Legendäres Schiffswrack ‚Gloucester‘ vor der englischen Küste gefunden

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10.06.2022 07:35
Kategorie: News

Die Fregatte „Gloucester“ konnte eindeutig identifiziert werden

Vor der englischen Norseeküste haben Taucher ein legendäres Schiffswrack aus dem 17. Jahrhundert entdeckt. Bei dem Wrack handelt es sich um das im Jahr 1682 gesunkene royale Kriegsschiff „Gloucester“. Die University of East Anglia teilte diesen historischen Fund am Freitag mit.

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Die Geschichte der Gloucester ist eng mit dem englischen Thron verbunden: Der Herzog von York (1633-1701), der spätere König Jakob II, war an Bord und wollte mit einer riesigen Militärparade seine Rückkehr ins Zentrum der englischen Macht demonstrieren.

Anfang Mai 1682 setzte die Fregatte „Gloucester“, die als kampfstärkstes Schiff ein Geschwader von sechs Kriegsschiffen und vier königlichen Yachten anführte, in der Themsemündung die Segel und machte sich auf den Weg in den Norden.

Schottland war das Ziel; hier harrte die herzogliche Familie noch im erzwungenen Exil aus. Die Rückkehr sollte allen Engländern die wiedergewonnene Rolle der Yorks vor Augen führen. Denn der Herzog war Jakob Stuart, jüngerer Bruder von König Karl II., und weil dieser keine legitimen Kinder gezeugt hatte auch dessen legitimer Nachfolger.

Der geplante Triumphzug endete aber im Desaster. Am Morgen des 6. Mai trieb ein Sturm die „Gloucester“ vor Norfolk auf eine Sandbank. In letzter Minute konnten sich Jakob und ein Teil seines hochrangigen Gefolges, darunter John Churchill, der spätere Herzog von Marlborough, von Bord retten. Mit dem herzoglichen Gefolge konnten sich noch weitere 130 bis 150 Passagiere retten. Insgesamt gab es wohl an die 200 Opfer bei der Havarie. Was wäre wohl geschehen, wenn Jakob auch bei dem Untergang gestorben wäre?

Die University of East Anglia (UEA) in Norwich konnte aus diesem Grund eine echte Sensationsmeldung veröffentlichen: 340 Jahre nach der Katastrophe konnte das Wrack der „Gloucester“ eindeutig identifiziert werden.

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Spektakuläre Fundstücke

Die Taucher, eine private Gruppe um die Brüder Julian und Lincoln Barnwell, hatten das Wrack bereits im Jahr 2007 nach vierjähriger Suche auf dem Grund des Meeres vor der Stadt Great Yarmouth in der Grafschaft Norfolk gefunden.

Die Entdeckung des Wracks, das in internationalen Gewässern liegt, wurde aber zunächst geheim gehalten um es zu schützen. Es dauerte zudem mehrere Jahre, um die gut erhaltenen Überreste als Wrack der „Gloucester“ zu identifizieren.

Das Schiffswrack ist am Kiel gespalten, die Reste des Rumpfes sind im Sand versunken, und es ist nicht bekannt, wie viel davon noch intakt ist. Es ist nicht geplant, einen Teil des Schiffes zu bergen.

Die 1654 mit 54 Kanonen und 280 Mann Stammbesatzung vom Stapel gelaufene Gloucester ist das einzige erhaltene Kriegsschiff dritter Klasse aus der Zeit Cromwells. Sie nahm an mehreren Schlachten teil und wurde nach 1660, als König Karl II. wieder auf den Thron gesetzt wurde, Teil der Flotte der Royal Navy.

Im Klassifizierungssystem der Royal Navy war ein Schiff dritter Klasse ein Linienschiff, das zwischen 64 und 80 Kanonen besaß und in der Regel mit zwei Geschützdecks gebaut wurde (daher der verwandte Begriff "Zweidecker"). Die jahrelange Erfahrung zeigte, dass die Schiffe der dritten Klasse den besten Kompromiss zwischen Segeleigenschaften (Geschwindigkeit, Handhabung), Feuerkraft und Kosten darstellten.

Neben der Schiffsglocke haben Taucher Kleidung, Schuhe, Navigationsausrüstung, persönliche Gegenstände und ungeöffnete Weinflaschen gefunden. Eine der Weinflaschen trägt ein Glassiegel mit dem Wappen der Familie Legge - Vorfahren von George Washington, dem ersten US-Präsidenten.

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Weitere Funde sind etliche Kanonen sowie Gefäße, Besteck und viele weitere Gegenstände. Auch eine Brille, die noch in ihrem hölzernen Etui steckt, gehört zu den vielfältigen Fundstücken.

Archäologische Sensation

Experten zufolge ist der Fund eine archäologische Sensation. „Die Entdeckung verspricht, unser Verständnis der sozialen, maritimen und politischen Geschichte fundamental zu verändern“, sagte Professorin Claire Jowitt von der University of East Anglia. Es handle sich um den bedeutendsten Fund in Großbritannien seit der Hebung des Schiffs „Mary Rose“ von Tudor-König Heinrich VIII. im Jahr 1982.

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Fundstücke daraus sollen vom kommenden Frühjahr an in einer Ausstellung im Norwich Castle Museum zu sehen sein. Dabei soll auch die Schiffsglocke ausgestellt werden, die für die Identifizierung der „Gloucester“ letztlich ausschlaggebend war.