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Sauerstoffvergiftung - was genau passiert da

Mal eine Frage an die Experten unbter Euch:

Was genau passier bei der Sauerstoffvergiftung (O2 Partialgruck größer 1,6 bar)?

Ich will jetzt nicht auf die erkennbaren Auswirkungen hinaus (die sind bekannt) sonder speziell auf die genauen Vorgänge bei der Schädigung des ZNS - was genau verursacht der Sauerstoff an welchen Teilen des ZMS. Was für chemische Vorgänge laufen ab?
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07.01.2003 10:23
Gute Frage Soweit ich mich erinnern kann, wird die toxische Wirkung im Wesentlichen durch freie Sauerstoffradikale verursacht. Die Wirkung betrifft sowohl ZNS (Paul Bert Effekt) als auch Lunge (Lorraine Smith Effekt).
Das ZNS wird dabei folgendermassen beeinflusst: Die Synthese von Neurotransmittern wird durch die freien Radikalen eingeschränkt bzw Blockiert. Insbesonders GABA - der wichtigste hemmende Transmitter im ZNS - unterliegt hier der Beeinflussung. GABA wirkt sowohl im Ionenkanal als auch in den Proteinkopplungen (Ca++ Ionen). Also kommt es zu unkontrollierten Übertragungen.

Wäre dankbar für Bestätigung bzw Berichtigung, da ich mir selbst nicht mehr sicher bin.
07.01.2003 10:24
steht im Ehm. Zum zitieren bin ich jetzt zu faul.

Allerdings mein ich mich zu erinnern, dass die Wissenschaft noch nicht gänzlich geklärt hat, was exakt die Vorgänge dabei sind. Sonst hätt` man wohl schon *Gegenmittel*


07.01.2003 12:35
@ Herbert: danke

@ Soni: Leider steht der EHM nicht in meinem Bücherschrank. Würde mich daher über eine grobe Zusammenfassung freuen... danke!
maiky1970CCR technical Cave KISS/Liberty Sidemount
09.01.2003 12:08
@Herbert:

sieht doch ganz gut aus. Kurz um und einfach ausgedürckt wird durch die unkontrollierte Reizüberflutung so etwas ähnliches wie ein epileptischer Anfall verursacht. Unter Wasser mit großer Sicherheit tödlich, da meistens der Regler ausgespuckt wird. Wenn dann nicht sofort der Buddy da ist und den Automaten wieder reindrückt - fröhliches Ertrinken. Der Krampf löst sich nach kurzer Zeit wieder, der Krampf selbst ist daher nicht tödlich sondern die Wahrscheinlichkeit zu ertrinken!

In Ausnahmefällen verkraftet der Körper aber auch höhere Partialdrücke. Empfehlen würde ich einen Wert, der zwischen 1,4 und 1,6 liegt. Da ist man auf der sicheren Seite!
09.01.2003 12:23
@maiky: yepp das wars, danke für die Auffrischung !

GABA Präperate werden ja auch bei Epilepsie gegeben um die Ionenkanäle zu stabilisieren und das Gleichgewicht zwischen den Transmittern wieder herzustellen... also sehr vergleichbar zu Auswirkungen eines epileptischen Anfalls.

Werden wir baldmöglichst in unserem Lexikon/Fachbegriffe ergänzen.
15.01.2003 11:56
DIE GABA
(Gamma-Aminobuttersäure)
Wenn der pO²-Partialdruck beim Tauchen mit Nitrox einen bestimmten Wert überschreitet wird das Enzym GABA (Gamma-Aminobuttersäure) in seiner Wirkung gehemmt.
Ein Enzym ist ein Protein (Eiweißstoff), daß biochemische Reaktionen / Prozesse beschleunigt oder "hemmt" (biochemischer Katalysator). Es "verbraucht sich nicht" bei der zu katalysierenden Reaktion (Vergleich zu Platin im Katalysator eines Pkw-Auspuffes). Manche Reaktionen würden garnicht erst im meßbaren / nachweisbaren Bereich ablaufen ohne Enzym/ Katalysator.
Die GABA ist ein Transmitter (Überträgerstoff) im synaptischen Spalt und steuert damit die nervale Signalübertragung und die Gehirnaktivitäten. Es gibt hier einen speziellen GABA- Rezeptor. Liegt eine Fehlfunktion der GABA vor, so kommt es zu Muskelzuckungen bis hin zu Krampfanfällen.

