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andrej v.Rescue, etc.

Pilotfische und Haie: welche Form der Symbiose?

Liebe Bionauten,
könnt ihr uns mal helfen? Frage wäre, ob Pilotfische ausschließlich Profiteure von Haien sind, oder ob sie für den Hai auch irgendeinen Nutzen bringen? Zecken oder Kumpel?

Was wir bisher zu wissen glauben: Profit ja, weil -> Schutz vor anderen Räubern. -> Nahrung durch Futterreste. -> Energiesparende Fortbewegung.

Aber Nutzen für den Hai? Keinen?

Gruß, a.
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05.08.2010 16:27
Zitat: "Sie befreien diese von Hautschmarotzern, fressen Speisereste und Ausscheidungen."
http://de.wikipedia.org/wiki/Pilotfisch
05.08.2010 16:31
Ich habe gehört, dass sie evtl. ektoparasitäre Ruderfußkrebse von der Haut der Haie fressen. Andererseits gibt es auch Meinungen wonach die Beziehung nur kommensialer Natur ist. Ob man diese Säuberungsaktionen der Pilotfische schon einmal wirklich wissenschaftlich nachweisen konnte ist mir nicht bekannt.
Bio-UliDipl.Biologe, TL****
05.08.2010 17:21
Da auch Goldmakrelen und Regenbogenrenner dieses Verhalten mit Hochseehaien zu schwimmen zeigen, die Nische "Putzer" nachgewiesener Maßen für die Schiffshalter vergeben ist, sowie die jungen Pilotfische (also die mit den kleinen Mäulern) nicht mit den Haien schwimmen, und viele Hochseehaie trotz Pilotfischflotte als Begleitung Parasitenbefall zeigen, denke ich eher, dass es sich bis auf Einzelfälle um ein kommensalistische Symbiose handelt, bei der der Hai keinen Profit hat.
Bio-UliDipl.Biologe, TL****
05.08.2010 18:19
PS. Der Begriff "Bionauten" wird üblicherweise nur für meine ehemaligen oder aktuellen Kursteilnehmer verwendet!
bionaut-seminare.de http://www.bionaut-seminare.de
06.08.2010 14:45
@ Andrej_v
Für den Fred

Du hattest ja im anderen Fred geschrieben:
„…Ich selbst habe mehrmals miterlebt, dass Longimani sich "schüttelten", die regelrechte Begleiterfisch-Wolken um sich hatten. Das ist aber noch nicht als eindeutiges Zeichen von Unliebe zu werten…“

Könnte das Schütteln nicht auch möglicherweise anhaftenden Schiffshaltern gegolten haben? Im Sharkproject-Link war ja beschrieben, was die Haie alles unternehmen, um diese Sauger loszuwerden. Nur ist mir unklar, wieso sie die Schiffshalter los werden möchten, wenn sie doch von ihnen geputzt werden?


Ich frage mich auch, wieso sich die Gestreiften ausgerechnet mit Vorliebe um die Longis scharen. Kein Hai wird so oft mit den Pilotfischen gezeigt, wie der Longimanus. Andere Haie sah ich bisher überwiegend ganz alleine und klar und deutlich ohne Gewusel (in Filmen und auf Fotos).

Ich denke, irgendwas muss er doch davon haben. Ich kann nicht ganz glauben, dass so ein geschickter Jäger Gewimmel um sich herum duldet, das nur Vorteile für sich selbst zieht. Der Longi, ein Wohltäter… och nö

Könnte er sie vielleicht sogar als Tarnung benutzen? Wenn sich Fotografen schon zu ärgern scheinen, weil er nicht so gut zu sehen ist. Einfachere Jagd könnte ein klasse Argument für ihn sein...?

