauchens gezeigt werden konnte. Entsprechende Veränderungen der Atemwege durch das Tauchen sind bei Erwachsenen nicht bekannt. Diese bei gesunden Kindern bereits auftretende Verengung in Verbindung mit Asthma oder einem Infekt könnte zu einem erheblich gesteigerten Air-Trapping-Risiko führen. Schließlich reagiert das kindliche Bronchialsystem auf Wärmeverluste über die Atemluft sehr viel empfindlicher und sehr viel früher als beim Erwachsenen mit einer Bronchokonstriktion, also einer bronchialen Engstellung, ähnlich wie beim Asthmaanfall.

Es ist darauf zu achten, dass durch den Lungenautomaten die Atemarbeit nicht noch weiter erhöht wird. Ferner erhöht sich die Atemarbeit mit der Tauchtiefe durch die Dichtezunahme der Atemgase. Schon aus diesem Grund sollten beim Tauchen mit Kindern Tauchtiefen jenseits der 10 bis 12 Meter Marke tabu sein. Und schließlich ist besonders bedächtig und langsam aufzutauchen, um dem Gas in der Lunge auch die Möglichkeit zu geben, adäquat zu entweichen. Ein gewisses Restrisiko verbleibt jedoch immer.

Es muss nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass Kinder mit Asthma grundsätzlich nicht tauchtauglich sind, auch wenn die Erkrankung kontrolliert ist. Bei einer Erkältung darf nur bis ca. 14 Tage nach Abklingen der Symptome nicht getaucht werden. Anschließend steht der Wiederaufnahme des Tauchsports in der Regel nichts entgegen.

Die Untersuchung von Tauchunfällen auf Hawaii zeigt, dass die Bedenken im Bezug auf ein mögliches Air-Trapping nicht unbegründet sind. Unter anderem wurden Verunfallte mit arterieller Gasembolie in der Druckkammer behandelt. Eine arterielle Gasembolie ist ein durch Gasblasen in den Blutgefäßen hervorgerufener Schlaganfall, der Folge eines Barotraumas der Lunge ist. 50 Prozent der Kinder, die eine arterielle Gasembolie erlitten hatten, litten auch an Asthma. Daher ist es gut nachvollziehbar, weshalb hier prinzipiell keine Tauchtauglichkeit ausgesprochen werden kann.

Das Herz-Kreislaufsystem

Hier ist vor allem der Umstand erwähnenswert, dass bei Kindern in einem noch höheren Prozentsatz mit einem funktionell offenen Foramen ovale (PFO) gerechnet werden muss, als bei Erwachsenen. Während bei Erwachsenen eine Häufigkeit von ca. 30 Prozent liegt, ist der Anteil der betroffenen Kinder, abhängig vom Alter, bei 30-40 Prozent. Solche nur funktionell offenen Foramina ovalia sind in der Tauchmedizin deshalb von Interesse, weil sie dazu führen können, dass Gasbläschen auf die linke Herzseite übertreten und von hier aus zu einem Verschluss einer Endarterie (z.B. im Gehirn) führen können (siehe auch Bericht/Fallstudie: Was ist ein PFO). Es gibt Hinweise, dass der Übertritt von Mikrobläschen strukturelle Veränderungen am Gehirn auslösen kann. Auch aus diesem Grund empfiehlt sich daher die strenge Limitierung der maximalen Tauchtiefe und Tauchgangsdauer bei Kindern. Und eine permanente Öffnung auf der Ebene der Herzvorhöfe (Vorhofseptumdefekt) muss natürlich ausgeschlossen sein.

Das Skelettsystem

Bei Kindern und Jugendlichen in der frühen Pubertät ist das Größenwachstum noch nicht abgeschlossen. Das bedeutet, dass die sogenannten Wachstumsfugen der Knochen noch nicht geschlossenen sind. Als besonders beachtenswert gelten vor allem die langen Röhrenknochen der unteren und oberen Extremität. Diese Röhrenknochen von Kindern und Jugendlichen, deren Wachstum noch nicht endgültig abgeschlossen ist, weisen jeweils an ihren Enden sehr empfindliche, stoffwechselaktive Zonen auf, in denen das Längenwachstum stattfindet. Die bei tieferen Tauchgängen fast regelhaft auftretenden Mikrobläschen können in diesen Bereichen theoretisch zu bleibenden Störungen führen, was zu Wachstumsverzögerungen oder einem vorzeitigen Ende des Längenwachstums der betroffenen Knochen führen kann.

