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akute Probleme mit Stickstoffnarkose

Liebe Tauchsportfreunde,
ich kam bei TG in heimischen Süßgewässern bereits mehrfach in Schwierigkeiten. Z.B. im Bodensee bekomme ich ab 26-28 m den typischen Röhrenblick, das Denken und ablesen des Computers wird schwerfälliger usw. Alles soweit noch ok, doch kommt ein winziger Störfaktor hinzu, wie jüngst passiert, dass der Computer ausfällt, oder ein andermal der Bleigurt verrutscht, dann kommt eine Kaskade in Gang: die Herzfrequenz steigt, der Hals schnürt sich zu und ein sinnvolles Handeln wird unmöglich. Lächerlich einfache Dinge, wie dem Buddy bescheid geben und um Aufstieg bitten gehen nicht mehr. Auch Selbstberuhigung wie "Die Luft reicht 10 mal zum aufsteigen", oder "ich habe Erfahrung und kann gut tauchen" nutzen dann nichts mehr, ich komme kognitiv nicht mehr dagegen an und verharre festgekrallt an einem Stein oder an der Wand usw. bis der Buddy das merkt und sich meiner annimmt und mich hochbringt.
Diese heftige Gefühle habe trotz gefährlichster Situationen niemals auch nur annähernd an Land gemacht. Meine Reaktionen sind mir unerklärlich, da sie ja letztlich absolut unbegründet sind.
Ich habe bisher versucht, dieser Problematik nach Lehrbuch Herr zu werden: Fitnesstraining, Stressreduzierung, Nitrox usw. usw. Bisher ohne Erfolg.
Ich möchte nun herausfinden, ob es körperliche/medizinische Ursachen sein könnten oder nur/überwiegend psychische. Oder ist es die Umgebung? Mit 2-5 Grad sind unsere Gewässer sehr kalt und dunkel. Es kann auch eine Mischung sein.
Beim ersten mal mit Problemen wurde ich von der Angst bzw. Narkose überrascht. Ich war mit Lampe schwer im Bodensee unterwegs, als meine Jacketnaht riss und ich in den Schlamm krachte. Ich wusste nicht was war und drückte lange den Inflator, dadurch hat meine 1. Stufe zu spinnen begonnen. Dann verlor ich sogar das Bewusstsein (Filmriss) drehte mich wohl unkontrolliert auf den Rücken und stieg mit der restlichen Luftblase am Bauch nach oben, wo ich dann wieder zu mir kam.
Die Psyche mitsamt erschüttertem Vertrauen in die technik kann bei den letzten TG also auch eine Rolle gespielt haben.
Ich bin jetzt nicht sicher, ob meine Frage hierher passt. Bin aber froh über jeden Lösungsvorschlag und Hinweis. Zur Zeit tauche ich nur sehr flach, dies aber ohne Probleme. Ich will auch nicht meine Buddies belasten, die dann immer den Ärger und die Sorgen haben.
Mein Ziel ist es nicht, Tec-Tauchgänge zu machen, sondern ausschließlich die Bereiche des Sporttauchens bis 39 m sicher zu beherrschen. Danke an jeden, der mir Tipps aus dieser "tiefen" Krise heraushilft. Danke auch ans Forum, echt klasse!





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21.05.2005 22:14
Hi Whegone,

ich vermute nach deiner Beschreibung eine Kombination aus Psyche und N2 Narkose, verstärkt natürlich durch die äußeren Bedingungen wie kalt und dunkel.
Weiter bin ich mir sehr sicher dass dein geschildertes Erlebnis ein Auslöser deiner Ängste und Sorgen ist, die natürlich unter stärkerem N2 Einfluss auch verstärkt werden (können).
Beim letzten Punkt spreche ich aus leidvoller eigener Erfahrung, denn zu Beginn meines „Taucherlebens“ hatte ich in dummes Erlebnis das fast in einen Unfall mündete – incl. komplettem Kontrollverlust, Panik und panischem Aufstieg.
In unserer Redaktionsausgabe 7 – Artikel Stress und Bewältigung (http://www.taucher.net/redaktion/7/Stress_und_seine_Bewaeltigung_3.html ) kannst du einiges zum Thema Psyche, Stress, etc. lesen – sowie mein Erlebnis das als kurzes Beispiel angeführt ist.
Ich habe mehr als 1 Jahr gebraucht um wieder ohne Probleme tauchen zu können, dabei spielten Tiefe und Dunkelheit die größte Rolle. Ich habe mich sehr langsam wieder vorgetastet, ähnlich wie du auch. Damit habe ich mir die „Sicherheit“ wieder ins Gehirn geimpft und konnte in weiterer Folge wieder Angstfrei tauchen. Trotz der mittlerweile 15 Jahre die hier vergangen sind, kommt dieses Gefühl dann und wann hoch. Heute ist es aber ein reines Warnsignal für mich – ein Signal dass etwas nicht stimmt mit mir – und daher sinnvoll ( im Großteil der Fälle tritt dieses „Gefühl“ heute bei Tauchgängen mit vorherigem Schlafmangel oder bei zu starker Auskühlung, auf)

