Herausgeber:
Institut für Hyperbar- und Tauchmedizin GmbH+Co. KG (Private Trägerschaft)
Oberer Eselsberg 45/1
89081 Ulm/Donau
Tel. 0731/53333
Fax 0731/552400
Ärztlicher Direktor:
Dr. med. Gerd W. Ewert, Arzt für Hals-Nasen-Ohrenkunde
Technischer Direktor: Reinhard Berger
Tieftauchen mit Pressluft Welches ist die sichere Tauchtiefe ?
In der kürzlich entflammten Diskussion um die sichere maximale Tauchtiefe mit Pressluft-Tauchgeräten zeichnet sich neuerdings unter Sporttauchern und leider auch in Veröffentlichungen in Tauchzeitschriften eine Tendenz ab, das tauchmedizinisch wohl begründete Tiefenlimit von 40-50m Wassertiefe zu verlassen und größeren Tauchtiefen das Wort zu reden.
Die dabei angeführten Argumente verraten entweder Unkenntnis der tauchbiophysikalischen Fakten und etablierten Forschungsergebnisse internationaler tauchmedizinischer Verbande und Marine-Institutionen, oder aber eine unvertretbare Risikobereitschaft, die ignorant, gefährlich und zudem unprofessionell ist.
Verheerend daran ist, dass oftmals ausgerechnet Tauchlehrer oder Basisleiter als sog. "Opinion-Leaders" in ihrer Vorbildfunktion durch den eigenen fahrlässigen Umgang mit dem Tiefenlimit bei ihren Schülern oder Sporttaucher-Klienten ein diesbezüglich mangelhaftes Problembewusstsein und gefährliche Risikobereitschaft aufkommen lassen oder fördern. Dieser Vorwurf an die Adresse von Tauchausbildern lässt sich mühelos erhärten, denn die Zahl der Tauchunfalle in Deutschland liegt bei jährlich ca. 200 bis 300. An unserem Institut für Hyperbar- und Tauchmedizin in Ulm werden jährlich ca. 30 Tauchunfälle behandelt. Von diesen sind ca. 70 Prozent als Tauchausbilder tätig. Ähnliche Erfahrungen werden auch in Ägypten oder auf den Malediven gemacht.
Die im Rahmen der Unfallbehandlung zu führenden taucherärztlichen Anamnese-Gespräche mit diesen Patienten lassen einen teilweise erschreckenden Mangel an medizinischem Grundwissen und Verantwortungsbewusstsein erkennen. Belegt wird dies auch durch die vorliegenden Computerausdrucke der durchgeführten Tauchprofile.
Wir nehmen das als Anlaß, Grundlagen aufzufrischen und einige kritische Anmerkungen zum Problem der Inertgas-Narkose (N2-Narkose, Tiefenrausch) zu machen.
Vorbemerkungen:
Der Stickstoffgehalt (N2) der Atemluft beträgt 79 Prozentvolumen oder, - als Bruchteil von 1 ausgedrückt: FiN2 = 0,79 (F=Fraktion). Wenn PB der Umgebungsdruck im Wasser und PN2 der Teildruck (P=Partialdruck) des Stickstoffs in der eingeatmeten Luft ist, so gilt der Zusammenhang
PN2 = FIN2 x PB, daraus folgt PB = PN2 geteilt durch FiN2
Eine nahezu hundert Jahre umfassende wissenschaftliche Forschung an Arbeiten von Druckluftbaustellen, Marinetauchern und anderen professionellen Tauchern hat zweifelsfrei ergeben, dass oberhalb eines Stickstoffpartialdruckes von 4 bar (PN2 = 4 bar) die ersten Anzeichen und Symptome einer N2-toxischen Wirkung auftreten. Setzt man diesen toxischen PN2 = 4 bar und die Konzentration FiN2 = 0,79 in obiger Gleichung ein, ergibt sich als zugehöriger Umgebungsdruck (PB = 4,0 geteilt durch 0,79) = 5 bar.
Nach Abzug des Luftdrucks an der Oberflache (1 bar) betragt der kritische Umgebungsdruck im Wasser 4 bar. Dies entspricht einer Wassertiefe von 40 m WT. Ab dieser Tiefe muss daher mit Symptomen einer Inertgas-Intoxikation (Tiefenrausch) gerechnet werden.
Unter pharmakologischen und toxikologischen Aspekten ist N2 wie ein beliebiges Medikament zu betrachten. Unterhalb einer bestimmten Dosis entfaltet es keinerlei bemerkenswerten Effekte. Oberhalb einer Grenzdosis jedoch wirkt es bei jedem Saugetierorganismus toxisch und meist tödlich. Dazwischen liegt ein Dosierbereich, in dem sich die typische Wirkung dosisabhängig zunehmend steigert. Dieser Bereich ist für N2 hochgradig variabel, und zwar bei ein und derselben Person selbst, wie auch zwischen den einzelnen Individuen. Hinzu kommen einerseits Faktoren, die eine Anfälligkeit (Disposition) gegen toxische N2-Effekte erhöhen, andererseits gibt es auch dispositionsmindernde Umstande.
