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Tauchen und Bergsteigen

Hallo zusammen,

wir wollen nach Madeira, und dort sowohl tauchen als auch Bergsteigen (die Insel geht bis 1850 Meter hoch). Weiss jemand, ob man da wegen Deko aufpassen muss ?
Speziell: Ist es ein Problem, am Tag nach einer Bergtour zu tauchen - vermutlich nicht.
Problematischer ist es vermutlich umgekehrt: Tag 1 Tauchen (mehr als ein Tauchgang pro Tag wird das nicht werden) und Tag 2 dann ab in die Höhe - ist das machbar ? Oder sollte man das nur am selben Tag vermeiden ?

Danke!
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09.05.2007 12:47
zuerst Bergsteigen und dann Tauchen macht gar nichts!
Umgekehrt wäre ich jedoch vorsichtig. Theoretisch gehts, allerdings weiss ich jetzt nicht wie lange man warten muss.
Wenn du ganz sicher gehen willst, würd ich die Zeit abwarten bis zu der du auch wieder fliegen dürftest. Dann bist auf der sicheren Seite
klimi77Tauchlehrer ***
09.05.2007 12:54
Da gibt es zwei gefahrenpunkte. Den einen hast du richtig erkannt, die höhe. Wichtig wäre dieses Programm nicht direkt nach Ankunft zu starten, sondern sich zu aklimatisieren. Wenn das Bergsteigen und das Tauchen nicht am Selben Tag stattfindet, dann sollte es wegen der höhe hier keine Probleme geben, solange man beide extreme meidet, rekordhöhen und tiefen!
Das andere ist die Anstrengung. Anstrengung stellt auch eine dekogefahr dar. Nicht nur weil man körperlich und psychisch ermüdet, was zu konzentrationsproblemen führen kann. Auch weil anstrengung eine direkte auswirkung auf den Kreislauf hat.
und noch etwas ist zu bedenken: vor allem durch das bergabsteigen entstehen scherkräfte in den Gelenken (hauptsächlich Knie, aber auch Hüft- und Sprunggelenke). Diese Kräfte können zum Beispiel durch das Tragen eines Rucksacks noch verstärkt werden. Durch diese Scherkräfte eintstehen in den Gelenken kleinste Mikrobläschen, durch das "Quetschen" von Knorpel, Gelenksflüssigkeit, etc.. Diese Bläschen fördern natürlich die gefahr einer Taucherkrankheit.
Daher ist nicht nur das Tauchen vor einem Bergausflug (wie beim Fliegen) eine Gefahr, sondern auch das Tauchen nach einem "Gipfelsieg".

Genauere Informationen erhältst du aber einem Arzt der GTÜM oder hier in Österreich ÖGTH. Das Problem haben wir hiere in den Bergen dauernd!

wünsche schönen Urlaub!
Vercingétorixold school
09.05.2007 13:12
Willst du richtig Bergsteigen oder willst du "nur" eine Levadawanderung machen. Letztere ist von der Belastung her nicht so anspruchsvoll wie Bergsteigen. Da geht es nur auf relativ flachen Wegen durch die Insel. Ansonsten siehe klimi 77.
09.05.2007 13:25
Bergsteigen ist nicht so problematisch wie fliegen oder mit dem Auto hochfahren. Gehst du doch langsam. Bist du wandergeübt, ist Madeira nicht so schwierig. Am Tag nach dem Tauchen, wenns denn nur ein Tauchgang war, würde ich mir keine Gedanken machen. Aber im Endeffekt ist es deine Entscheidung.
09.05.2007 13:32
Die Zeit bis du wieder fliegen kannst, erscheint mir zu kurz für sportliche Betätigung. Ich würde totale Entsättigung auf dem Rechner abwarten. Auch dies ist ein theoretischer Wert. Macht am besten das Bergprogramm und geht anschliessend für den Rest der Woche tauchen. Dies ist sicher problemlos.
Ich habe mal den Aladin-Entwickler (Ernie Völlm) eine ähnliche Frage gestellt, da öfters eine steile Fahrt mit der Bergbahn (800 m Höhendifferenz in 8 `) nach dem Tauchen anstand. Berechnungsmodelle für die Entsättigungen gibt es und ich konnte dies mal anschauen. Aber das lässt sich nicht auf eine Bergtour übertragen. Wie gesagt, ich habe mich dabei nicht angestrengt, dafür gabs ja die Bergbahn....