Die Azidose

Azidose heißt Übersäuerung des Plasmas und der Gewebe des menschlichen Körpers durch Anreicherung von anorganischen Säuren. Im menschlichen Körper herrscht normalerweise ein ausgeglichener Säure/Basen-Haushalt mit einem pH-Wert von 7,4. Fällt der pH-Wert unter 7,4 entsteht eine Azidose, steigt der pH-Wert über 7,4 entwickelt sich eine Alkalose. Der menschliche Körper ist immer bestrebt einen konstanten pH-Wert von 7,4 zu halten und es gibt viele Mechanismen um einen Säure-Basenüberschuss auszugleichen.
Bei der Azidose unterscheidet man eine respiratorische Azidose (durch die Atmung verursacht) und eine metabolische Azidose (durch den Stoffwechsel verursacht). Beim Tauchen mit Nitrox entsteht durch die hohe Sauerstoffsättigung des Carriersystems eine Anreicherung von CO² im Gewebe und im Plasma. Das CO² kann kaum noch abgeatmet werden und es entsteht eine respiratorische Azidose. Das überschüssige CO² reagiert mit dem Plasma zu der anorganischen Säure HCO³. Nun sinkt der pH-Wert unter 7,4 und es kommt zu Kreislaufproblemen.
Der Blutdruck sinkt, der Puls steigt, die Versorgung der Gewebe besonders des Myokards des Herzmuskels und des Gehirns mit O² sinkt und dies führt zum Kreislaufschock und zur Bewusstlosigkeit. Um diesen Vorgang zu durchbrechen, muß man den pO²- Partialdruck verringern und in geringere Tiefen aufsteigen. Dadurch wird der pO² verringert, die Carriersysteme werden für den Rücktransport des verbrauchten CO² wieder frei und dieser kann durch die Lunge (Alveolen) abgeatmet werden. Nun kann der Körper die respiratorische Azedose durch einfache Hyperventilation und vermehrte Abgabe von CO² ausgleichen. *Carrier: engl.- Träger, Trägersubstanz (Erklärung des aktiven Transportes).


16.01.2003 15:42
@Jens
Klasse Jens. Wieder was zugelernt!
Spielt die Azidose beim Tauchen wirklich eine wesentliche Rolle? Wenn ja, nur beim "enriched" Luft tauchen? Müßte ja prinzipiell richtig sein, da es ja nur auf den ppO2 an kommt. Um welche "Zeithorizonte" geht es denn dabei? Betrifft es damit Otto-Normalverbraucher (Sport- als auch Tek-Taucher) oder nur Berufs-/Sättigungs- und Explorationstaucher?

Ich würde mich über eine fachkundige Auskunft riesig freuen.

Schöne Grüße
HolgerS
17.01.2003 07:39
@JensB
Wo hast denn den Bullshit mit der Azidose her?
Warum wird wohl in einer Druckkammer bei 2,8 bar reiner Sauerstoff geatmet?
Richtig: GABA wirkt wie ein Hemmstoff/Filter gegen Reize.
18.01.2003 20:27
@Jens: Azidose hat nun wirklich gar nix mit der ursprünglich angeforderten Info bezüglich Paul Bert Effekt zu tun. Die GABA Erklärung war korrekt.
16.02.2003 15:38
Heute möchte ich noch mal schnell meine noch fehlende Azidose-
Erklärung nachkommen!
War die letzten Wochen Im Ausland unterwegs und komme erst
jetzt dazu,sorry...!
Aber bevor jemand meine Erkenntnisse als "Bullshit" erklärt
sollte man sich mit der Thematik beschäftigen!
Und wenn man davon keine Ahnung hat...!
Darum habe ich zu meiner Auslegung noch mal die Stellungnahme
eines Tauchschülers von mir eingeholt.:
Es ist Dr.med. Jens Kohlfahl/Cuxhaven
Tauchmedizin (GTÜM e.V.)
Allgemeinmedizin/Rettungsmedizin/Sportmedizin...


