Tauchen ist ein schöner, aber auch ein gefährlicher Sport. Um Dir auch die Gefahren dieses Sports aufzuzeigen, gibt es die Tauchunfallseite, auf der aktuelle Tauchunfälle aus der ganzen Welt aufgezeigt werden.

Blue Hole Dahab -Historisch

Danke an Stan Peschel für seine Schilderungen von 1976. Ein Thema das damals aktuell war, es aber heute immer noch ist!

Blue Hole Panik (1976) Die Vorgeschichte jenes fast schicksalhaften Tauchganges begann am Abend zuvor, an einem Abend, den wir in der Oase Dahab an der Küste des Golfs von Eilat bei einer Flasche Bier friedvoll verbrachten. Wir: Otto, ein erfahrener Taucher aus München, die Ruhe in Person, Irmgard, die den Otto lieber als das Tauchen hat und deren weibliche Logik und Angst die Taucherfahrungen Ottos manchmal zu übertreffen schienen, und schließlich ich. In die gesegnete Ruhe des Abends donnerte plötzlich von irgendwoher ein Name, der uns alle aufhorchen ließ:
Blue Hole. Blue Hole, eine düstere, ovalförmige UW-Schlucht, die sich etwa 7 km nördlich von Dahab inmitten eines Saumriffes befindet, stand ab sofort im Brennpunkt des allgemeinen Interesses. Nicht ihre unerforschte Tiefe reizte uns, sondern ein einmaliges Naturereignis in Form eines Tunnels, der in 55 m Tiefe die Schlucht mit dem offenen Meer verbindet und bei günstigem Lichteinfall das einzigartige Erlebnis vermittelt, sich der Dunkelheit zu entziehen, der unendlichen türkisenen Bläue des offenen Meeres entgegen schwimmend. Die Lust, diesen Tauchgang zu unternehmen, wurde nur durch eine einzige Wolke am klaren Taucherhimmel getrübt, die in Zahlen ihre Form annahm – das Fassungsvermögen unserer 12-Liter-Flaschen. Man griff zu Papier und Bleistift und das theoretische Ergebnis forderte zu diesem Wagnis auf, dem eigenen Gefühl und den Bedenken Irmgards zum Trotz.Die folgende Nacht war keineswegs als eine ruhige zu bezeichnen. Der Tag brach an und man machte sich, von einer verdeckten Beklommenheit erfüllt, auf den Weg.Am Ort des Geschehens musste die schwergeprüfte Irmgard eine Belehrung über ihre Aufgaben bei einem eventuellen Unfall über sich ergehen lassen, und dann ging es nach kurzem Schnorcheln ab in die Tiefe. Wir gingen unter, einem fallenden Stein ähnlich, um die Eintauchzeit möglichst zu verkürzen, dem Tiefenmesser keine Beachtung schenkend. Dass er existierte, wurde mir erst bewusst, als unter uns ein pechschwarzer Abgrund unterhalb der 40 m Tiefe den Rachen aufsperrte und uns zu verschlingen drohte. Eine beinahe panische Angst trieb mich zu der einzigen Lösung des Konfliktes: Umkehren! Was für ein unsinniger Stolz ließ mich nicht diesen vernünftigen Entschluss verwirklichen? Ich riss mich zusammen, setzte den Abstieg fort, ständig nach dem angeblichen Licht des Tunnels Ausschau haltend. Man hatte das Gefühl, von totaler Finsternis wie von einem schwarzen Mantel umhüllt zu sein, der nur durch das Glimmern irgendwelcher Meeresbewohner hell bestickt war.Für einen Augenblick wurden wir von einem Schwarm riesiger Fische gestreift, die ihre Existenz nur durch schwache Silhouetten preisgaben, um so mehr aber mit ihren fluoreszierenden Flossen protzten, als wollten sie uns die Wahrhaftigkeit der Jules Verne Romane unserer Jugend beweisen. Sekunden später verschwanden sie wieder majestätisch in der Dunkelheit, möglicherweise still über die Nichtigkeit zweier Würmer in ihrem Element lächelnd. Plötzlich sehe ich mich außerstande, mich auf mein Vorhaben zu konzentrieren. Das mich umgebende Wasser gerät in Vergessenheit – einer helle Wiese im Sonnenschein Platz machend, die Pressluft bekommt den Geschmack von Pudding aus der Küche meiner Mutter. Wie schön ist es, zu leben. Ich nähere mich Otto, um ihm meine Gefühle mitzuteilen – da streift mein Blick den Tiefenmesser. Im selben Augenblick entfacht der letzte Funke des Verstandes ein Feuer. Ein Schock durchfährt mich. Das Hirn sträubt sich, den Augen zu trauen. Die Nadel des Tiefenmessers lehnt sich hart gegen die Endmarkierung an. Über 80 m!
