Hi Domenico,
kurz auf deine Frage geantwortet: Ja, es ist möglich tiefer als 60 mt zu tauchen - es ist sogar möglich deutlich tiefer zu tauchen. In der Berufstaucherei wurden durch z.B. die Firma COMEX ca. 540mt im Meer und als Druckkammerversuch sogar eine Tiefe > 700 mt erreicht - natürlich als Sättigungstauchgang und Langzeitquartieren Unterwasser für die doch extensive Zeit der Dekompression

Im Bereich des technischen Tauchens (nennen wir es mal flapsig "erweiterter" Sporttaucherbereich - in Abgrenzung zum Berufstauchen unter Vollsättigung) und Forschungsarbeiten wurden bereits Tiefen von > 300 mt erreicht.
Tiefen im Bereich von 100 - 130 mt sind mit der richtigen Ausbildung, Trainingsstand, Einstellung und entsprechender Ausrüstung mittlerweile eigentlich "Standard" im technischen Tauchen mit Mischgas.
All die vorgenannten Tauchgänge haben natürlich eine große Gemeinsamkeit - Pressluft wurde hierbei nicht verwendet.
Ich will kurz (um den Rahmen des Forums nicht zu sprengen auch nur oberflächlich) auf einige Punkte hierzu eingehen. Du erinnerst dich sicherlich an deine erste Ausbildung: Stichwort "Partialdruck von Gas" ist hier ein wichtiger Faktor.
In unserer normalen Atemluft haben wir ca. 21% Sauerstoff und ca.78% Stickstoff. Beide Gase haben einen Einfluß auf unseren Körper. Sauerstoff brauchen wir um zu leben - allerdings wirkt ein erhöhter Sauerstoffpartialdruck in Abhängigkeit zur Einatemdauer toxisch - also giftig. Im Bereich des technischen Tauchens hat sich ein PO2 (Sauerstoffteildruck) von ca. 1,2 Bar PO2 durchgesetzt (mit normaler Pressluft wären das ca. 47 mt) - für die ruhige Dekompressionsphase der max. Wert von 1,6 Bar PO2.
Stickstoff - ein Inertgas oder Füllgas - wird von unserem Körper nicht benötigt - beeinflusst diesen aber erheblich. Abgesehen von der Sättigung der Gewebe hat Stickstoff unter Druck eine narkotische Wirkung. Kurz ausgedrückt hemmt es die Übertragung von Nervenimpulsen an den Synapsen. Du kennst den Effekt unter dem Begriff "Tiefenrausch". Dieser Einfluß des Stickstoffs ist von vielerlei Faktoren abhängig: Temperatur, Psyche des Tauchers, CO2-Spiegel im Blut, etc. man kann aber allgemein sagen, dass ab einem PN2 (Stickstoff-Teildruck im Atemgas) von 3 Bar bereits leichte narkotische Wirkung eintreten kann - ab ca. 4 Bar sogar mit ziemlicher Sicherheit (entspricht bei normaler Pressluft >40 mt).
Um die Effekte von "giftigem" Sauerstoff und "narkotischem" Stickstoff zu eliminieren werden für tiefere Tauchgänge die Anteil der beiden Gase in der Atemluft verringert und mit anderen Gasen ersetzt. Hierbei hat sich im Bereich des technischen Tauchens Trimix durchgesetzt - eine Mischung aus Sauerstoff, Helium und Stickstoff. Andere Möglichkeiten wären Heliox (Sauerstoff, Helium), Hydreliox (Sauerstoff, Helium, Wasserstoff), Hydrox (Sauerstoff, Wasserstoff) - nur um die wichtigsten zu nennen.
Ein weiterer wichtiger Einfluss ist die Dichte des Atemgases. Je Dichter das eingeatmete Gas ist desto schwieriger ist die Atemarbeit - die Körperanstrengung das Gas ein- bzw. auszuatmen. Einerseits um übermäßige Anstrengung zu vermeiden, den Kohlendioxid Spiegel im Körper nicht anwachsen zu lassen und um Strömungswirbel in den Lungen zu vermeiden (siehe hierzu laminare vs. turbulente Strömung in der Lunge (Essoufflement)). Durch das Ersetzen von Stickstoff - einem schweren Gas - durch Helium (einem leichten Gas) wird im technische Tauchen und in "geringeren" Tiefen der Berufstaucherei dieses Problem umgangen. Bei den Rekordtauchgängen der COMEX wird allerdings auch Helium durch ein noch leichteres Gas - dem Wasserstoff - ersetzt, um eine effektive Atmung auch in den erreichten Tiefen zu gewährleisten.
Helium unter großem Druck birgt allerdings wieder eine zusätzliche Gefahr - das sogenannte High Pressure Nervous Syndrom (HPNS) - dar. Man kann sich HPNS als Gegensatz zum Tiefenrausch vorstellen - eine Überreizung der Nervensynapsen die zu einem unkontrollierten Zittern des Tauchers führen. Zu umgehen ist dies entweder durch leichte Beigabe von Stickstoff - "Aufhebung" von gegensätzlichen Wirkungen - oder aber sehr sehr langsamen Abstiegsgeschwindigkeiten, die aber nur in der Berufstaucherei mit Oberflächenversorgung durchzuführen ist.
Durch die Verwendung von Helium oder auch Wasserstoff - beides Gase mit einer deutlich besseren Wärmeleitfähigkeit als Stickstoff - wird allerdings der Körper des Tauchers extrem ausgekühlt. Ein weiteres Problem dass durch entsprechende Schutzkleidung oder Wärmeeinrichtungen umgangen werden muß.
Als kurzes Resumee bleibt zu sagen dass größere Tiefen auch einen deutlich größeren Einsatz an technischer Rafinesse und Schutz des Tauchers (zB Auskühlung) erfordern. Außerdem steigen die notwendigen Dekompressionszeiten pro Tiefenmeter und Zeit deutlich an. Dies stellt für technische Taucher - ohne Oberflächenversorgung - die größte Schranke dar - der notwendige Gasvorrat für einen Tauchgang.
Ich hoffe, dass trotz der Kürze ein paar interessante Informationen für dich dabei waren. Bei Fragen kannst du mich oder uns (Taucher.Net) natürlich jederzeit kontakten.
Safe Diving, Herbert Gfrörer