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Tauchen zur Estonia

Geändert von VNW,

Guten Abend,

vorab: Ich bin kein Taucher, kann weniger als 1 Minute die Luft anhalten und gehe nur schwimmen wenn ich den Boden unter mir sehen kann!

Zum Glück bin ich damit aber hier wohl alleine

Kürzlich ist das Schiffsunglück der Estonia von 1994 ja wieder in die Öffentlichkeit gerückt. Über 700 tote befinden sich noch in dem Schiff.
In einer kürzlich gezeigten Doku über die damaligen Tauchgänge im Oktober/November 1994 berichten Taucher, dass sie selbst nach 2 Monaten im Wasser noch Lippenstift an den Leichen finden konnten und diese wohl noch gut erhalten waren. Erschreckend fanden damals schon alle beteiligten, dass man sie nicht bergen wollte.

Meine Frage, obwohl ich bezweifle das hier durch Zufall auch Rechtsmediziner unter uns sind: Was wäre heute von den Körpern noch übrig und wo fände man die Taucher, die solche Jobs annehmen?
Ich frage da aus reiner Neugier, da ich absolut nicht nachvollziehen kann wieso man da nicht runtergeht und die Leichen birgt...und vermutlich liegt es nicht an fehlenden Tauchern. Sind das speziell geschulte Taucher oder könnte das jeder, der auch in 80m Tiefe tauchen kann und eine stabile Psyche hat?
Machen das große Unternehmen oder könnten solche Aufträge an kleinere Unternehmen oder gar Privattaucher vergeben werden?

Selbst wenigstens ein Angehöriger hat dies auf eine Faust versucht, wurde allerdings damals von der Küstenwache abgehalten. Ein Staatsmann der NICHT zu den unterzeichnenden Staaten, die sich für das Taucherbot ausgesprochen haben, gehört dürfte hier rechtlich ja keine Probleme haben. Spannend aber auch wie sich das alles juristisch verhält, da ja bei der angesprochenen Aktion kein Gerichtsmediziner oder Ermittler dabei war. Link zur Doku: https://www.youtube.com/watch?v=D5fn-srPA7I&ab_channel=DERSPIEGEL

Ich kratze gerne in den Details, falls sich jemand an der Offenheit stören sollte.

Wie seht ihr das ganze?

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22.09.2022 22:08
Solch eine Unternehmung wäre selbst für ein kommerzielles Unternehmen mit Sättigungstauchern schwer durchführbar und nahezu unbezahlbar. Für uns die wir an der Oberfläche starten und wieder zurück müssen ist es noch schwieriger. 30min für runter gehen, suchen und rausholen kosten Dich schon grob 2 Stunden Dekompression im kalten Wasser. Wenn Du länger suchen musst vielleicht 3 Stunden oder mehr. Das Ganze mal 700. Von der posttraumatischen Belastungsstörung die das Zusammensuchen von Leichenteilen verursachen kann ganz zu schweigen. Die Gaskosten wären immens und die Gefahr im Wrack mit all dem Müll, Öl, Sediment etc würde sicher für Unfälle sorgen. Wieviele tote Taucher möchte man riskieren nur damit man Menschen begräbt die knapp 30 Jahre tot sind?

Das sind nur die Punkte die mir auf die Schnelle einfallen aber ich denke die reichen aus um die Idee zu verwerfen.
SpaetberufenerMaster Scuba Diver
22.09.2022 23:53
Ich bezweifle, dass nach 30 Jahren noch viele organische Überreste der Verstorbenen zu finden sein werden. Von der Titanic - die in noch unwirtlicheren Gewässern liegt - wird berichtet, dass von vielen Verstorbenen noch die Schuhe nebeneinander auf dem Meeresgrund liegen.

@TE: wenn Du Dich mit der Tauchphysiologie befasst (Stichwort Taucherkrankheit) wird Du sehen, dass Tauchgänge in solche Tiefen sehr aufwändig, teuer und auch nicht ungefährlich sind. Es würden erhebliche Kosten und Aufwand anfallen. Und wofür? Um Leichenreste nach oben zu bringen, die dann auch noch auf DNA untersucht werden müssten. Alles das nur, um den Angehörigen einen kleinen Kasten zu überreichen, wenn überhaupt. Nicht wenige Leichen werden im Inneren des Schiffs zu finden sein, was die Gefahr von Unfällen noch deutlich erhöht.