Hallo Jens,
Ich gebe zu, dass Du mich mit Deiner Anfrage ganz schön beschäftigt hast
(habe ich bei mir unter Fortbildung verbucht). Also, der Text zur Azidose
ist im
Prinzip korrekt, für einen medizin.Laien aber wohl schwer nachzuvollziehen.

Eine Azidose,egal aus welcher Ursache, führt auch zu einem vemehrten
Kaliumgehalt des Blutes, mit der Folge des Auftretens von
Herzrhythmusstörungen und
Tod durch Herzstillstand (Kammerflimmern), zusätzlich Blutdruckabfall und
beschleunigter Puls (Tachycardie) durch den erhöhten pCO2 (weitere Symptome:
Muskelzuckungen=epilept.Krämpfe,Schwindel,Kopfschmerzen,Schwäche).

Beim Tauchen mit Nitrox kann es zur Sauerstoffvergiftung (O2-Intoxikation)
kommen.Intoxikationserscheinungen treten regelmäßig im Wasser bei 2,0 bar
pO2
und im Trockenen bei 3,0 bar O2 auf, d.h.die Sauerstoffverträglichkeit ist
bei Atmung in einer trockenen Druckkammer deutlich höher als im Wasser
(Versuch der
Erklärung durch veränderte Atemwiderstände, hydrostatischer Druck des
Wassers, erhöhter Druck auf den Brustkorb durch Wasserdruck und Tauchanzug,
Körperposition des Tauchers). Es besteht jedoch eine eindeutige Abhängigkeit
von der körperlichen Belastung (je höher, desto größer das Risiko einer
02-Intoxikation).Ebenso verringern kalte oder auch sehr warme
Umgebungsbedingungen die Sauerstofftoleranz. Bei der Druckkammerbehandlung
des Tauchunfalls legt man deshalb immer wieder Pausen ein, in denen Raumluft
geatmet wird. Und: bei einer 02-Intoxikation kann ein generalisierter
Krampfanfall das einzige Symptom ohne Vorwanzeichen sein!!! Dann: die
Sauerstoffverträglichkeit des einzelnen kann von Tauchgang zu Tauchgang
stark schwanken und sich bei zwei Tauchern während eines Tauchgangs deutlich
voneinander unterscheiden. Weitere Faktoren, die das auftreten von ZNS
(zentrales Nervensystem=Gehirn)-Symptomen begünstigen sind: körperliche
Arbeit (s.o.), Immersion (=Eintauchen ins Wasser), erhöhter inspiratorischer
CO2-Gehalt (wird noch erklärt), fieberhafte Erkrankungen und
Kälteexpositioon. Nochmal zu den toxischen Auswirkungen des Sauerstoffs: bei
O2-Atmung kommt es einmal zur Bradycardie (Pulsverlangsamung) und bei
zunehmender Intoxikationssymptomatik (als Gegenregulation) zum Ansteigen der
Pulsfrequenz und des Blutdrucks.

Jetzt nochmal zum Zusammenhang zwischen O2-Intoxikation und pCO2 (und damit
zur Azidose). Es gibt nicht nur eine direkte Toxizität (Giftigkeit) des
Sauerstoffs, sondern auch eine indirekte durch die Erhöhung des pCO2 im
Blut.Ab einem pO2 von 2,8 bar ist soviel Sauerstoff im Blut physikalisch
gelöst,
zusätzlich zum chemisch gebundenen Sauerstoff an das Hämoglobinmolekül,
welches sich ja in den roten Blutkörperchen befindet. Dieser chem.gebundene
Sauerstoff wird in der Körperperiphere (also dort wo der Gasaustausch
zwischen Blut und den Körperzellen stattfindet, nämlich in den
sog.Kapillaren) nicht
mehr benötigt. D.h. das mit O2 noch weitgehend gesättigte Hämoglobin
(Hb)-Molekül kann nicht genügend CO2 aus der Periphere binden und
abtransportieren.
Somit kommt es zum Anstieg des pCO2 (= CO2-Retention) und zur Azidose. Damit
sinkt die O2-Toleranz und es kommt zur Hyperventilation.

