Stellungnahme SHARKPROJECT
SHARKPROJECT hofft, dass es dem verunfallten Taucher den Umständen entsprechend gut geht und wir wünschen ihm von ganzen Herzen gute Besserung. Unser Mitgefühl gilt ihm, der er sein Bein verloren hat und seiner Familie. Wir hoffen nach diesem Unfall auf eine neue Auseinandersetzung über den Umgang mit den Weißspitzenhochseehaien an den Brothers, Deadalus und Elphinstone, dem Roten Meer. Sie sind so wichtig für dieses Ökosystem!
Das letzte was SHARKPROJECT nun möchte, ist eine Hetzjagd auf den „Übeltäter“ bei der alle anderen Haie in der Umgebung pauschal auch mit zum Tode verurteilt werden. Das hatten wir schon vor Jahren. Das nützt gar nichts! Das Problem sind nicht die Haie, das Problem ist wieder einmal der Mensch. Hier sind wahrscheinlich auf ganzer Linie viele Fehler passiert. Unsere alten Forderungen, das Hai-Tauchen an den Brothers, Daedalus und Elphinestone endlich besser zu regeln, stehen immer noch im Raum.
Zunächst muss man die Natur des Longimanus verstehen. Der Longimanus ist eine Hochseehaiart, die genauso wie alle anderen Hochseehaie, jede Gelegenheit für das eigene Überleben wahrnehmen muss, Futterquellen zu erschließen. Hinzu kommt, dass wir Taucher uns nicht wirklich schnell im Maßstab eines Longimanus im Wasser bewegen, somit leichte Beute sein können.
Die politische Lage in Ägypten ist heute soweit wieder stabil, dass die Taucher zurückkehren und Geld in die Kassen der Hotels, Flotten und Dive Center fließen lassen. Das hat zur Folge, dass an den Offshore Divespots wie den Brothers und Deadalus teils bis zu 10 Schiffe, manchmal sogar bis zu 20, gleichzeitig liegen. Und auch hier müssen wir leider von eigenen Erfahrungen berichten, inklusive Hähnchenschenkeln, die an Seilen zur puren Belustigung der Touristen ins Wasser geworfen wurden, um die Longimani für gute Fotos in die Nähe des Schiffs zu locken. Auch sind uns Berichte bekannt, nach denen die Schiffe bis heute zum Teil tierische Abfälle über Bord kippen. Fundierte Briefings an diesen Offshoretauchplätzen, die auf Hai-Begegnungen vorbereiten fehlen in Ägypten in der Regel ebenso. Alles Umstände die SHARKPROJECT seit Jahren kritisiert und scharf verurteilt.
Ein Festmahl für die Haie! Und wie wir wissen, lernen Haie sehr schnell und gut, da sie intelligent sind. Da, wo Safariboote sind, da ist Futter. Bei der Betrachtung des Videos kann man feststellen, dass es sich um ein Austauchen in der Nähe der Schiffe handelt. Zwischen 15-20 Taucher absolvieren ihren Safetystop, Taucher kommen an, Buddyteams sind, nur noch schwer zuzuordnen. Ein wild verstreutes Trüppchen an Tauchern, die den Longimanus am Anfang augenscheinlich recht entspannt wahrnehmen... Hinzu kommt und das kann man sehr deutlich auf dem Video erkennen, dass der Hai vornehmlich an zwei Tauchern interessiert ist. Die beiden tragen kurze Tauchanzüge, so genannte Shorties. Hiermit bietet ihre Silhouette einen guten Kontrast. Auf solche Kontraste, die Beutefischen ähneln, reagieren Haie nachweislich häufiger. Hieraus entwickelt sich eine sehr ernste Auseinandersetzung zwischen dem Longi einem „Shorty-Taucher“. Augenscheinlich ist, der Longi ist gestresst, ist Fressen betreffend nicht zum Zuge gekommen und sucht sich das „Naheliegenste“, das nächste Opfer. Dieses ist schließlich der Sidemount-Taucher, der mit dem ganzen Drumherum wenig zu tun hat und die ernste Situation augenscheinlich nicht erfasst. Der Hai kann sich dem Taucher von hinten nähern und nutzt die Gelegenheit zuzubeißen. Wohl bemerkt, das ist das, was auf dem Video für uns interpretierbar ist. Die weiteren Ermittlungen müssen die Behörden vor Ort führen. Das ändert aber nichts an dem Schaden, den das Opfer hat, eben jener Taucher, der sein Bein durch diesen tragischen Unfall verloren hat.
Was können wir daraus für die Zukunft lernen? Wir müssen uns bewusst sein, dass wir im Roten Meer im Revier des Longimanus tauchen gehen, einem Hochseehai, der zum einen von seiner Natur aus ein geborener schneller Jäger ist und der zudem durch das Verhalten der Flotten und Taucher vor Ort konditioniert wurde. Definitiv ein großer Fehler des Menschen, den wir versuchen müssen wieder gut zu machen. Ausbildung ist hier das wichtigste! Bildung in jeglicher Form bei Tauchern, Flotten und auch bei den ägyptischen Behörden. Wir begeben uns in das Revier des Hais! Als sollten wir uns entsprechend vorsichtig verhalten und zwar alle, Taucher, Tauchguides, Flotteneigner, Tauchbasenbesitzer und Verantwortliche bei den Behörden. Eines steht jedenfalls fest, das Töten des jeweiligen Tiers, sollte man den Hai überhaupt identifizieren können, wird das Problem nicht beseitigen, es wird es nur zeitweise verlagern, bis zum nächsten gravierenden Unfall. Überdenken wir unser Handeln und lernen für die Zukunft. Bilden wir Taucher als, dann werden solche Szenen in Zukunft vielleicht vermeidbar sein, auch wenn immer ein Restrisiko für Menschen im Meer bestehen bleiben wird. Das ist Mutter Natur und das Zuhause eines Carcharhinus Longimanus!
Friederike Kremer-Obrock für Sharkproject Germany e.V.