Obwohl dies zunächst nur eine theoretische Gefahr darstellt und nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen ist, gilt die dringende Empfehlung, mit Kindern keine dekompressions-pflichtigen Tauchgänge durchzuführen. Doch weil die moderne Tauchmedizin weiß, dass bei Tauchtiefen über 20 Meter fast bei jedem Tauchgang (auch solchen, die sicher in der Nullzeit liegen) Mikrobläschen im Blut nachweisbar sind, sollte mit Kindern eine Tauchtiefe von 10 bis maximal 12 Meter nicht überschritten werden.

Eine weitere Besonderheit bei Kindern ist die noch nicht ausreichende muskuläre Verspannung der Wirbelsäule. Bei Kindern und Jugendlichen kommt es nämlich immer wieder durch Wachstumsschübe zu muskulären Dysbalancen (Muskelungleichgewicht) im Bereich der Rumpfmuskulatur. Eine zu große Belastung in diesem Bereich kann daher zu Schäden an der Wirbelsäule führen. Eine solche Belastung stellt zum Beispiel ein nicht angepasstes, zu großes und zu schweres Tauchgerät dar. Daher die Empfehlung: kleiner Taucher kleines Tauchgerät!

Ein weiterer Faktor ist ein schwerer Bleigürtel, der beim Tauchen ins Hohlkreuz zwingt. Hier muss kritisch geprüft werden, wie viel Blei tatsächlich gebraucht wird, um es entsprechend zu reduzieren. Doch nicht nur eine Gewichtsreduktion ist sinnvoll sondern auch die Verteilung. Eine starke Belastung des unteren Rückens ist zu vermeiden.

Das Tauchgerät des Kindes sollte wann immer möglich nur von einem Erwachsenen getragen werden, auch wenn bewusst leichtes und kindergerechtes Material gewählt wurde. Auch beim Anlegen der Ausrüstung ist die Hilfe durch den Tauchlehrer oder Buddy unbedingt nötig, um das Risiko einer Überlastung gering zu halten. Wenn es die Situation zulässt, kann es unter Umständen auch sinnvoll sein, das Gerät erst im Wasser anzulegen.

Die Temperaturregulation

Kinder und Jugendliche haben ein im Hinblick auf die Wärmeabgabe ungünstiges Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpervolumen. Um diesen Effekt richtig zu verstehen, ist ein Ausflug in die Physik vonnöten: Die Wärmeabgabe erfolgt überwiegend durch die Körperoberfläche, die Wärmeproduktion und der Wärmeerhalt aber im Körpervolumen. Ist die Oberfläche nun im Verhältnis zum Körpervolumen groß, wird mehr Wärme abgegeben, als produziert wird. Die Körperoberfläche beim Erwachsenen ist zwar absolut betrachtet größer, das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen aber relativ vermindert. Anders ausgedrückt: Kinder haben eine im Verhältnis zur Körpermasse fast 1,5fach größere Körperoberfläche als Erwachsene.

Zudem haben Kinder in der Regel eine dünnere Fettschicht unter der Haut, und somit eine schlechtere natürliche Isolation. Hieraus resultiert, dass Kinder sehr viel schneller auskühlen als Erwachsene. Und das wirkt sich nicht nur negativ auf die Motivation des kleinen Tauchanfängers aus, sondern birgt echte Sicherheitsrisiken, denn motorische und psychische Fähigkeiten (die Konzentrationsfähigkeit ist zum Beispiel herabgesetzt) lassen im frierenden Kind nach. Ein gut passender Tauchanzug und vergleichsweise kurze Tauchgänge von maximal ca. 30 Minuten Dauer sind daher zwingend erforderlich. Hierbei sind natürlich immer das Alter des Kindes und die jeweilige Wasser- und Lufttemperatur zu beachten.

Die Stickstoff-Kinetik

Über die Aufnahme und Abgabe des beim Tauchen vermehrt aufgenommenen Stickstoffs im kindlichen Körper ist wenig bekannt. Im ersten Augenschein ist hier ein spezifisches Problem unwahrscheinlich, denn bei Kindern sind die Gewebe vergleichsweise gut durchblutet und der Anteil Körperfett vergleichsweise niedrig.