Weiterhin hemmt ein hoher pO2 eine Reihe von Enzymen (Eiweißkörper, sog.
Biokatalysatoren) und es bilden sich schädliche Sauerstoffradikale, so dass
Teile des Zellstoffwechsels blockiert werden. Und es wird die
Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) gehemmt. Diese ist ein wichtiger hemmender
Überträgerstoff (sog.
Neurotransmitter) im Gehirn. Fällt dieses "Bremser-Enzym" weg, können Nerven
in einigen Bereichen ungehemmte Aktivität entfalten, wodurch im Bereich der
motorischen Nerven Muskelkrämpfe die Folge sind.

So, das ist nun alles wunderschöne Theorie. Welche Konsequenzen ergeben sich
nun daraus? Auch wenn Ihr es nicht hören wollt, als Tauchmediziner kann man
dem Sporttaucher nur vom "Tech-Diving" abraten. Das ist eine radikale
medizinische Einschätzung, die muss auch nicht von jedem akzeptiert werden.
Nur, es gibt z.B. beim Nitrox-Tauchen Gefahren durch die
Sauerstofftoxizität, die nicht zu unterschätzen sind (siehe oben). Und: eine
sichere Aufenthaltszeit in einer bestimmten Wassertiefe gibt es beim
Sauerstofftauchen nicht! Die größte relative Sicherheit bei Tauchen mit
O2-Geräten liegt bei Wassertiefen unter 5 Metern, denn in nahezu
jeder Tiefe über 5 m kann ein Sauerstoffkrampf ohne Vorwarnung (und das ist
das eigentliche Problem) eintreten. Sporttaucher sind nicht so geschult und
ausgebildet wie off-shore-Taucher oder Marinetaucher (wo z.B. die
individuelle O2-Verträglichkeit ermittelt wird). Aber auch die kann ja beim
Einzelnen wie oben erwähnt von Tag zu Tag oder von Tauchgang zu Tauchgang
verändert sein.

Nun ja, also seid schön vorsichtig und haltet Euch fit in
Herz-Lungen-Wiederbelebung.

Grüße Jens K.
(Dieser Text hat urheberrechtlichen Charakter!)
Die Problematik der Azidose wird auch von verschiedenen `Tec-Dive`-Org. ausgebildet!
Sogar in `Beipackzettel` von Notfallsauerstoff-
systemen wird darauf verwiesen!

...so ich hoffe ich konnte noch was zur
Klärung beitragen!

Gruß Jens B.
18.04.2006 17:05
Der Post ist zwar schon Asbach Uralt aber die Problematik bleibt - wenn man sich bei höherem Partialdruck anstrengt.

-> Warum wird wohl in einer Druckkammer bei 2,8 bar reiner Sauerstoff geatmet?
Tja... weil man sich da nicht anstrengt und nur wenig CO2 erzeugt.

Neben der Erzeugung einer Azidose hat Kohlensäure aber noch eine ganze Reihe anderer `unschöner` Eigenschaften, u.a. die sehr gute und extrem Temperatur- pH- und Druckabhängige löslichkeit in wässrigen Medien (vgl. Bier und Sprudel).
Ich würde nie den Fehler machen, den CO2-Haushalt zu ignorieren, wenn ich am Gemisch drehe (was ich auch selber mache). Solange man sich nicht anstrengt geht halt meistens alles gut.....

Gebt mir 3 Jahresgehälter und ich setze eine Versuchsreihe an ... dann könnt ihr auch eine entsprechende Dekompressionsvorschrift in die Hände bekommen
Solange tauche ich nach der Regel: ppO2>1.3 --> RELAX!

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