Ablauf der Inertgas-Intoxikation:
Die Inertgas-Narkose-Effekte beginnen schleichend und harmlos mit einem Hochstimmungsgefühl (Euphorie), Kritikverlust, gefolgt von Beeinträchtigung der Hirnleistung, Aufmerksamkeit, Einschatzungsvermögen der Gefahren. Es folgen Müdigkeit und bei ca. 90 - 100 m WT eine Vollnarkose mit Tod durch Ertrinken.
Disponierende Faktoren sind Alkohol, Müdigkeit, Stress, körperliche Anstrengung (Sport am Strand wahrend einer Oberflächenpause vor geplantem weiteren Tauchgang) und erhöhter Kohlendioxid(CO2)-Partiladruck in Lunge und Blut (PA CO2). Weiter wirkt hoher Sauerstoffpartialdruck (PiO2) der Einatmungsluft disponierend. Eine Dispositionsminderung tritt ein, wenn an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen getaucht wird. Dies beruht auf einer Gewöhnung des Nervensystems an den toxischen N2-Effekt.
Hier soll besonders auf die Inertgasnarkose verstärkenden Effekt erhöhter CO2-Drucke in der Lunge hingewiesen werden. Der normale PCO2 der Lunge beträgt 35-45 Torr (=mmHg). Bereits bei Werten von 50 Torr beginnt CO2 toxisch zu wirken, und schon bei 60 Torr entsteht das Vollbild einer CO2-Vergiftung, bei 90 Torr tritt Vollnarkose ein. Der CO2-Druck der Lunge hat nun, - was offensichtlich zu wenig bekannt ist, - die Tendenz, schon bei geringstem Zurückbleiben der Lungenbelüftung (VA in Litern/Minute) hinter dem physiologischen Sollwert kritisch zu entgleisen, wobei eine CO2-Anhäufung (Retention) im Blut entsteht.
Eine solche CO2-Retention kann bei 15 Prozent aller Menschen durch angeborene Fehlsteuerung der Atmungsregulation eintreten (sog. CO2-Retainer), die bei gewöhnlichen ärztlichen Untersuchungen unentdeckt bleibt. In der Regel erfahrt daher ein Sporttaucher von einer solchen evtl. Gefahrdung nichts. Weiterhin steigt der CO2-Druck ausweislich systematischer Untersuchungen auch bei geübten professionellen Tauchern bereits bei moderater körperlicher Anstrengung unter Wasser in 50 Prozent aller Falle auf Werte um 50 Torr. Schließlich führt auch eine subjektiv unmerkliche Ermüdung der Atemmuskulatur bei Zunahme der Atemgasdichte mit der Tiefe zur insuffizienten Lungenbelüftung und somit zum PCO2-Anstieg in Lunge und Blut. In 50m WT herrscht ein Druck von 6 bar. Die Dichte der geatmeten Pressluft betragt dort das sechsfache der Oberflächendichte (Dichte von Luft (Oberflache) = 1,29 Kg/Quadratmeter). Die Lungenatmung, ausgedrückt in Liter Luft / Minute, nimmt auf den Wert 1 ab, das ist 41 Prozent der normalen Atmung der Oberflache.
Schlussfolgerung:
Es muss festgestellt werden, dass die Kohlendioxidanreicherung in der Lunge beim Tauchen ein äußerst häufiges Ereignis darstellt, das deswegen prekär ist, weil hierdurch die N2-Narkose-Effekte additiv verstärkt werden, und weil der Taucher die CO2-Retention beim Tauchen praktisch nicht bemerkt. Hierdurch besteht die Gefahr eines unbemerkten Hineingleitens in einen Bewusstseinsverlust unter Wasser.
Aus Tauchmedizinischer Sicht ist daher dringend davor zu warnen, Tauchtiefen von 40 m Wassertiefe mit Presslufttauchgeraten zu überschreiten.
Das im Einzelfall Tauchgänge nach 60 - 70 m WT vom Taucher als systemlos erlebt werden, erklärt sich zum einen aus der erwähnten Variabilität der Empfänglichkeit des Individuums für die N2-toxische Wirkung oder durch Adaption (Gewöhnung), oder aber der subjektive Eindruck der Systemlosigkeit ist bereits Symptom, nämlich Ausdruck nachlassender Hirnleistung und Kritik. In jedem Falle liegt es in der Verantwortlichkeit des einzelnen Tauchers für sich selbst, welchen Risiken er sich aussetzt. Aber die Risikolosigkeit, des Überschreitens des Tiefenlimits von 40m WT als Lehrmeinung unter Tauchern zu verbreiten, ist verantwortungslos.
Dr. med. Gerd Ewert
Ärztlicher Direktor
Dr. med. Thomas Zeller
Stv. ärztlicher Direktor
Reinhard Berger
Technischer Direktor