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Guten Tag, die Redaktion, guten Tag, Herr Dr. Claus-Martin Muth.
Wie schön, dass nach so vielen Jahren einige Erkenntnissse von mir bei Ihnen gedruckt werden - auch wenn dabei der Hinweis auf mich von dem Autor vergessen wurde.
Mfg Lutz Hagemann
Hier folgt der Artikel:
Ganz nach Bedarf
von Dr. Claus-Martin Muth
"Wieviel bar hast du noch drin?" Das ist die wohl am häufigsten gestellte Frage unter den Beteiligten nach einem Tauchgang. Viele Taucher halten nämlich den Luftverbrauch für DEN Gradmesser für taucherische Qualitäten
© P. Munzinger
Spart da einer? Auch die Ausatemluft verrät, ob jemand zu sehr an seinen Luftvorrat denkt ...
Interessant ist dabei, dass gleichzeitig viele Tauchausbilder davon überzeugt sind, dass es für das Tauchen bestimmte Atemtechniken gibt, die man berücksichtigen sollte. Und dementsprechend gibt es auch eine Vielzahl von Kursangeboten in diesem Bereich. Doch was steckt eigentlich dahinter und was sind die (physiologischen) Fakten?
""Lutz Hagemann...die psychologisch/biologischen Fakten""
Zunächst ist festzuhalten, dass ein hoher Luftverbrauch nicht zwingend ein Anzeichen für Unerfahrenheit ist. Es ist zwar richtig, dass beim Anfänger der Luftverbrauch höher ist als beim Erfahrenen, doch spielen noch weitere Faktoren eine wesentliche Rolle.
Den Körper betreffend
© R. Jahnke
Ein erhöhter CO2-Gehalt im Blut, wie er infolge von Sparatmung entsteht, bewirkt unterschiedliche Reaktionen im Körper. Die Folge: Kopfschmerzen und ein erhöhter O2-Bedarf
So wird ein sehr erfahrener, aber auch sehr muskulöser Zwei-Meter-Mann durchschnittlich mehr Luft verbrauchen als eine weniger erfahrene, schlanke, 1,62 Meter große Frau - einfach, weil er mehr zu versorgen hat. Auch jemand, der zwar erfahren, aber sehr untrainiert ist, wird ebenso viel oder gar mehr verbrauchen wie jemand, der zwar unerfahren, aber sehr trainiert ist.
Daher ist das Schielen auf den Luftverbrauch, ohne dabei alle Begleitumstände zu berücksichtigen, keine gute Idee. Hier hilft auch keine bestimmte Atemtechnik.
Zudem ist es wichtig zu wissen, dass sich die Atmung beim Menschen beim Untertauchen im Wasser instinktiv umstellt: Während unter normalen Bedingungen an Land der ausgeatmete Zustand der Normalzustand ist, ist es bei den meisten Tauchern unter Wasser der eingeatmete Zustand. Konkret bedeutet dies, dass über Wasser unser Atemzeitverhältnis 1:2 ist. Das heißt 1/3 des Atemzyklus gehört der Einatmung, 2/3 der Ausatmung und einer so genannten expiratorischen Pause (wir atmen ein, dann aus, Pause. Einatmung, Ausatmung, Pause, und so weiter. Dieses kehrt sich unter Wasser um in: Einatmung, Pause, Ausatmung, Einatmung, Pause, ...).
Das dahinter stehende Problem ist ein psychologisches: Tief in unserem Inneren misstrauen wir der Technik und halten uns durch den eingeatmeten Zustand vermeintlich eine gewisse "Reserve".
""Lutz Hagemann...Das ist ein Selbsterhaltungsreflex der sich im Laufe der Jahrmillionen evolviert und bewährt hat. Unsere biologischen Vorfahren konnten die technische Entwicklung - die Möglichkeit unter Wasser richtig atmen zu können - nicht voraussehen und einplanen.""
Im gesunden Atemfluss
Tatsächlich hat dieses Verhalten aber einige Nachteile, so dass Tauchlehrer zu Recht versuchen, hier zu korrigieren. Doch selbst den erfahrensten Tauchern gelingt es kaum, ihre Atmung komplett entsprechend der Verhältnisse über Wasser zu normalisieren. Viele schaffen es überhaupt nur durch eine gewisse, bewusste Kontrolle, doch dieser Schuss geht nicht selten nach hinten los.
Denn gleichzeitig wird mit dieser Kontrolle nämlich sehr häufig auch versucht, den Luftverbrauch insgesamt zu reduzieren, was dann nicht selten zur Sparatmung führt. Und genau das ist falsch!
Im Normalfall wird die Atmung bedarfsorientiert gesteuert. Zwar kann auch Aufregung und Nervosität zu einer gesteigerten Atmung führen, in der Regel sorgt jedoch ein vermehrt anfallendes Kohlendioxid hauptsächlich für die entsprechende Steigerung der Atmung.
""Lutz Hagemann:....Allerdings wird meistens übersehen (oder man weiss es nicht), dass man im Wasser durch die Schwerelosigkeit sehr viel weniger Energie (= Sauerstoff) braucht. Ausserdem sollte man sich im Wasser dem Medium anpassen - d. heisst sich langsamer bewegen. Denn wir sind an den Luftwiderstand angepasst/evolviert. Unser gesamtes Verhalten ist auf den Landaufenthalt + den Gravitationseinfluss ausgerichtet.""
Kopfsache
© R. Jahnke
CO2-Effekte in Gehirn: Ausgeprägte Weitstellung der Gefäße des Gehirns führt zu Anstieg des Hirndrucks. Es entstehen extreme Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Schwindel
Bis zu einem gewissen Grad kann das Gehirn diese Reaktion beeinflussen. Das heißt, der Mensch kann willentlich die Luft anhalten. Ebenso kann er über eine gewisse Zeit willentlich sehr kontrolliert, damit jedoch im Verhältnis zum Bedarf, zu wenig atmen. Dies führt zu einer verminderten Abgabe von Kohlendioxid und folglich zu einer Anreicherung von Kohlendioxid im Blut.
Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, an dem das Atemzentrum so stark gereizt wird, dass es willentlich nicht mehr zu beeinflussen ist. Dieser sehr starke Atemreiz führt zu einer vertieften und beschleunigten Atmung. Es kommt jedoch nicht so schnell zu einer Normalisierung des Kohlendioxidgehalts im Blut, so dass der starke Atemreiz erhalten bleibt. Die Folge ist das subjektive Gefühl der Luftnot.
""Lutz Hagemann:...Wenn aber ganz "normal " ein - und danach wieder ausgeatmet wird, stellt sich dieser Effekt nicht ein""
Programmierter Stress
Dadurch, aber auch durch den direkten Effekt des Kohlendioxids, werden vermehrt Stresshormone ins Blut abgegeben. Daraus resultiert eine Beschleunigung des Herzschlags und eine deutliche Blutdruckerhöhung, was beides sowohl zum erhöhten Sauerstoffverbrauch als auch wiederum zur erhöhten CO2-Produktion führt.
Ein weiterer Effekt des erhöhten CO2-Partialdrucks ist eine Weitstellung der Gefäße. Hiervon sind insbesondere auch diejenigen Arterien betroffen, die das Gehirn versorgen und die Durchblutung des Kopfs gewährleisten.
""Lutz Hagemann:...Wenn aber ganz "normal " ein - und danach wieder ausgeatmet wird, stellt sich dieser Effekt nicht ein""
Kopfschmerzen
Die Gefäßweitstellung in diesem Bereich hat migräneartige Kopfschmerzen zur Folge, aber auch eine (leichte) Erhöhung des Hirndrucks. Beides, die Hirndruckerhöhung und der starke Kopfschmerz, kann zu Übelkeit und zum Erbrechen führen. Außerdem kann sich ein Schwindelgefühl einstellen.
Die Kopfschmerzen und die Übelkeit können übrigens auch schon während des Tauchens auftreten. Allerdings sind sie dabei selten schon voll ausgeprägt. Üblicherweise werden die Beschwerden erst nach dem Tauchgang richtig unangenehm, also dann, wenn das Kohlendioxid schon wieder im Normbereich ist.
In seltenen Fällen kann die Übelkeit unter Wasser so stark sein, dass es zum Brechreiz kommt. Der Taucher ist in einer solchen Situation akut gefährdet zu ertrinken!
Die Kopfschmerzen können über mehrere Stunden anhalten und sehr stark ausgeprägt sein. Unglücklicherweise führt die Einnahme von entsprechenden Schmerzmedikamenten kaum zu einer Linderung der sehr heftigen Kopfschmerzen.
Sparen funktioniert nicht!
Daraus ist leicht ersichtlich, dass die Folge einer durchgeführten Sparatmung in den meisten Fällen nicht ein reduzierter Luftverbrauch ist, sondern das Gegenteil der Fall ist: Der Gesamtverbrauch ist ähnlich hoch wie vorher (meist sogar eher höher), und häufig fühlen sich diese Taucher zudem massiv unwohl. Sie klagen über mehr oder minder heftige Kopfschmerzen nach dem Tauchen und häufig auch über Übelkeit. In nicht wenigen Fällen kommt es zu einem vorzeitigen Abbruch des Tauchgangs, mitunter in Form eines Not- oder Panikaufstiegs mit all den damit verbundenen Gefahren.
Leider ist es aber so, dass die gängigen Vorschläge zur "richtigen" Atmung beim Tauchen und auch die traditionellen "Atemtechniken" in den meisten Fällen quasi "Anleitungen zur Sparatmung" darstellen. Richtiger wäre es hingegen, so zu atmen, dass man sich a) unter Wasser wohl fühlt, und b) nicht ständig über das Atmen nachdenkt beziehungsweise sich mit Mittauchern vergleicht.
""Lutz Hagemann: ein sehr guter und richtiger Ratschlag""
Erfahrungssache
Hier ist es sicher hilfreich, dass mit steigender Erfahrung tatsächlich der Luftverbrauch sinkt, da viele Bewegungsabläufe ökonomischer werden und der Aufregungspegel abnimmt. Auch ist es sicher hilfreich, über ein Mindestmaß an Fitness zu verfügen.
Doch auch bestimmte Atemtechniken, zum Beispiel solche, die ursprünglich aus der chinesischen Medizin und Tradition beziehungsweise aus der Yoga-Lehre stammen, können nützlich und hilfreich sein. Allerdings vor allem vor dem Tauchen. Beim Tauchen würden auch sie zu einer inadäquaten Atmung führen, die alle gelisteten Folgen nach sich ziehen kann.
Atemübungen
Hilfreich sind sie aber zum Beispiel bei Aufregung (vor dem Tauchen), in gewissem Maße bei Neigung zur Seekrankheit, zur Entspannung und auch zur Kräftigung der Atemmuskulatur. Viele, die solche Übungen regelmäßig durchführen, berichten auch, dass sie zum allgemeinen Wohlbefinden beitragen.
Und schließlich sei noch vermerkt, dass auch regelmäßiges Schwimmtraining (insbesondere mit Schnorchel) die Atmung ökonomisiert und die Atemmuskulatur kräftigt - mehr, als es andere Ausdauersportarten tun.
""Lutz Hagemann:...hier hat der Autor allerdings übersehen, dass dieses Training nicht der Unterwasseratmung förderlich ist, denn beim Schnorcheln atmen die allermeisten ein, halten die Luft an ...etc.""