09.05.2007 13:57
Es ist schon ein Unterschied, ob du von Meereshöhe nach oben gehst oder fährst. Beim Gehen hat der Körper viel mehr Zeit zu entgasen. Und so hoch ists auf Madeira wirklich nicht. Kann man da richtig "Bergsteigen" oder ists eher wandern? Auf jeden Fall ists unwahrscheinlich schön dort.
09.05.2007 14:10
Über das Thema habe ich mir auch mal Gedanken gemacht und irgendwie habe ich noch nicht verstanden, wieso Bergsteigen oder Autofahren durchs Gebirge problematisch ist. Auf 3000m Höhe habe ich einen Druck von ca. 0,7 Bar. Das entspricht einem relativen Druckabfall von 30% gegenüber dem Meeresspiegel.
Wenn ich aus 5 Meter Tiefe (1,5 Bar) auf 0 Meter (1 Bar) innerhalb von einer Minute auftauche entspricht das einem Druckabfall von 33%. Jetzt werde ich es aber selten schaffen mit dem Auto (oder zu Fuß) in einer Minute die 3000 Meter Höhenunterschied zurückzulegen.
Würd mich freuen, wenn mir jemand meinen Denkfehler (sofern vorhanden) erklärt.
Vercingétorixold school
09.05.2007 14:32
Versuchsaufbau:
Eine Sprudelflaschen öffnen bei Normal Null, Eine Sprudelflasche öffnen bei 1.860 Meter über Normal Null. Ergebnis?
Nei keine offenen Sprudelflaschen
09.05.2007 14:44
Der relative Druckabfall der Sprudelflaschen ist natürlich höher wenn wir in 1860 Meter Höhe sind. Deswegen gibt es ja auch unterschiedliche Tauchtabellen für Tauchgänge auf Normalhöhe und für Tauchgänge in höher gelegenen Regionen.

Der relative Druckabfall zwischen 5 Meter Wassertiefe und 0 Meter ist aber mit dem von Meereshöhe auf 3000m in etwa identisch. Und trotzdem darf ich das eine in einer Minute machen, während ich das andere erst nach einer längeren Pause machen soll.
09.05.2007 15:25
@ChrisB
Ganz einfach, weil in den Flugzeugen Druckkabinen sind und somit fliegst du in der Druckkabine bei einem entsprechenden Druck von ca. 2`500m. Wenn du rechnen kannst, sind dies ~0.75 bar.
Somit ist Fliegen nach dem Tauchen etwas wie Passfahrten. Auf 1860 m sind es rechnerisch 0.814 bar.

Und so existiert auch eine Passfahrtentabelle. Aber das hatten wir auch schon, einfach mal die Suchmaschine anwerfen.

Noch etwas zu Flugverbot nach Tauchunfällen. In Australien beträgt dies 3 Wochen. Früher war dies auf 2 Wochen begrenzt. Aber nachdem 10 % nach dem 2. Start (Stop over) wieder Rückfälle hatten, wurde dies auf 3 W. verlängert. Aber weshalb nach 2 Wochen noch Rückfälle bei Fliegen auftreten, das kann ich nicht sagen. Habe diese Info von einem Australier, der in der Druckkammer in Cairns gearbeitet hat, das ist von der Tauchhäufigkeit mit Sharm vergleichbar.



09.05.2007 16:05
@Mönchsrobbe
Das mit dem Flieger ist natürlich klar. Aber im Prinzip ist das Ganze doch ein Problem der Druckänderung und vor allem wie schnell diese Änderung vor sich geht.
Das Gewebe kann bei höherem Druck mehr Stickstoff speichern. Wenn nun der Druck abnimmt, löst sich der Stickstoff. Geschieht der Druckabfall langsam, so nimmt der Blutkreislauf den Stickstoff auf und wir atmen ihn durch unsere Atmung aus. Wenn wir zu schnell auftauchen (oder eben beim Start des Flugzeugs), dann schafft es der Körper nicht mehr rechtzeitig -> Deco-Problem.
Wie gesagt, beim Flieger kann ich mir ausrechnen, dass es sehr schnell zu einem signifikanten Druckabfall kommt. Wenn ich jetzt aber mit einem Auto über den Pass (sagen wir mal wirklich 3000m hoch) fahre, dann schaffe ich das schnellstens in ca. 2h (zumindest war das der steilste Pass, den ich jemals erlebt habe. Nehmen wir jetzt mal einen linearen Druckabfall (eigentlich logarithmisch, aber das kann man hier mal vernachlässigen) an, haben wir einen Druckabfall von 0,3Bar/120 Minuten. Wenn ich das auf das auftauchen unter Wasser beziehe, bedeutet das eine Aufstiegsgeschwindigkeit von 3 Meter in 120 Minuten (oder 2,5 cm pro Minute).
Ich hab noch nie einen so langsamen Taucher gesehen und gefährlich ist das sicherlich nicht.
Wenn es also wirklich ein Problem mit dem Pass gibt (siehe auch die zitierten Passfahrtentabellen), dann muss das noch einen anderen Grund geben, den ich nicht berücksichtige.

