Da für die meisten wohl den vollen Artikel nicht gratis ansehen können, hier ein etwas besserer recherchierter Artikel aus der BZ:
«Das hat niemand gewollt», sagt Einzelrichterin Andrea Neuhaus. Sie spricht dabei vom Tod eines 29-jährigen Mannes. Er war im September 2018 auf einem Tauchgang zwischen Gunten und Merligen tödlich verunglückt. Neuhaus spricht von einem «angefressenen und äusserst aktiven Taucher», der seine Grenzen ausloten wollte. Deshalb hatte er sich auch für den besagten Tieftauchkurs angemeldet, obwohl ihm die Erfahrung dafür weitgehend fehlte. «Er hat sich überschätzt. Sein Wissen war vor allem theoretischer Natur», so Neuhaus.
Der Mann ist bis zum Kurs lediglich siebenmal tiefer als 30 Meter getaucht. Die meisten dieser Tauchgänge absolvierte er zudem im Roten Meer, wo andere Voraussetzungen als im Thunersee vorherrschen. Es ist wärmer, die Sicht besser und die Ausrüstung leichter. «Die Bedingungen in einem See und im Meer sind nicht vergleichbar», sagt Einzelrichterin Neuhaus, die selbst erfahrene Taucherin ist, denn auch. «Tauchgänge im See stellen komplexe Anforderungen an einen Taucher.»
Zu Beginn lief alles nach Plan
Im Wasser habe sich der Tauchkursleiter korrekt verhalten, sagt Neuhaus bei der Urteilsverkündung am Freitag weiter. «Zu diesem Zeitpunkt ging er davon aus, dass er mit einem erfahrenen Taucher unterwegs ist.» Zwar habe der Mann beim Auftauchen zwei Mal signalisiert, dass er Probleme hat. «Er blieb aber ruhig.» Deshalb hat der Tauchkursleiter nicht mit einem «derart irrationalen Verhalten rechnen müssen». Konkret leitete der Mann – vermutlich aus Panik wegen einer Stickstoffnarkose – einen viel zu raschen Notaufstieg ein. Die sich ausdehnenden Gase führten zu einem zentralen Lungenriss und schliesslich zum Tod.
«Einfach alles auf die Eigenverantwortung des Mannes abzuschieben, geht nicht.» Einzelrichterin Andrea Neuhaus
Zu Beginn des Ausbildungstauchgangs lief noch alles nach Plan. Der Tauchkursleiter und das Opfer tauchten bis auf die vorgesehene Tiefe von 38 Meter und machten dort eine Übung. Doch dann bekam der 29-jährige Mann plötzlich Probleme. Die beiden stiegen auf. Als sich der Tauchkursleiter kurz mit dem Kompass orientierte, verschwand der Mann spurlos. Seine Leiche wurde erst zehn Tage später auf dem Grund des Sees gefunden.
Nicht nachgefragt
In die Pflicht nimmt Neuhaus den Tauchkursleiter bei den Vorbereitungen. Er habe einerseits von den laschen Zulassungsrichtlinien des Tauchverbands Padi (Professional Association of Diving Instructors) und andererseits von den Gefahren beim Tieftauchen gewusst. «Umso mehr wäre es angezeigt gewesen, sich genauestens nach den Erfahrungen des Mannes zu erkundigen.» Wäre dies geschehen, hätte der Tauchkursleiter den Tauchgang anpassen sowie den Mann anschliessend besser im Auge behalten können. «Der Tauchgang wäre anders verlaufen, wenn er weniger tief hinunter geführt hätte», sagt Neuhaus. «Einfach alles auf die Eigenverantworung des Mannes abzuschieben, geht nicht.»
Ähnlich argumentiert Neuhaus auch beim zweiten Beschuldigten, dem Organisator des Tauchkurses. Zwar hat dieser den Mann korrekterweise zum Lehrgang zugelassen, er hätte sich jedoch ebenfalls über den genauen Erfahrungsstand des Mannes schlaumachen müssen. Zudem haben sich laut Neuhaus der Organisator und der Tauchkursleiter im Vorfeld des Lehrgangs nur ungenügend abgesprochen. Wenn der Organisator, wie es den Padi-Richtlinien entspricht, beim Kurs vor Ort gewesen wäre, hätte er vor dem Tauchgang noch eingreifen können, sagt Neuhaus. «Der Unfall wäre vermeidbar gewesen.» Zumindest bis zum Zeitpunkt, als der Mann ins Wasser stieg. Ab dann war es zu spät. Spätestens als der Mann dann den fatalen Notaufstieg einleitete, war er nicht mehr zu retten.
Einzelrichterin Neuhaus verurteilt sowohl den Organisator als auch den Tauchkursleiter wegen fahrlässiger Tötung je zu einer bedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen. Sie müssen die Verfahrens- und Anwaltskosten tragen, die mehrere Zehntausend Franken kosten, sowie den Eltern des Opfers eine Genugtuung bezahlen. Diese beträgt 10’000 Franken pro Elternteil. «Das Urteil bringt den Mann nicht zurück», sagt Neuhaus abschliessend. Sie hoffe aber, dass dadurch alle Beteiligten einen Abschluss finden können.