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Krampfanfälle nach dem Tauchen bei Seegang

Nachdem ich vorgestern zum 2. Mal dieses Krampf-Erlebnis hatte, stelle ich diese Frage doch mal hier ins Forum, vielleicht hatte ja jd. schon ein ähnliches Erlebnis und weiß wie man das künftig vermeiden kann?
Also: grob lief es beide Male so ab: ich tauchte (beim ersten Mal in der Karibik unter guten Bedingungen, i.e. warmes Wasser, keine Strömung, max. 23 m), während des Tauchgangs alles OK. Bin auf einem `relativ kleinen` Boot (kein Fischerboot, aber auch kein Safariboot) es gibt mäßig-starken Wellengang, mir wird schlecht (beim ersten Mal in der Karibik habe ich den Tauchgang deshalb nicht mitgemacht, blieb beim Kapitän an Bord, d.h. zwischen dem nun folgenden und dem letzten TG lagen min. 3 hrs.). Ich sitze ruhig auf dem wackelnden Boot, halte mich fest. Dann geht das Kribbeln & Krampfen los: erst die Hände (kann sie dann nicht mehr gerade machen oder greifen... glaube das nennt man Pfötchenstellung), dann kribbelt & krampft es die Arme hoch, Oberschenkel, dann Gesicht und beim ersten Mal auch noch Zunge, so dass ich nicht mehr wirklich reden kann. Beides Mal hatte ich das Glück, erfahrene Taucher o. Mediziner (letzterer vermutete erst Epilepsie und ich konnte ja nix sagen) an Bord zu haben. Ich liege auf Boot/ dann an Land, atme Sauerstoff und nach 30-60 min. wird es wieder besser, was sich dadurch andeutet, dass ich meine Hände wieder gerade bekomme. Danach bleibt der Schock. Ansonsten bin ich eigentlich nie seekrank, hatte noch nie in meinem Leben Krampfanfälle, Bewußtlosigkeit o.ä., bin recht sportlich. Beim ersten Mal in der Karibik dachte ich natürlich an DCS, aber das konnte es nicht sein (nicht so tief gewesen, langsam aufgetaucht, nicht gefroren, kein StreßTG, 3 h Pause nach letztem TG), allerdings hatte ich vor dem Urlaub viel Streß und die Nächte davor wenig Schlaf & Flug. Jd. tippte auf Hyperventilation, was damals auch sein konnte (habe versucht `die Übelkeit runter zu schlucken` , u.U. dabei nicht regelmäßig geatmet. Ich hakte es damals als einmaliges Event ab und tauchte nach Pause vorsichtig (flach, sicher...) weiter... ca. 20 Tauchgänge später: Vorgestern das gleiche, allerdings andere Bedingungen: Mittelmeer, ich war direkt davor tauchen, auf 36m, aber während des TGs alles OK (vielleicht ein bißchen Streß durch anfänglich verlorene Bleitasche, das Wasser ist etwas kälter, aber ich friere nicht wirklich; bin sehr langsam hoch, Sicherheitsstopp gemacht, erster TG am Tag). Bin auf dem Boot mir wird schlecht (bis dahin ging es den anderen genauso) ...und dann: wieder Kribbeln und Krämpfe, dieses Mal noch zusätzlich übergeben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das keine DCS war, dazu gehen die Symptome danach zu schnell weg und es tritt wirklich nur bei Seegang auf. Lange Rede, kurzer Sinn: werde natürlich auch einen Arzt befragen, da ich aber ab Sa. eine Woche auf Tauchsafari gehe, will ich einfach alles darüber wissen, vor allem, wie ich diese Krämfe vermeiden kann. Weiß jemand Rat? Thnx, Anja
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23.06.2003 15:59
Hai,

wie hast Du vor diesen Vorfällen geatmet? Aufgeregt, verkrampft und hektisch?
Wie hoch war bei den TG davor Dein Luftverbrauch?
Hattest Du das Gefühl von Atemnot?

Kribbeln in den Fingern, Pfötchenstellung sind die klassischen Symptome für eine Hyperventilationstetanie, meist haben die Patienten dabei den Eindruck von akuter Atemnot, verbunden mit Erstickungsangst. Anders als bei einem epileptischen Anfall sind die Leute bei einer Hyperventilationstetanie ansprechbar.
Wenn das alles auf Dich zutrifft, geh zum Arzt und forsche mal in diese Richtung.


