MS Witte Bank (Dive Safari) (Inaktiv)

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Die Insel Santiago mit seiner wuselnden Hauptstad ...

Die Insel Santiago mit seiner wuselnden Hauptstadt Praia, ist das Zentrum der noch jungen Kapverdischen Republik. Die geschichtsträchtige Insel, einst Zentrum des portugiesischen Sklavenhandels, bietet neben seiner farbenfrohen Metropole die, manchmal bizarr anmutende Schönheit einer erst in später Erdgeschichte ausgespieenen Vulkaninsel. Hoch aufragende Klippen stürzen senkrecht ins Meer, nur zartes Grün auf der braunen Erde zeugt vom Kampf des Lebens gegen die fast ganzjährige Trockenheit.
Matthias Niemann hat mit seinem Schiff Witte Bank hier vor 2 Jahren begonnen wöchentliche Tauchsafaris entlang der Westküste zu veranstalten. Umsorgt von seiner 3-köpfigen Crew können bis zu 10 Gäste erholsame Tage fernab vom Massentourismus und eine noch unberührte Unterwasserwelt erleben.

Die Reise beginnt im Hafen von Praia. Wir sind 6 Tauchclubmitglieder, die 4 weiteren Gäste lernen wir an Bord kennen.. Der Atlantik zeigt sich von seiner gemächlichen Seite. Unter dem Wind, wie man sagt, gibt er sich an der Oberfläche meist sanft und lockt mit sattem Blau. Unter der Oberfläche zeigt sich sofort, dass sein Charakter durch die hochaufragende Vulkaninsel nur gebremst, nicht verloren, ist. Schlagartig einsetzende Tidenströmungen, Temperaturstürze und eine bisweilen heftige Dünung erinnern ständig daran, dass dies der Atlantik ist. Manchem von der tropischen Korallenwelt verwöhntem Taucher mag das Leben an den oberflächlich betrachteten Steilwänden karg vorkommen, aber dem ist nicht so. Bei weitem nicht. Unzähliges Leben birgt der Ozean, die kleine farbenprächtige und formenreiche Nacktschnecke, der uniforme Schwarmfisch, fast unsichtbare Räuber, dann wieder farbenfrohe Papageien. Krebse, Muränen, viele Igel- und noch mehr prächtige Feilenfische, fast vergisst man einen Blick auf die sanft ihre Tentakel schwingenden Anemonen zu werfen.

Doch all dem unterworfen ist der ständige Blick nach oben, nach draußen, der Suche, der Erwartung, dem Traum. Kommt einer der Giganten? – und dann sind sie da. Majestätisch schwingen sie ihre Flügel, nebelhaft aus dem nährstoffreichen Meer auftauchend nehmen sie Gestalt an, ungläubig zählen wir, sind uns, nachdem wir sie minutenlang beobachtet haben, nach dem Tauchgang nicht einmal einig, wie viele es genau waren. Neun Mantas, das Video zeigt es, nebeneinander aufgereiht würde eine Turnhalle nicht für sie reichen, ziehen in lockerer Formation mehrmals ihre Kreise vor uns. Eine Anmut, wie sie nur wenige Lebewesen inne haben, liegt in ihren Bewegungen, scheinbar mühelos segeln sie gegen die Strömung und kehren kurz darauf mit ihr, aber immer noch im gleichen Tempo, zurück. Im Moment der Betrachtung gefangen, realisiert man viele Details gar nicht, sie kommen erst später, wenn man sich das Erlebte ins Gedächtnis zurückruft. Viel zu schnell ist es vorbei, doch das Herz lacht, wenn man auftaucht und schon von weitem wird dem Kapitän bei der Rückkehr zum Schiff freudig gewunken. Nicht nur einmal sondern in 12 Tauchgängen hatten wir Begegnungen mit einem oder mehreren Mantas. Und damit noch lange nicht genug..

Der Insel weit vorgelagert liegt das „Plato“, eine zur Insel flach ablaufende Steilwand. Eindringliche Ermahnungen des Tauchguides Jonas und des Käptn’s bezüglich des Gruppenverhaltens und die streng vorgegebene Tauchgangsführung lassen schon im Vorfeld Spannung aufkommen. Unter Wasser ändert sich daran nichts, wir sind hier um eine Schule Hammerhaie zu treffen. Jeder möchte sie gerne sehen, aber ob auch nur einer unter ihnen ist, der nicht, wie ich, auch gemischte Gefühle vor dieser möglichen Begegnung hat? Das reichliche Plankton verfärbt den Ozean grünlich und lässt nur eine bescheidene Sichtweite zu. Das ständige Beobachten hinein in die nebulöse Unendlichkeit fordert die Augen aufs härteste, nicht wenige zucken zusammen, als der Wunsch sich zu Fata Morgana verdichtet. Eine gute halbe Stunde tauchen wir an der unbeachteten Steilwand entlang, erste Gedanken kommen auf, dass es hier und heute wohl nichts wird. Als die Steilwand endet, warten wir. Es ist noch Luft in den Flaschen und für das Mittagessen ist es auch noch zu früh. Da kommen sie! Als sich ihre Konturen aus dem Nichts formen, stellt man erschrocken fest, dass sie sehr nah sind. Zählen ist in dem begrenzten Raum, der überschaubar ist, nicht möglich, sie schwimmen Kreise um uns und sie sind sehr viele. Die kleineren etwa 2m langen Haie schwimmen quirlig im Strom der Körper durcheinander, majestätisch ziehen bis zu 4 Meter lange Exemplare vorbei. In den Begegnungen merkt man, dass sie uns keinen Moment aus den Augen lassen, was übrigens auf Gegenseitigkeit beruht. Schon muss der Tauchgang enden, die ersten zeigen das Erreichen der Luftreserve an. Es heißt Abschied nehmen von den eleganten Räubern, ihre stromlinienförmigen Körper kreisen nach wie vor, eskortieren uns bis knapp unter die Oberfläche. Das Gefühl, auf das Boot wartend, an der Oberfläche zu schwimmen, während man unter sich zahlreiche Haie weiß, ist ein anderes als sonst...

