asserleiche (Aquatinctor Ptrs.) - Familie: Pseudodelphinidae
Verbreitung: in allen zivilisierten Ländern Größe: bis etwa 60 cm Länge, Farbe: farblos
Die Wasserleiche gehört trotz ihres fischähnlichen Aussehens zu den Säugern. Leider hat sie sich bisher unter den Menschen kaum Freunde gemacht. Dabei hat auch dieses fleißige Tier Anspruch auf unser Interesse, ist erst einmal geklärt, warum der Aquatinctor seiner von der menschlichen Gesellschaft ungern gelittenen Betätigung nachgeht. Dann wird man über den Einfallsreichtum der Natur staunen und mit dem Dichter die bewundernden Worte sprechen: »Nicht alles dienet uns auf gleiche Weise!« Die Wasserleiche ist von äußerst schlanker, wenn auch ziemlich weitläufiger Gestalt und nahezu durchsichtig. Da ihr Inneres so gut wie farblos genannt werden muß, kommt es immer wieder vor, daß die Tiere nicht gesehen werden, obwohl sie zweifellos vorhanden sind. Ihr Aufenthaltsort ist, wie schon der Name sagt, das Wasser, vorzüglich aber enge Kanäle, Brunnen und Röhren. Hier fühlt sich die Wasserleiche wohl, paßt sich ihre wendige Gestalt doch vortrefflich solchen Örtlichkeiten an. So nimmt es nicht wunder, daß sich das Tier besonders gern in Abflußrohren von Waschbecken oder Badewannen ansiedelt. Hier findet es die bevorzugte Nahrung: Meine Schmutzteilchen, Textilfasern, Haare und dergleichen. Eifrig vertilgt die Wasserleiche diese vom Menschen ungern gesehenen Abfälle, aus denen sie die notwendigen Aufbaustoffe gewinnt. Freilich kommt es solcherart zu den für die Menschen unliebsamen Erscheinungen. Vergrößert die Leiche nämlich durch die andauernde Nahrungsaufnahme ihren Leibesumfang, so verstopft sie endlich den Wasserabfluß. Wie oft kommt es vor, daß nach dem sonntäglichen Bad, das die Familie in froher Laune vereinte, das Wasser nicht mehr abfließen will. Trotz sofort angewandter Saugglocke (Campanula suconis Schrimpf.) kommt aber kein stopfender Gegenstand zum Vorschein. Da ist es die für den Menschen nicht wahrnehmbare Wasserleiche, die dem Naß den Abfluß verwehrt. Mit ihren Saugnäpfchen, deren sie längs ihres Leibes zahllose besitzt, hält sie sich an den Rohrwänden fest und weiß nicht, daß sie zum Ärgernis friedlicher Menschen geworden ist. Würde aber der homo sapiens doch endlich erkennen, wie sehr ihm die Natur hier entgegenkommt! Denn ohne die emsige Nahrungsaufnahme der Wasserleiche könnten Abfälle ungehindert die Abflußrohre verstopfen. Traurig zu nennen ist endlich das Schicksal der Tiere, wenn sie zur Vermehrung schreiten. Nach mühevollem Begattungsvorgang, nach wenig beneidenswerter Trächtigkeit und schmerzlichem Gebären, das oft von leisem Wimmern der tapferen Tiere begleitet wird (wer kennt nicht die merkwürdigen Geräusche, die aus Abflußrohren dringen?), säugt das Muttertier seine meist in die Hunderte gehende Nachkommenschaft. Auch dazu dienen die bereits erwähnten Saugnäpfchen. Die kleinen Wasserleichen, die gleich nach der Geburt eine erstaunliche Aktivität entwickeln, saugen ihre Mutter buchstäblich leer. Dabei wachsen sie in unbeschreiblicher Schnelligkeit, während das alte Tier immer dünner und fadenscheiniger wird. Endlich bleibt nur mehr seine inhaltsentleerte Hülle vorhanden, die, befreit von den selbständigen Jungtieren, rasch mit dem Wasser abfließt. In Kanälen, Flüssen und Abwässern kann man die zarten Gebilde, deren ehemalige Funktion sich kaum mehr erkennen läßt, dahintreiben sehen. Gar mancher, der auf einer Brücke stehend sinnend ins ewig fließende Naß blickt, mag sich schon gefragt haben, welches düstere, niemals beschriebene Schicksal eben unter ihm vorüberzog. - (kv)
Quelle: http://www.physiologus.de/wasserl.htm
man staunt doch immer wieder ...
Helmut