23.06.2003 16:23
Hallo Roger,
ja, ich dachte auch, dass es genau das war, aber ich hatte keinerlei (bewußte) Atemprobleme, war eigentlich recht ruhig (deshalb meine ausführliche Schilderung)...zu keinem Zeitpunkt Erstickungsangst... aber eben Übelkeit... saß vorher ruhig auf dem Boot und atmete ganz normal...OK, mein Luftverbrauch ist meist relativ hoch, aber das ist jetzt nicht aussergewöhnlich gewessen... Ansprechbar war ich auch. Danke schon mal für die Antwort, bestätigst also meine Vermutung...Anja
Peter B.SSI DIVECON
23.06.2003 17:09
Hi,

klingt auf anhieb nach ner Hyperventilationstetanie. Die gleichen Symptome hat man aber auch bei Kalziummangel aus organischer/metabolischer Ursache(bei der Hyperventilation ist die Ursache der Krämpfe ein relativer Kalziummangel durch pH-Wertverschiebung). Ebensogut könnte das Bild evtl. zu einer Jackson-Epilepsie o.ä. passen (evtl. ausgeläst durch die Atmung von hyperbarem Sauerstoff wärend des TG). Daß jemand bei einer Hyperventilationstetanie ansprechbar ist muß nicht sein, das habe ich häufiger anders erlebt.

Dann wäre noch ein offenes Foramen ovale zu diskutieren. Dann hätten wir es evtl. mit einer gekreuzten Embolie von Mikrogasblasen zu tun. Es ist halt auffällig, daß die Krämpfe nach dem Tauchgang auftreten. Dann wäre nämlich das ganze sehr wohl als DCS einzustufen. Zur Erklärung: ein offenes Foramen ovale ist ein angeborener "Herzfehler" bei dem beide herzvorhöfe in Verbindung stehen. Auf diesem Weg können Gasblasen beim Auftauchen vom venösen in das arterielle System gelangen und sonstwo (eben auch im Gehirn) stecken bleiben. Wenn das Ganze gering ausgeprägt ist verschwinden die Symptome nach gewisser Zeit. (einfach mal hier im Forum unter "Foramen ovale" oder "PFO" suchen)

cu
Peter B.
Peter B.SSI DIVECON
23.06.2003 17:09
PS:

Der weg zum Arzt wird dir wohl nicht erspart bleiben, um einfach eine organische Ursache auszuschließen (Stoffwechselstörung, Epilepsie...)

cu
Peter B.
23.06.2003 17:10
Hallo Anja!
Hört sich wirklich alles nach Hyperventilationstetanie an. Einfacher Tip! Nimm eine Plastiktüte mit an Bord. Einfach griffbereit haben das Ding. Wenn Du die ersten Symptome bemerkst, stülp Dir das Teil bzw. lasse es Dir über Nase und Mund stülpen und versuche einfach nur in diese Tüte ein und aus zu atmen. Wenn es dann die Hyperv..... ist, geht das Problem der Pfötchenstellung etc. erst gar nicht richtig los.
Ist echt kein Witz. Das funktioniert. Irgendwann mekst Du eine Besserung und atmest wieder normal. Ich habe damit echt die besten Erfahrungén gemacht, nicht bei mir, konnte es nur häufig schon bei anderen anwenden.
In diesem Sinne Gut Luft.
Ingo
Peter B.SSI DIVECON
23.06.2003 18:52
Zitat: "Hört sich wirklich alles nach Hyperventilationstetanie an. Einfacher Tip! Nimm eine Plastiktüte mit an Bord. Einfach griffbereit haben das Ding. Wenn Du die ersten Symptome bemerkst, stülp Dir das Teil bzw. lasse es Dir über Nase und Mund stülpen und versuche einfach nur in diese Tüte ein und aus zu atmen."

Das kann man zwar probieren, falls es wieder auftritt. Wenn`s hilft ist es gut, aber es hört sich eben meiner Meinung nicht klassisch wie eine Hyperventilationstetanie an .....

cu
Peter B.
23.06.2003 23:54
Erst mal herzlichen Dank für Euere konstruktiven Kommentare, das hilft schon mal weiter. Habe jetzt Mitte der Woche auch einen Termin bei einem GTÜM-Arzt bekommen, dann lass ich mich auch nochmals durchchecken. LG, Anja
24.06.2003 00:14
erzaehlst du uns dann bitte, was er gesagt hat? Danke!
Peter B.SSI DIVECON
24.06.2003 08:55
ja, wäre interessant, was er dazu meint. Frag` ihn mal nach dem offenen Foramen ovale!

cu
Peter B.
27.06.2003 19:03
Wie von Euch gebeten noch ganz schnell, was dabei raus gekommen ist: die Hyperventilationstetanie kann tatsächlich durch Übelkeit ausgelöst werden, und da sonst alles super OK ist... muß es das sein. Also nehme ich prophylaktisch homeopat. Mittel gg. Übelkt. und hoffe, so die Safari geniessen zu können,... für den Notfall werde ich eine Plastiktüte parat halten... Danke an Euch! Anja
Antwort