1977speedyCMAS*** Adv.Nitrox CCR rEvo diver
06.08.2010 16:12
Hallo zusammen
Ich habe gerade zufällig "mit Haien Sprechen" von Erich Ritter gelesen und da steht drin, dass eine "Entourage" (schwarm von Knochenfischen, die sich den Hai als sozialen Bezugspunkt ausgesucht haben) lästig sind.
Eine solche Entourage macht es wohl dem Hai unmöglich erfolgreich zu jagen, da alle Fische seine Bewegungen mitmachen. Und sie versuchen alles um die Fische los zu werden.(Seite 261-262) Je nach dem meinte der Autor in der dive Inside das.

Gruss
Sascha
Bio-UliDipl.Biologe, TL****
06.08.2010 19:56
@ Glotzfisch
" Nur ist mir unklar, wieso sie die Schiffshalter los werden möchten, wenn sie doch von ihnen geputzt werden?"
- Störung der Wahrnehmung (Lorenzinische Ampullen, Seitenlinienorgan). Die Nervlinge sollen durch das Geschüttel nur von der Sensoren entfernt werden.

"Ich frage mich auch, wieso sich die Gestreiften ausgerechnet mit Vorliebe um die Longis scharen. Kein Hai wird so oft mit den Pilotfischen gezeigt, wie der Longimanus.
- a. Die Pilotfische sind "Oberflächenfische", der Longimanus auch.
- b. Longimanus wird/wurde deshalb am meisten fotografiert, weil er "furchtlos" und der häufigste Hochsee-Hai ist.
- c. Außerdem ist wohl nicht denkbar, dass Pilotfische einem Mako bei 50 oder mehr km/h folgen könnten. Insofern passt hier wohl physikalisch wie zu erwarten einiges zwischen Kommensal und Wirt zusammen.

"Ich kann nicht ganz glauben, dass so ein geschickter Jäger Gewimmel um sich herum duldet, das nur Vorteile für sich selbst zieht."
- Er ist wie du schon selbst schreibst ein "geschickter Jäger", der die Begleitung entwicklungsgeschichtlich wohl nicht erst seit einer Stunde auf der Pelle hat. Die Pilotfische "surfen" auf der Schnauzenwelle des Hais und sind außer Reichweite.

"Könnte er sie vielleicht sogar als Tarnung benutzen?" - Nein.

"Einfachere Jagd?" - Ganz sicher nicht. Die Qualität der Sensorik leidet ohne Zweifel erheblich.

@1977speedy
"Eine solche Entourage macht es wohl dem Hai unmöglich erfolgreich zu jagen"
- Die von Ritter beschriebene Entourage bezieht sich auf LOSE Verbindungen von anderen Fischen wie Stachelmakrelen mit dem Hai. Und die wecheln ihren Favoriten schnell, oder werden zwangsgewechselt.

Würden Pilotfische, die im weiteren Sinn nicht lose mit dem Hai verbändelt sind, ein Individuum so benachteiligen, dass es gegenüber einem anderen tatsächlich einen effektiven Jagd-Nachteil hätte (denkbar, aber wissenschaftlich beschrieben ist die Symbiose bisher als Kommensalismus, nicht Parasitismus), wäre es bald schmäler um die Hüften, und damit für die Pilotfische als Futterbringer nicht mehr so interessant, und es würde bei Gelegenheit gewechselt. So wird sich auf jeden Fall ein zu erwartendes Gleichgewicht zwischen Kommensal/Parasit und Wirt einstellen.
07.08.2010 06:43
@BioUli
Vielen Dank für deine ausführlichen Erklärungen.

Ich hatte schon lange die Pilotfische mit den Longis im Visier, aber so richtig befriedigend waren die Infos, die man sich ergoogeln konnte, nicht.

Klasse
andrej v.Rescue, etc.
10.08.2010 03:34
Das klingt sehr fundiert und äußerst glaubhaft. Danke auch, Bio-Uli. Und nix für Ungut wegen der „Bionauten“. Man kann ja nicht wissen, dass es so was tatsächlich gibt.. -)
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