Da ist es wirklich sinnvoller und vielleicht auch im Trauersinn angemessener das Wrack zur Grabstätte zu erklären und sowohl Tauchen als auch Plündern zu verbieten.
Scuba_coelacanthDL / CMAS ***
23.09.2022 08:04
Da gibt es ein Video von den Jungs von Dive Talk https://www.youtube.com/watch?v=DbNkGNQKj_s
Glaube man stellt sich das leichter vor als es ist. Finde das Video zeigt gut, wie schwer und belastend so ein Einsatz ist
SolosigiSporttaucher
23.09.2022 18:37Geändert von Solosigi,
23.09.2022 18:49
Naja, wenn ich dran denke, dass ein JJ-TL (weiß den Namen nicht mehr) mit Kollegen einen Toten aus einer Höhle in Norwegen (weiß auch diesen Namen nicht mehr) in über 110m rausgeholt haben, dann denke ich schon, dass es für Spezialisten machbar wäre...
Auch kenn ich Kollegen, die regelmäßig ihren 100-er im See absolvieren...

Inwieweit das Unternehmen finanzierbar wäre kann ich schwer beurteilen. Mit Rebreather dürften zumindest die Gaskosten für die 80m überschaubar sein (TX12/60?).
Auch die Temperatur sollte bei den heutigen Anzügen mit Zubehör nicht das Problem sein.

Klar müsste das alles genau geplant werden, mit entsprechendem Equipment und passender Logistik.
Und dass es auch von der Psyche her entsprechende Taucher gibt, bin ich mir auch sicher.

Wahrscheinlich wären die Behörden das großte Problem...

Hab gerade noch einen interessanten Artikel dazu gefunden: "https://orf.at/stories/3220616/#:~:text=Wegen hohen Seegangs mussten die,Schiffs bereits anfangs unterbrochen werden."

Gruss
Solosigi

23.09.2022 19:29
@Solosigi: ich bin mir nicht sicher ob Du gelesen hast dass es um 700 Leichen geht. Nicht um eine...
SolosigiSporttaucher
23.09.2022 20:13
@jamproof
Es waren 852 Tote!
Aber glaubst du, die Bergung der Toten der Salem Express war weniger?
Sie liegt zwar nicht so tief (30m), aber es waren (inoffiziel) 4000!
Ich denke, Profis müssen das ausblenden. Und dass für eine derartige Aktion nur Profis in Frage kommen ist klar!
Aber machbar wäre es ganz sicher, wenn es die Behörden erlauben...

23.09.2022 20:40

Wow, vielen Dank für die Beteiligung
Finde ich schon interessant was erfahrene Taucher hierzu zu sagen haben.

Nun sind ja fast 30 Jahre her, die Leichen hätte man tatsächlich zeitnah bergen sollen um die Sache noch "halbwegs einfach zu halten". Heute wäre ja ungewiss was man genau vorfindet - wobei es Kabinen mit eingeschlossenen Toten gibt, da kommen wohl keine Krebstiere oder gar Fische hinein. Auf der anderen Seite kriegt kein Taucher diese Kabinen wohl mehr in kurzer Zeit geöffnet ohne nicht die Sicht durch das Sediment zu beeinträchtigen für Stunden...es ist ein Teufelskreis. Eigentlich müsste man das Schiff für so eine Aktion bergen denke ich.

Solch ein Vorhaben ist denke ich mal nur mit Tauchglocke zu realisieren.

Ihr sprecht von Gaskosten (nennt sich glaube ich TriMix) , ist dies so hoch vom Preis her?
Ohne genau über Preise bescheid zu wissen nehme ich an, dass jemand mit ca. 500.000 Euro sicher ein Teil dieses Ziels erreichen würde...nur um klarzustellen das wir hier von Anfang an nicht über ein paar Euro gesprochen haben.

Rechtlich muss man sich wohl im klaren sein, dass man niemals mehr in seinem Leben in die baltischen Staaten einreisen sollte! Ansonsten hat man denke ich als jemand, der westlich ab Deutschland wohnt, keine Probleme zu fürchten - internationales Gewässer, eine klare Gesetzeslage die Tauchgänge nicht verbieten kann (ist in einem Teil des Abschlussberichts der Estonia sogar vermerkt, daher haben sie freiwillig für ein neues Gesetz gesorgt wo Deutschland und der Westen nicht mit unterzeichnet haben).

Aber das waren auch nur Gedankenspiele von mir. Wer weiß ob nicht in all den Jahren doch der ein oder andere Tote geborgen wurde im Auftrag, da es auf Youtube sogar private Tauchaufnahmen zum Wrack gibt und ja jetzt rauskam, dass die Gitter entfernt worden sind, die die damaligen Taucher auf die Einstiegslöcher geschweißt haben.
Ein schon sehr tragisches und wie ich finde absolut ungerechtes Thema, da hier irgendwo die Gerechtigkeit für so ein Unglück fehlt, wo nicht klar ist ob es überhaupt ein Unfall war.

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