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Drehschwindel beim Tauchen ohne Referenzpunkte

Hallo

Ich habe nun schon beim Tauchen zweimal eine Art Drehschwindel erlebt. Gestern (beim zweiten Mal) wurde mir glaub ich auch im nachhinein die Ursache bewusst: sehr schlechte Sicht und keine Referenzpunkte ausser dem Buddy. Die Symptome sind, als ob Buddy und ich mich ständig umeinander im Kreis drehen würden. Es ist für mich dann nicht mehr möglich, eine klare Richtung zu behalten, deshalb fixiere ich meinen Blick noch stärker auf den Buddy, was in der Retrospektive glaub ich ein Fehler war. Sehe ich einen Referenzpunkt, ist es schlagartig vorbei. Das Ganze hat sicher nichts mit einem Tiefenrausch zu tun, denn ich bin mir trotz Schwindels meiner Handlungen vollkommen bewusst.

Fragen:
Kennt jemand diese Symptome?
Wie sind sie zu vermeiden? (Blick weg vom Buddy, etc.?)
Was tun, wenn der Schwindel einsetzt?

Danke!
Anne
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19.06.2003 10:25
Hallo Anne,

das Gefühl kenne ich. Ist mir auch schon 1-2 mal zum Anfang passiert. Es ist reine "Kopfsache". Ich habe mich darauf konzentriert meine horizontale Schwimmlage bewußt zu spüren, Atmung unter Kontrolle zu halten und mir nachdrücklich in das Bewußtsein gerufen, dass alles "normal" ist. Am Besten ist es, solche Tauchgänge noch genauer zu planen und sich ordentlich mit dem Kompass zu orientieren. Allein die Navigationsarbeit mit dem Kompass lenkt Dich ab und lässt solche Gefühle erst gar nicht aufkommen. Wichtig ist auch immer das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, die Zuverlässigkeit der Ausrüstung und natürlich das Vertrauen in den Buddy. Wenn das alles stimmt, sollte nix passieren können.

Gruss und Blubb!
>)))°>
19.06.2003 19:34
Diese Problem ist medizinisch bekannt unter dem Begriff " Vertigo" genauer gesagt "Ideopatischer Vertigo". Du findest sicher in der Fachliteratur mehr Auskünfte darüber.

But keep on diving
20.06.2003 09:52
Hallo Nautilus

Kannst Du das vielleicht etwas ausführen? Ich hab nämlich hier kein tauchmedizinisches Buch zur Hand. Bei einer Internetsuche habe ich unter "ideopatisch" nichts gefunden, nur unter "idiopathisch", Und "idiopathisch" bezeichnet laut meinem Lexikon einfach "eine Krankheit mit unbekannter Ursache".

Jedenfalls werd ich heut mittag tauchmedizinisch etwas stöbern gehen.

Anne
20.06.2003 11:31
Hallo Anne
sorry, Rechtschreibfehler
Ich habe momentan auch keine Literatur zur Verfügung aber versuche es doch mal mit dem Buch Tauchen noch sicherer Autor:EHM.
Oder Du kontaktierst Dr. Claus Martin Muth, er ist ein sehr bekannter Tauchmediziner und kennt sich wirklich aus.
21.06.2003 09:37
Hallo Anne,
ich hatte neulich eine Innenohr DCS und dabei ist wahrscheinlich ein Gleichgewichtsorgan geschädigt worden. Jeder Mensch besitzt davon zwei Stück um einen Fehler in einem davon ausgleichen zu können, jedoch ist die Umstellung nicht von Sekunden oder Minuten möglich sondern dauert im Normalfall ca. 2 Wochen. Was ich dir empfehlen kann ist, dass du zu einem HNO Arzt gehst und dort deine Gleichgewichtsorgane überprüfen lässt. Es wird dabei einmal warmes Wasser ins linke Ohr und dann ins rechte Ohr gespült, anschliessend das ganze mit kaltem Wasser. Dabei werden die Organe unterschielich gereizt und lösen dabei Schwindel aus. Sollt eines Deiner Gleichgewichtsorgange defekt sein, entsteht das Schwindelgefühl eben nicht. Die andere Ursache könnte sein, dass sich deine Nebenhölen verschliesen und dass beim Auftauchen die Luft in den Hohlräumen nicht entweichen kann und sich dann ausdehnt. Dabei drückt der Steigbügel (Ohrknöchelchen) auf die Flüssigkeit in deinem Innenohr und löst damit eine Reizung in deinem Gleichgewichtsorgan aus. Auch hier musst Du es von einem kompetenten HNO Arzt untersuchen lassen.
Gruss
Christoph
21.06.2003 19:05
hallo anne

ich kenne das auch und ich glaube das ist ganz normal:
du hast einfach keinen bezugsounkt, schlechte sicht und sehr viele schwebeteilchen vor dir. dadurch glaubst du einfach das du im kreis tauchst.
abhilfe schaft meist wie schon vorher beschrieben: mit dem kompass zu navigieren und mehr übung solcher verhältnisse.
an eine dcs oder krankheit glaub ich eher nicht, ich glaub eher an das es sich dabei um reine orientierungslosigkeit handelt und mann dadurch einfach schwindlig wird.
mir ist schon aufgefallen das mann dabei einzellne schwebeteilchen versucht zu fixieren um seine geschwindigkeit und richtung zu prüfen.
aber je öfters mann sich mit solchen situationen ausenandersetzt umso besser wird es.