Würd mich freuen, wenn mich da jemand aufklären kann.
09.05.2007 19:55
Ich hab inzwischen tatsächlich eine Passfahrtentabelle gefunden. Ihr zufolge ist das Berauffahren nach dem Tauchen nicht so sehr ein Problem, und das Bergauflaufen schon gar nicht.
Man sollte nach dem Auftauchen möglichst eine Stunde auf derselben Höhe bleiben, und könnte danach, selbst in hoher Wiederholungsgruppe, binnen einer Stunde auf 2.500 Meter hoch ohne dass es Deko-Probleme geben sollte. Das ist halt offenbar doch ein Unterschied ob Du im Flieger in kürzester Zeit auf niedrigeren Druck gehst, oder das kontinuierlich machst.
10.05.2007 04:16
@Mönchsrobbe
Meiner Meinung nach ist dieses Thema kontrovers. Ich würde mich nicht auf die Passfahrten Tabelle verlassen.

Diverse Shunts (PFO, pulmonal, Lungenfilter usw.) sowie auch arterio-venöse Missbildungen können zusätzliche negative Faktoren sein.

Siehe auch eines meiner Statements unter:
http://www.taucher.net/forum/PFO_Verschluss__medi1810.html

Blöd ist dann nur, wenn man die Bubbles durch Anstrengung verteilt und sie durch ein Shunt in die arterielle Seite gelangen. Hat man Pech (Blockade in ZNS/Rückenmark, Mörk/Brubakk et al 1994) kann dies zu schlimmen Folgen (Lähmungen usw.) führen. Kenne jedenfalls solche Vorfälle. Doch treten diese innerhalb der ersten Stunden auf. Sehr selten bis nie am nächsten Tag (> 12 Stunden später).

Andererseits gibt es auch einige medizinische Studien welche wissenschaftlich belegen, dass sich die Bubbles vor, während und nach dem Tauchgang reduzieren lassen:
Venous Bubble Count Declines During Strenuous Exercise After an Open Sea Dive to 30m
- Zeljko Dujic et al 2006.

Grüsse und vielleicht bis bald einmal am VWS-See
Walter
10.05.2007 10:46
@Walter C. Ich habe nicht behauptet, hier die Passfahrten-Tabelle anwenden zu können. Christ B. hat den Aufstieg von 5 m beim 3000 Höhenmeter verglichen. Aus diesem Grund habe ich die Passfahrten-Tabelle in Erinnerung gerufen. Passfahrt heisst aber auch, dass es nach dem Pass wieder runter geht.

Wenn man aber oben bleibt oder sich länger aufhält, kann man weiter und auch schneller ausperlen. Dazu hat Vercingétorix bereits den Vergleich herangezogen. (Sprudelflasche)



10.05.2007 17:37
@ChrisB
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt völlig in die Nesseln setzte. Ich denke Dein "Denkfehler" ist folgender:
Deine beiden "33%" sind nämlich nicht wirklich vergleichbar, da Du im Regelfall ja keine Sättigungstauchgänge machst, dh. Du bist nach einem TG nur ein wenig "angesättigt", selbst wenn ein Kompartiment schon gesättigt sein sollte (Deko-TG).

Meine Annahme müsste im Umkehrschluss bedeuten:
Würdest Du zig Stunden/Tage auf 5 Meter Tiefe verbringen und dann auftauchen, so hättest Du ein Dekorisiko, wie ein Taucher der nach einem "normalen" TG schnell auf 3000m Höhe aufsteigt. Jetzt also wären die %-Werte vergleichbar.

Da ich mir selbst über meine Hypothese nicht sicher bin, bitte ich um Berichtigung.
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