Hammer & Fuchs. Tauchen am Daedalus-Riff

Teile:
13.08.2012 11:54
Kategorie: Reise


Kein Riff in Ägypten liegt dem Festland ferner. Nirgends sind die Chancen größer, Bogenstirn-Hammerhaie zu sichten. Die Zeiten, in denen das Daedalus-Riff im Schatten der Brother Islands stand, sind schon lange vorbei – die Zeiten, in denen man das Riff nur selten mit anderen Safaribooten teilen musste, aber auch.

Bericht von Linus Geschke

Zwei Beschreibungen treffen auf Daedalus zu: Für die einen ist es das Riff der unbegrenzten Möglichkeiten, weil alles, was im Roten Meer schwimmt, auch hier vorbeikommen kann. Für die anderen ist es das Riff der enttäuschten Erwartungen, weil eben nichts von all dem vorbeikommt. Noch nicht einmal die Gruppe Hammerhaie, um die sich an Deck der ankernden Safarischiffe nahezu jedes Gespräch dreht. Die, die sie gerade beim Tauchen gesehen haben, erkennt man schon auf dem Zodiac: Grinsende Gesichter, dabei die Fäuste geballt und seitlich weggestreckt an die Schläfen gedrückt. Alle anderen zeigen eher einen fragenden Gesichtsausdruck; so, als wäre auf ihre Stirn ein riesiges "Wo???" gedruckt worden.

Die gute Nachricht ist: Die Hammerhaie sind immer da. Die schlechte Nachricht ist: Man sieht sie nicht immer. Die besten Chancen auf eine Begegnung mit den "behämmerten" Räubern haben Taucher, die sich vom Zodiac an der nordöstlichen Ecke des Riffes absetzen lassen und dann in 25 bis 35 Meter Tiefe einen Zickzackkurs einschlagen: Weg von der Riffwand und hinaus ins Blauwasser, anschließend langsam wieder zurück, dann wieder Kurs in Richtung Freiwasser. Ideal ist es, wenn die Taucher dabei eng zusammen bleiben und die gleiche Höhe halten: Bogenstirn-Hammerhaie sind scheue Gesellen, eine auf zehn Meter Höhe verteilte Wand aus Leibern und Blasen schreckt sie nur ab. Wenn man sie einmal gesichtet hat, heißt es warten, nur nicht hinterher tauchen. Das Rudel schwimmt häufig Bahnen in Form einer Acht und kehrt meist wenige Minuten später an den Kontaktpunkt zurück. Die meisten Exemplare sind zwischen zwei und zweieinhalb Meter lang und scheinen sich für Taucher – sofern sie nicht bedrängt werden – kaum zu interessieren. Bei aller Faszination sollte man dabei das Riff jedoch nicht aus den Augen verlieren: Das Tauchen im Blauwasser stellt hohe Anforderungen an das Orientierungsvermögen und bereits eine leichte Strömung kann dafür sorgen, dass man hoffnungslos vom Riff abgetrieben wird, sobald die optische Referenz fehlt.



Das sichere Setzen einer Boje sollte bei Daedalus, wie an jedem küstenfernen Riff, von allen Tauchern beherrscht werden. Überhaupt ist Daedalus kein einfacher Tauchplatz – insbesondere dann nicht, wenn man nicht nur dem Guide folgt oder die einfachen Tauchvarianten dicht an der Riffwand entlang bevorzugt. Im Freiwasser kreuzen sich die Strömungen häufig, manches Mal ziehen sie die Taucher auch vom Riff weg. Kurzum: Alles, was die Chancen auf Hammerhaie erhöht, erhöht auch den Schwierigkeitsgrad des Tauchganges. Wer Daedalus richtig genießen will, darf mit Abstiegen im Blauwasser ohne optische Referenz keine Probleme haben. Mit der Orientierung auch nicht. Ebenso wenig mit Dekotauchgängen: die entstehen bei der Hammerhaisuche fast zwangsläufig.