cu
woitsch
AquapapstDivecon SSI
21.06.2003 20:25
Liebe Anne,

das habe ich auch schon erlebt. Bei mir war es, (mit 35 Tg.)als ich einen freien Abstieg (ohne Referenz in einem Stausee)gemacht habe, von dem ich wußte, dass er in einer Tiefe von 25m enden würde. Oh Mann war mir übel.....lach. Am besten den freien Abstieg vermeiden.

Heute bekomme ich bei einem freien Abstieg egal ob Meer oder See einfach nur mal den Druckausgleich nicht sofort hin.

Grüße vom Aquapapst
22.06.2003 15:40
Hallo,
es gibt auch die Möglichkeit sich einen Drehschwindel einzufangen, wenn man zu heftig (oder zuspät) einen Druckausgleich herstellt.
Die "schockwelle" die dann durchs Mittelohr läuft drückt ganz erheblich auf das ovale Fenster.
Die kann dann zu einer kurzzeitigen Störung der Gleichgewichtsorgane führen (u.U. auch zu langfristigen-schädigenden).
Also mal darauf achten ob der Drehschwindel direkt nach einem Druckausgleich stattfindet.
Gruß
Gunther
22.06.2003 20:55
Hallo Anne...

...das is nix dramatisches und mit DCS hat das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mal überhaupt nix zu tun....
Beim nächsten Mal, verschaffst du dir einen Referenzpunkt, indem du ausatmest und den Blasen hinterherschaust....dabei konzentrierst du dich darauf, daß dort, wo die Blasen hingehen OBEN ist und damit hast du dein Gleichgewichtsorgan wieder "geeicht".....Das hält eine Weile vor, wenn der Schwindel wieder beginnt, das ganze nochmal.....

HTH

Oliver
22.06.2003 22:08
Super Antworten, so macht das Lesen Spass!!!
23.06.2003 11:29
Ich habe das gleiche Problem, Drehschwindel, aber meist beim Auftauchen. Ich bin so frei und kopiere die Antwort von Dr. Klingmann aus www.tauchersprechstunde.de hinein, da ich diese Erklärung für den Druckdifferenzschwindel wie auch die gesamte Website sehr hilfreich fand. Nur ein Arzt kann wohl sagen, ob es sich bei Dir um genau das handelt, aber ich denke die Info ist für Dich und die Mitleser interessant. Jetzt Zitat:
Jeder dritte Taucher hat schon einmal einen Druckdifferenzschwindel erlebt. Aus einer von uns untersuchten Gruppe von Tauchern, mit durchschnittlich 650 Tauchgängen, hat aber nur jeder 20. Taucher schon einmal etwas von diesem Phänomen gehört!
Ursache:
Durch unterschiedliche Druckverhältnisse im Mittelohr kann es während des Auf- oder Abstiegs zu Drehschwindel kommen. Da eine Druckerhöhung über das runde und ovale Fenster auf das Innenohr übertragen wird und hierdurch das Gleichgewichtsorgan stimuliert wird, kann es bei einer seitendifferenten Reizung des Gleichgewichtsorgans zu Schwindelsymptomen kommen. Das Gehirn erhält unterschiedliche Signale von beiden Seiten, die zu einem Verarbeitungsproblem führen, worauf der Körper mit Schwindel reagiert. Bei der Seekrankheit handelt es sich um ein ähnliches Phänomen: unterschiedliche Signale des Gleichgewichtsorgans und der optischen Wahrnehmung führen zu einer Fehlinterpretation woraufhin Schwindel und Übelkeit entsteht.

Symptome:
Während des Aufstiegs (90%) oder Abstiegs (10%) bemerkt der Taucher plötzlich eintretenden Dreh- oder Schwankschwindel. Hinzu können Übelkeit und Brechreiz treten. Durch den Schwindel kann es zur Orientierungslosigkeit kommen, so dass im schlimmsten Fall ein Notaufstieg eingeleitet wird, der die Gefahr eines Dekompressionsunfalls birgt. Der Schwindel hält in der Regel zwischen 10 Sekunden und mehreren Minuten an (Durchschnitt 30 sec). Hält man sich konstant auf der Tiefe, läßt der Schwindel nach, sobald ausgeglichene Druckverhältnisse in beiden Ohren herrschen. Durch Tauchen in die Gegenrichtung (oder Druckausgleich, bei Druckdifferenzschwindel des Abtauchens) kann der Schwindel frühzeitig unterbrochen werden.