Gedanken schießen durch den Kopf. 84 m – Sauerstoffvergiftung – Tod! Ich will nicht!Das Herz beginnt rasend zu schlagen, ein einziger Gedanke ergreift mich – hoch; dorthin, wo die Sonne scheint und wo man sich nicht zu fürchten braucht. Die Beine fangen an, fieberhaft zu arbeiten. Im selben Augenblick scheint Otto den Ernst der Lage begriffen zu haben, er kämpft sich ebenfalls mit aller Kraft nach oben vor.Die Felsenwand scheint zu stehen, sämtliche Anstrengungen zunichte machend. Wenn ich könnte, würde ich schreien. So tragen die Luftblasen nur ein jämmerliches Winseln zur Oberfläche empor.Ein Gefühl totaler Einsamkeit und Nichtigkeit scheint mich zu erdrücken – auf einmal bin ich bereit, vor Gott auf die Knie zu gehen, gegen Sonne und Leben.Gibt es ihn überhaupt? Und was bewegt einen Atheisten, in der Verzweiflung eines Verlorenen, an ihn zu denken? Wo bleibt die scheinbare Souveränität und Autonomie mit einem Fuß auf der Schwelle? Wo bleiben Ideologien, das Vaterland, die Familie, alles Dinge, die uns zur Religion aufgezwungen werden und die trotzdem in solchen Momenten von keinem Belang sind? Doch dies ist nicht der Ort, all diese Fragen zu klären. Hilfesuchend greife ich nach Ottos Arm und spüre dabei das Kommen einer neuen Dämmerung, die mich wie ein sanfter Nebel umhüllt.. Die bisher scharfen Konturen meines räumlichen Befindens und meiner Gefühle verschwimmen – die Gestalt von Halluzinationen annehmend. Das erhabene Gefühl, an einen Ballon gebunden zu sein, durch die Lüfte schwebend, von Musik begleitet – wechselt mit Augenblicken beängstigender Atemnot, wobei ich mich außerstande sehe, meinen sich scheinbar kontrahierenden Thorax mit Luft zu füllen. Ein dumpfer Knall erschallt, das Wasser verwandelt sich in ein mit Sekt gefülltes Glas – inmitten der Blasen schweben wir.Aus der Blasenwand taucht plötzlich mit einer Breitlandwanddeutlichkeit das Wort Fenzy auf – ich höre ein Lachen und das allmählich abklingende Echo eines Rufes: Fenzy, Fenzy ...Ich fühle mich „high“, die Blicke der Augen kreuzen sich, die Lider drohen zuzufallen. Nein, das darf nicht passieren! Allmählich beginnt sich die Dunkelheit zu erhellen und ich bin nur im Stande, es zu registrieren ohne entsprechende Assoziationen aus dieser Erkenntnis zu folgern. Aus der Ewigkeit dieses Zustandes erwache ich erst auf den sanften Wogen des Blue Hole, neben mir das blasse Gesicht von Otto.Benommen schwimme ich zum Ufer und erst nach einer Weile kann ich die aufgeregten Worte Irmgard´s dechiffrieren: Was ist los? Warum seid ihr schon nach 6 Minuten hochgegangen? Warum wohl?
P.S. Nachträglich habe ich erfahren, daß das Blue Hole 105 m tief ist. Am tiefsten Punkt des Tauchganges war ich etwa 2 m über Grund. Bis heute (2003) sind mehr als 70 Taucher dort ums Leben gekommen. Auch ich wäre dort geblieben, hätte ich nicht zufällig Otto gehalten, als er die
Rettungsweste aufblies. Es war ihm überhaupt nicht bewußt, daß ich bei ihm war. Ich selbst hatte keine Rettungsweste.
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