Wracks und Füchse


In Tiefen zwischen 80 und 110 Metern liegt für technische Taucher im Nordosten eine weitere Attraktion: Die 1876 auf ihrer Fahrt nach Bombay gesunkene "Zealot". Entdeckt hat sie der Deutsche Markus Lohr, als er in dem Bereich auf der Suche nach Hammerhaien war. Der Rumpf ist in der Mitte auseinandergebrochen, ganze Trümmerfelder liegen um das Wrack herum. Wer die "Carnatic" bei Abu Nuhas kennt, hat eine Vorstellung davon, wie in etwa die Zealot aussieht – nur deutlich zerstörter. Keine Frage: Zum Wracktauchen gibt es in Ägypten deutlich schönere Ziele.

Es wäre allerdings schade, Daedalus nur wegen der Hammerhaie aufzusuchen. Das Meer ist kein Ponyhof und trotz bester Planung und Willen kann es immer mal vorkommen, dass die Haie sich gerade eine Auszeit nehmen. Wer sicher sein will, die Räuber wenigstens einmal vor die Maske zu bekommen, sollte eine Safari buchen, bei der Daedalus exklusiv auf dem Tourenplan steht: Bei vier Tagen vor Ort sollte auch der größte Pechvogel sein Glück finden. Alle anderen können sich damit trösten, dass die Hammerhaie sicherlich die Hauptattraktion vor Ort darstellen – beileibe aber nicht die einzige.



Gerade in den letzten Jahren hat die Anzahl an Fuchshaien deutlich zugenommen. Die scheue Haiart mit der charakteristischen Schwanzflosse, die fast die Hälfte der Körperlänge ausmachen kann, hält sich bevorzugt auf der West- und Ostseite auf, weniger im Norden des Riffes. Es gibt neben Malapascua (Philippinen) und den Brother Islands auf der Welt kaum Plätze, wo man diese Räuber recht sicher sehen kann – auch dieser Punkt lässt Daedalus zu einem Tauchspot der Extraklasse werden. Im Gegensatz zu den Hammerhaien halten die Fuchshaie sich auch meistens dicht am Riff auf, was zwar ihr Auffinden erleichtert, nicht unbedingt jedoch den Tauchgang. Auch sind Fuchshaie selten in flacheren Gewässern zu finden; wer sie sieht, bewegt sich meistens schon an der Grenze dessen, was Verbände für Sporttaucher noch als tolerierbar empfinden.


Tipps unseres Autors


Linus Geschke hat bislang rund 35 Tauchsafaris im Roten Meer absolviert und mit "Mitten im Blau" das Standardbuch zum Thema Tauchsafaris in Ägypten geschrieben. Hier seine fünf persönlichen Top-Tipps für Daedalus:

"Die meisten Haibegegnungen hatte ich pauschal immer beim ersten und beim letzten Tauchgang des Tages. Da heißt es also: Raus ins Freiwasser und dies mit Pressluft in der Flasche! Den zweiten Tauchgang dagegen gehe ich eher entspannt an: Riff bewundern, Nitrox tauchen, Stickstoff abbauen.""Generell ist es natürlich nicht schlecht, als erste Gruppe im Wasser zu sein. Klappt das nicht, hilft eine alte Binsenweisheit für gute Safari-Tauchgänge weiter: Zuerst mal schauen, wohin die anderen mit dem Zodiac fahren. Und dann genau das Gegenteil machen.""Wenn man Hammerhaie sehen will, keine ‚Strecke machen’ , sondern lieber an einem Punkt verweilen. Am besten dort, wo blaue Füsiliere in großen Gruppen vorbei ziehen. Und dann: Blick in die Richtung, aus der die Füsiliere kommen!""Es klingt nach Taucherlatein und ziemlich albern – aber es funktioniert: Fuchshaie reagieren häufig ziemlich neugierig, wenn man unregelmäßige Grunzgeräusche macht. Man sollte nur aufpassen, dass zeitgleich keiner mit Ton filmt: Wie gesagt – es klingt sehr albern ...""Auf kleine Gruppen von maximal vier Tauchern achten: Dies erhöht die Chancen auf Haibegegnungen enorm. Auch, wenn das Zodiac mit acht Personen besetzt ist, müssen ja nicht alle an der gleichen Stelle ins Wasser springen: Hundert Meter Versatz genügen dann schon und die Guten unter den Guides bieten diese Variante oftmals auch von sich aus an."