Nicht jeder Taucher muss Druckdifferenzschwindel erleben: nur ca. 30% der erfahrenen Taucher hatten schon einmal Druckdifferenzschwindel. Die Häufigkeit des Auftretens variiert sehr stark zwischen den betroffenen Tauchern. Manche Taucher hatten nur einmal ein solches Erlebnis, andere erleben jeden zweiten Tauchgang eine Schwindelepisode. Besonders häufig treten diese Symptome bei Tauchern mit Erkältung auf, da sie unter einer behinderten Tubenbelüftung leiden.

Therapie:
Es ist keine Therapie notwendig, da die Symptome von alleine verschwinden. Bleibt der Schwindel konstant, liegt eine andere Erkrankung vor, die HNO-ärztlich abgeklärt werden sollte. Hilfreich ist es in die Gegenrichtung zu tauchen oder sich auf einen Punkt zu konzentrieren (z.B. Ankerseil). Es ist selbstverständlich, dass man nicht mit einer Erkältung tauchen sollte, wenn man aber nun doch unter Wasser gelandet ist, muss man mit einem gehäuften Auftreten rechnen.

Untersuchungsmethoden:
An der Hals-Nasen-Ohren Universitätsklinik Heidelberg haben wir eine Untersuchung von 64 Tauchern durchgeführt, von denen ca. 30 % schon einmal einen Druckdifferenzschwindel erlebt haben. Eine Messung der Tubenfunktion erlaubte keine Vorhersage welcher Taucher an Druckdifferenzschwindel leidet. Eine Untersuchung des Gleichgewichtsorgans zeigte ebenfalls keine Unterschiede zwischen den Tauchern mit und ohne Druckdifferenzschwindel. Bisher sind also keine Untersuchungen bekannt, die es ermöglichen würden vorherzusagen welcher Taucher einen Druckdifferenzschwindel erleben wird. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass in der Ausbildung auf diese "Erkrankung" hingewiesen wird, damit gerade Anfänger nicht mit Panikreaktionen reagieren.
23.06.2003 13:52
Hallo Anne,

ich kenne das Gefühl sehr gut, da ich auch gerade dabei bin, den Umgang damit zu trainieren.
Dabei kenne ich bisher nur die Sicht des Navigierenden. Als Mittaucher würde ich mich am Buddy orientieren und dabei den Tiefenmesser im Auge behalten; zusätzlich ab und an mal die Himmelsrichtung grob abchecken.

Wenn ich navigiere hilft mir folgendes Vorgehen:
1. Vertrauen in die Schwimmlage meines Wing-Jackets: über mir ist Oben - unter mir ist Unten, solange ich Schub habe.
2. Fixierung auf Kompaß und Tiefenanzeige: Immer dem Kompasskurs hinterher und dabei die Tiefe in einer gewissen Toleranz halten. Bei der ganzen Aktion immer schön paddeln - nicht bummeln.
3. saubere Austarierung bevor ich die freie Strecke angehe: Dann brauche ich in der freien Strecke nicht mehr oder nur wenig nachtarieren.
4. nicht oder nur selten den Buddy "suchen" - Kompaß und Tiefenmesser fesseln Meinen Blick: Dabei muß dem Buddy klar sein, daß er sich darum zu kümmern hat, bei mir zu bleiben.

Seit ich mich an diese Regeln halte klappt es mit wachsender Erfahrung bei freien Strecken immer besser die Orientierungslosigkeit zu handhaben.
23.06.2003 14:10
Hallo Aquapapst,

beim freien Abstieg kann man auch "stabilisierende" Regeln beachten:

1. in horizontaler Lage (Fallschirmspringerlage) ruhig aber nicht zu langsam absinken lassen.
2. auf den Tiefenmesser achten und immer wieder nachtarieren, um nicht zu schnell zu sinken.
3. Immer wenn es geht den schön horizontal gehaltenen Kompaß im Auge behalten, um nicht ins Drehen oder das Gefühl des Drehens zu kommen.
4. Lampe schon vor dem Abstieg anschalten und einfach runterhängen lassen (zusätzliche Orientierung nach unten und gute Ausleuchtung des irgendwann erscheinenden Grundes)
5. Den ganzen Spaß nur mit Tauchpartnern veranstalten, die kontrolliert, zügig und sicher abtauchen können und in solchen Situationen souverän bleiben können.
26.06.2003 10:48
Vielen Dank an Euch alle!

Anne
Antwort