Im Endeffekt kann ich dir nur raten es wirklich langsam angehen zu lassen und die flachen Tauchgänge zu genießen – das hilft bei der Gewinnung der eigenen Sicherheit. Ein weiterer Punkt ist der Stickstoff, manche Menschen reagieren heftiger auf die narkotische Wirkung als andere. Du könntest zu diesem Personenkreis gehören. Falls ja, ist auch Nitrox nicht wirklich hilfreich, denn Sauerstoff hat (oder nehmen wir es zur Sicherheit an) auch narkotisches Potential.
Hier würde der Umstieg auf Trimix helfen (oder zumindest die Symptome lindern). Mit einem 21/35 (also 21% Sauerstoff - 35% Helium – Rest Stickstoff) bist du bei deinen Tauchgängen gut dabei. Ich bin mir sicher dass es helfen wird. Falls du die Möglichkeit hast, wende dich doch mal an Tekkis um einen Probetauchgang mit 21/35 zu machen – oder wenn du mal im Starnberger oder Walchensee unterwegs bist können wir das gerne gemeinsam machen.
Abschließend: schau dass du immer gut isoliert bist, Kälte ist ein stärkerer Auslöser für (auch psychische) Probleme als mancher denken mag.

Viele Grüsse
Herbert
22.05.2005 07:53
Hallo Whegone

ich denke auch, dass es eine Kombination aus verschiedenen Einflüssen ist. Vielleicht solltest du mal das eine oder andere ausschalten um heraus zu finden, welcher Faktor dich am meisten beeinflusst; z.B. Dunkelheit und Kälte indem du einige TGs im Meer versuchst. Das könnte dir auch wieder einige Sicherheit zurück geben um das andere besser zu bewältigen, um nicht in die Schleife "Angst vor der Angst" zu kommen.

zum Vorschlag von Herbert - vielleicht reicht ja auch schon Nitrox?

gruß
22.05.2005 10:07
Hi Whegone
ich gehe davon aus das du sicher nicht der einzige bist. Denke das viele Leute schon so oder so ähnlich empfunden haben, in kalten und finsteren Tiefen.
Es ist vermutlich ein menschliches Urempfinden sich in kalten Nächten draussen zu fürchten und Unwohlsein zu empfinden. Im Wasser unter Druck werden diese Gefühle stark verstärkt. Habe ganz ähnliche Erlebnisse mit meinen Buddy erlebt. Bei uns hat dann auch die Ausrüstung (Automat) versagt. Musste den armen Kerl dann mit zweiten Automaten langsam an der Wand nach oben ziehen. Endlich auf 10 Metern angekommen ist er wieder zu sich gekommen und hat normal reagiert. Man hört immer das Stickstoff lustig machen soll, kann nur sagen das Gegenteil kann auch eintreten bis hin zur völligen Unbeweglichkeit.
Solche Erlebnisse lassen sich sicher nicht einfach abstreifen, das beste denke ich ist sich wieder an die Tiefe heranzutasten im warmen klaren Meer und auf seine innere Stimme zu hören und mit einen verständnisvollen Buddy zu tauchen.
Habe auch meine Ausrüstung umgestellt, größeres Jacket um notfalls meinen Buddy besser halten zukönnen, und die Automaten werden vorher einen Stresstest mit erhöhten AMV unterzogen. Manche Sporttaucherausrüstungen sind diesen Belastungen im Ernstfall nicht gewachsen und stellen dann ein zusätzliches Problem dar.
Um ein wirklicher erfahrener Taucher zu werden muss man wohl auch solche Erfahrungen machen, sonst kann man die möglichen Gefahren im Wasser nicht einschätzen.

Grüße
K3
22.05.2005 11:47
@Whegone
Ich habe solche Probleme auch gehabt.Besonders am gleichem Tauchplatz.Tunnelblick schon bei ca. 20m löste bei mir eine gewisse Angst aus.Der letzte
TG dort war (bei 28 m) kurz vor der Panik.
Eine Druckkammerfahrt auf simulierte 52m ergab
komischer Weise keine Anzeichen einer Stickstoffnarkose.
Ein wärmerer Trocki wird beim nächsten TG mir mehr Gewissheit bringen ob es an der Kälte liegt.
Ich glaube jedoch,daß es nur eine Kopfsache ist.
Eine Druckkammerfahrt sollte dir aber helfen herrauszufinden ob es am Stickstoff liegt.
Immer gut Luft Olli
23.05.2005 23:46
hier ein link, ich hoffe es ist dir hilfreich:

http://www.ortelius.de/tauchen_angst/
24.05.2005 10:52
Vielen Dank für die Antworten!!
@ NEFler: Du hast Recht, was den Faktor Kälte angeht: In Asien, im 30 Grad warmen Meer, hatte ich diese Problememe fast gar nicht. Ich bemerkte bei 30 m den Röhrenblick, was ein etwas mulmiges Gefühl auslöste, wohl wegen der Angst vor der Angst. Ein ideechen flacher und alles war bestens.
Dunkelheit macht dagegen weniger aus. Letzte Woche war ich zum Nachttauchgang im Bodensee so auf 10 - 15 m, war echt toll. Aber kombiniert mit einem Tieftauchgang hätte ich das sicher nicht gepackt.
@ Olli31: Eine Druckkamerfahrt auf 60 m habe ich schon gemacht. Wir hatten dabei viel Spass und waren wie besoffen. Ich bemerkte nur, dass ich nicht mehr rechnen konnte und das Zeitgefühl komplett verloren ging. Kann sein, dass das im Wasser andere Gefühle hervorbringt.
@3410: Danke für den Link! Wirklich sehr aufschlussreich!
Nochmals euch allen vielen Dank für die Antworten!! Toll, dass Ihr über so etwas redet!
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