Aus dekompressionsphysiologischer Sicht bestehen also vergleichsweise günstige Bedingungen. Dem ist jedoch gegenüber zu stellen, dass Kinder, wie erwähnt, relativ rasch auskühlen, was zu einer sehr ausgeprägten Engstellung der Gefäße in der Peripherie führt. Bei entsprechender Stickstoffbeladung der betroffenen Gewebsareale ist eine kritische Übersättigung nicht auszuschließen. Zwischenzeitlich sind auch schon etliche Fälle einer Dekompressionskrankheit bei Kindern in der Literatur beschrieben.

Durch das bereits erwähnte Phänomen des Kollapses der kleinen Atemwege am Ende einer normalen Ausatmung bilden sich bei Kindern atelektatische (nicht mehr belüftete) Lungenbezirke aus, Regionen also, in denen der Gasaustausch behindert ist. In der Folge kommt es in diesen Bezirken zu Rechts/Links-Shunts, d.h. Blutströmungen, bei denen venöses Blut auf die arterielle Seite übertritt. Unter normalen Verhältnissen und beim gesunden Kind ist dieser Vorgang physiologisch (normal) und kein besonderes Risiko. Beim Tauchen wird durch solche Rechts/Links-Shunts der aus den Geweben freigesetzte und zur Lunge transportierte Stickstoff aber verzögert abgeatmet. Viel schlimmer noch ist, dass es auch hier zum Übertritt von Gasblasen, im schlimmsten Fall auch zum Schlaganfall kommen kann (sogenannte paradoxe Embolie).

Schließlich wird für Kinder beschrieben, dass es beim Einstrom des venösen Blutes aus den Hohlvenen ins Herz regelhaft zu turbulenten Strömungsverhältnissen kommt, was einer Blasenbildung bei entsprechender Stickstoffbeladung förderlich wäre.

Insgesamt unterstreichen diese theoretischen Überlegungen die Forderung, streng darauf zu achten, dass Kinder im flachen Bereich tauchen und keinesfalls in die Dekopflicht kommen.

Die Psyche

Wie bereits im Einleitungstext erwähnt, unterscheidet sich das biologische Altern von Kindern mitunter nicht unerheblich vom chronologischen, also tatsächlichen Alter. Daher muss der jeweilige Entwicklungsstand des Kindes unbedingt bei der Beurteilung der Tauchtauglichkeit mit bedacht werden. Wichtig ist auch, dass Kindern in unvorhersehbaren Situationen, z.B. also bei Zwischenfällen während des Tauchganges, im Vergleich zu Erwachsenen häufig nicht kontrolliert und gezielt reagieren, sondern eine Panikreaktion mit zum Teil fatalem Ausgang zeigen können.

Von entscheidender Bedeutung beim Tauchen sind sowohl Konzentrationsfähigkeit, wie auch Impulskontrolle. Beides kann beim sogenannten Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) eingeschränkt sein.

Grundsätzlich ist meist bei Kindern mit genanntem Störungsbild die Aufmerksamkeitsspanne reduziert, d.h. das Kind kann nicht sehr lange konzentriert bei der Sache bleiben, was beim Tauchen zu erheblichen Problemen führen kann. Außerdem kann eine mangelnde Impulskontrolle fatale Auswirkungen haben. Derzeit gilt eine Kombination aus medikamentöser Therapie und Psychotherapie als Goldstandard in der Behandlung des ADHS. Zum Einsatz kommt vor allem ein Medikament namens Methylphenidat, auch unter dem Handelsnamen "Ritalin" bekannt. Da dieses Medikament und alle anderen zur Therapie eingesetzten Medikamente im zentralen Nervensystem wirken, ist eine Tauchtauglichkeit nicht gegeben. Aber auch ohne medikamentöse Therapie lässt die Erkrankung die Ausübung des Tauchsports grundsätzlich nicht zu.

Medikamente

Medikamente werden beim Kindertauchen sehr kritisch betrachtet. Insbesondere bei der Einnahme von Medikamenten, die auf das zentrale Nervensystem wirken ist eine Tauchtauglichkeit nicht gegeben. Hierzu zählen neben Stimulantien wie dem o.g. Ritalin auch Antihistaminika (eine Gruppe der Anti-Allergie-Medikamente) und Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen. Auch bei der Einnahme vieler anderer Medikamente ist die Tauchtauglichkeit kritisch. Hier muss im Einzelfall immer eine Absprache mit einem Tauchmediziner erfolgen.