Anemone City


In der Pause zwischen den Tauchgängen kann man auf dem Sonnendeck des Safaribootes relaxen oder dem 1863 von der französischen Firma „Barbier, Bénard & Turenne“ erbauten Leuchtturm einen Besuch abstatten. Fotografen sollten dies in Betracht ziehen: Der Blick über das von hier aus endlos erscheinende Rote Meer und den über das Riffdach verlaufenden Steg lassen die Anstrengungen beim Aufstieg schnell wieder vergessen. Und anschließend kann man sich beim nächsten Tauchgang ja wieder abkühlen. Diesmal steht die Nordwestseite auf dem Programm.

Ob Graue Riffhaie oder kleine Anemonenfische, ob Schildkröten, Fischschwärme oder Barrakudas, ob Hart- oder Weichkorallen – die Nordwestseite ist ein Mikrokosmos des Lebens im Roten Meer. Direkt hinter der nordwestlichen Ecke wartet eines der größten Anemonenfelder, die es weltweit zu bestaunen gibt. Schon im Flachwasserbereich liegt auf einer Breite von gut zehn Metern eine Anemone neben der anderen, zum Teil bevölkert mit direkt drei unterschiedlichen Arten von Clownsfischen. Wie künstlich angelegt erscheint "Anemone City", ein Platz, an dem auch unbegabten Fotografen das perfekte Bild gelingt.

In 15 Meter Tiefe ist mit der Herrlichkeit dann weitestgehend Schluss, auch wenn sich vereinzelte Exemplare in noch tieferen Bereichen angesiedelt haben. Mit dem Riff linke Schulter taucht man anschließend weiter in Richtung des Safaribootes. Der schönste Bereich liegt dabei zwischen zehn und 25 Meter, es ist wie ein gemütlicher Spaziergang an einer vom Leben umtosten Riffwand entlang. Hornhechte, Barsche und Wimpelfische flankieren den Weg, ab und zu schauen Barrakudas vorbei, lässt sich gar ein Grauer Riffhai sehen. Kurz vor Ende des Tauchganges wartet dann noch ein weiteres Highlight auf Besucher: Eine der imposantesten Hartkorallen, die wie eine umgedrehte und überdimensionierte Teetasse am Riffhang liegt. Trotz aller Schönheit in Riffnähe sollte wenigstens jeder dritte Blick dem Freiwasser gelten, durch das manchmal Barrakudaschwärme mit unzähligen Individuen ziehen.



Wer es mag, kann natürlich auch am Südplateau und direkt vom Boot aus den Tauchgang beginnen. Das Plateau selber liegt zwischen 30 und 45 Meter tief und weist eine Vielzahl von Ergs auf. Riffbarsche, Muränen und Falter fische bevölkern diesen Bereich, in den Sommermonaten lassen sich ab und zu Weißspitzen-Hochseehaie blicken, die dann zumeist um die ankernden Boote kreisen. Die auch oft als Longimanus bezeichnete Haiart zeigt sich Tauchern gegenüber fast immer neugierig, manchmal bis hin zur Zudringlichkeit. Respekt vor den Raubtieren ist sicherlich angebracht, Angst vor ihnen jedoch überzogen.



Weiterführende Information:

Fotos Deadalus
Videos Daedalus
Tauchkarte Deadalus
Wenn man über das Plateau in Richtung Freiwasser taucht, kommt man recht bald an eine Abbruchkante, die das Riff ins Bodenlose abfallen lässt. Mit ein wenig Glück ziehen hier Thunfischschwärme und auch der ein oder andere Adlerrochen vorbei. Der größte Vorteil des Südplateaus: Egal, wie es an den Seiten aufgrund von Strömungen auch kacheln mag, hier herrscht diesbezüglich fast immer Ruhe.

Ein Riff, vier Haiarten: Hammerhaie, Fuchshaie, Graue Riffhaie und Weißspitzen-Hochseehaie – kein Wunder, dass Daedalus immer stärker von Safaribooten frequentiert wird. Zwischen zehn und 15 Schiffe können es schon sein, alles unter fünf ist ein Glücksfall.

Daedalus gehört zu den drei spektakulärsten Plätzen in Ägypten – und diese Erkenntnis hat man halt nicht exklusiv. Doch dieses Riff ist groß: Weit über drei Kilometer müsste man tauchen, um es einmal zu umrunden. Genug Platz, um mit Hammer und Fuchs auch einmal ganz allein zu sein.


Video einer Tauchsafari zum Deadalus Riff