Tauchpraxis

Viel zu häufig werden Kinder von Ihren Tauchpartnern, Tauchlehrern und Eltern wie Erwachsene behandelt. Dabei ergeben sich doch – wie oben bereits ausführlich dargestellt – beim Tauchen mit Kindern zahlreiche Besonderheiten. Die Missachtung der kindlichen Besonderheiten führt mitunter zu extremen Tauchprofilen und auch zu tödlichen Unfällen.

Teilweise kann man den entsprechenden Beteiligten aber nur begrenzt einen Vorwurf machen. Das spezifische Wissen über die Besonderheiten des Tauchens mit Kindern ist nicht weit verbreitet. Auch ist oftmals die Ausbildung der Tauchlehrer nicht auf Kinder als Zielgruppe ausgerichtet und auch Buddies steht bislang kein ausreichendes Ausbildungskonzept zur Verfügung, mit dessen Hilfe sie sich das nötige Wissen und die nötigen Fähigkeiten und Fertigkeiten für das Tauchen mit Kindern aneignen können.

Aus diesem Grund fordern einige Tauchmediziner aus Deutschland und auch aus der Schweiz die Erarbeitung eines entsprechenden Konzeptes mit dessen Hilfe Tauchlehrer, Buddies, aber auch Eltern geschult werden können. Derzeit werden entsprechende Ausbildungsmaterialien in enger Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsgruppe Kindertauchen der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin und der Deutschen Sporthochschule Köln erarbeitet.

Von großer Bedeutung ist die Beachtung der Limits in puncto Tauchgangstiefe- und Dauer. Details können der Tabelle im Abschnitt "Zusammenfassung" entnommen werden.

Sonstiges

Zu bedenken ist auch eine mögliche Überlastung der Fußgelenke durch das Schwimmen mit Flossen. Allerdings ist im Bereich des normalen Gerätetauchens und des üblichen Hallenbadtrainings mit einer Überbelastung nicht zu rechnen. Dennoch sollten Flossen für Kinder ein eher weiches Blatt haben. Ebenso kommt es bei normalem Tauchen zu keiner körperlichen Überforderung von Kindern, wenn diese sowohl sportgesund als auch tauchtauglich sind. Es sollten jedoch erlebnisorientierte, kurze Tauchgänge im flachen Bereich durchgeführt werden. Keinesfalls für Kinder geeignet sind Tauchgänge mit besonderen Erschwernissen, wie Strömungs-, Höhlen-, Nacht- und Wracktauchgänge. Solche Tauchgänge sollten beim Tauchen mit Kindern unbedingt unterbleiben.

Zusammenfassung

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen und Eltern dürfen auf keinen Fall ihr Kind, wenn es denn ausgebildet ist, als ganz normalen Tauchbuddy betrachten und entsprechende Tauchgänge durchführen. Im Gegenteil! Ein kindgerechtes und entsprechend angepasstes Tauchverhalten ist dringend zu fordern. Dazu zählt, die Tauchtiefe und auch die Tauchzeit streng zu limitieren. Die Ausrüstung muss kindgerecht sein und gut passen, ebenso wie die Stimmung des Kindes. Hat ein Kind keine Lust, sollte es nie zum Tauchen gezwungen werden. Aus Gründen der bestmöglichen Betreuung sollte ein Ausbilder oder Erwachsener mit nie mehr als einem Kind ins Freiwasser gehen. Von erwachsenen Begleitern, insbesondere Eltern, ist eine ausreichende Taucherfahrung zu fordern!



Für die Tauchganstiefe und -dauer gibt es von Seiten der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin diese Empfehlungen.


Vor Beginn der Tauchausbildung ist die ausführliche ärztliche Untersuchung erforderlich. Die Beurteilung der Tauchtauglichkeit sollte durch einen erfahrenen Kinderarzt mit tauchmedizinischem Hintergrundwissen oder zumindest gemäß der "Checkliste Tauchtauglichkeit" durch den Kinderarzt erfolgen. Im Einzelfall kann eine enge Zusammenarbeit z.B. zwischen Kinderarzt, Tauchmediziner und HNO-Arzt notwendig sein. Kinder die aufgrund der vergleichsweise strengen Vorschriften nicht tauchtauglich sind können mit 16 Jahren neu beurteilt werden. Mitunter kann dann mit 16 Jahren der Tauchsport aufgenommen werden (beachte Empfehlungen der GTÜM zu Tauchgangstiefe und -dauer).

Der gesamte Bericht ist auch als pdf-Datei verfügbar: Kindertauchen aus Sicht der Tauchmedizin - und steht zum freien Abruf bereit.