Zurück an Bord ist die Stimmung wieder einmal ausgelassen, eine tolle Begegnung. Man kann das nicht mehr toppen...oder?

Der Spot „Theaterplatz“ liegt an der Südspitze der weit ausladenden Affenbucht. Wer hier tauchen möchte, muss mit der Witte Bank kommen, andere Möglichkeiten gibt es nicht. Über hundert Meter hoch ragen die Felsen hier aus dem Meer auf, das Boot ankert windgeschützt nahe der Küste. Das Briefing wird eher verschmitzt durchgeführt, Andeutungen ersetzen Möglichkeiten. Die Qualität der Tauchplätze und Begegnungen hat uns zu einer zufriedenen Gruppe zusammengeschweißt, Kapitän und Crew empfinden uns bestimmt als sehr pflegeleicht. Die wenigen Schritte mit der Ausrüstung, das Ein- und Aussteigen aus dem Beiboot, alles bereits Routine. Der Theaterplatz gehört nicht zu den Orten, an denen man seinen Partnern Nacktschnecken, obwohl vorhanden, zeigt. Der Blick richtet sich ins Blaue, der eine oder andere Fisch, der in keiner Bratpfanne Platz hat, wurde hier schon gesehen. Zwei Thunfische, über einen Meter lang, beglotzen uns beim Vorbeischwimmen teilnahmslos. Als ihre Silhouetten sich silbrig im Blau auflösen, kommt ein Manta vorbei. Wir beobachten, wie er sich gierig Plankton ins Maul schaufelt, er uns gar nicht. Die Zeit vergeht viel zu schnell, obwohl nur 24 Meter tief, nähert sich bereits die Dekompressionspflicht, das Zeichen zum Aufbruch aus der Tiefe.

Dann kommt der Augenblick, der für mich, vielleicht auch für die anderen der Tauchgruppe, wahrscheinlich den Höhepunkt meines Taucherlebens markiert. Im ersten Augenblick denke ich, es ist ein sehr großer Manta, er schwimmt direkt in meiner Höhe auf mich zu. Dann das Erkennen, booaah! Man kann das kaum mit Worten wiedergeben, wie viele Gedanken man gleichzeitig verarbeitet, wenn sich ein lange gehegter Traum erfüllt. Ich halte eine Videokamera in meinen Händen, also werfe ich das Ding an und beginne ihn zu filmen. Er schwebt direkt über mir, er ist unten weiß, eher schmutzig als strahlend, er dreht um. Die Schwanzflosse ist gigantisch und die Schiffshalter, die daran hängen sind wohl mehr als ein Dutzend. Er kommt wieder, mein Tauchcomputer piept wie verrückt, mir egal, ich muss ihn auch von der Seite, von oben, von vorne, von hinten, sein Maul, seine Kiemen, die Augen, filmen, hoffentlich hat er soviel Zeit. Das Jagdfieber hat mich gepackt, Aufnahme um Aufnahme erfolgt - da klammert sich plötzlich ein Taucher an ihn. Noch einer, ich filme sie, ich mache das aber nicht mit, ich lehne das ab, man fasst Fische nicht an. Schon hänge ich auch dran. Der Sucher zeigt nur noch weißgeflecktes Anthrazit. Ich schalte aus, muss ihn streicheln. Es ist unbeschreiblich. Von vorne nach hinten fährt die Hand über seine Haut, die sich wie ein mit dem kostbarsten und weichsten Samt der Welt überzogener schwerer Eichentisch anfühlt, beim Strich zurück glaubt man Schleifpapier mit Körnung 60 zu streicheln. Der Tauchgang müsste schon lange zu Ende sein, unsere Zeit hier unten ist wieder mal abgelaufen, nur die Tatsache, dass sich unsere Begegnung nur in wenigen Metern Tiefe abgespielt hat, erlaubte uns, bis an die Grenzen unserer Luftvorräte zu gehen. Einige haben auch diese schon überschritten und sind bereits an der Oberfläche. Eine letzte Aufnahme wie der Walhai, es hängen immer noch drei Taucher dran, in der Ferne entschwindet. Booah! Nachdem ich aufgetaucht bin, schreie ich meinen Jubel hinaus und bin damit nicht der einzige. Nachdem wir zurück auf der Witte Bank sind, wird der Kühlschrank geplündert, nach der Zeit des schweigenden Erlebens unter Wasser müssen wir uns austauschen, jeder hat etwas hinzuzufügen. Wer taucht, kann sich vorstellen, wie viele Biere zehn Leute brauchen, bis alleine die Größe bestimmt ist...

Der Bericht ist jetzt, glaube ich, lange genug. Was soll ich mich nach diesen Erlebnissen noch über banale Dinge wie Unterbringung, Anreiseproblemen oder sonstigen Kleinigkeiten auslassen, obwohl ich noch anfügen muss, dass Matthias und seine Crew aus meiner Sicht absolute Spitzenklasse waren. Wir sind nach Santiago gekommen, um dort zu tauchen, ein Stückchen von der Magie der Unterwasserwelt zu erfahren. Von diesem Zauber erhielten wir mehr als nur eine Dosis. Wenn es in meiner Macht steht, dann werde ich auf jeden Fall dorthin zurückkehren. Obwohl ich weiß, dass ich beim nächsten Mal dieses Glück wahrscheinlich nicht mehr haben darf, kann mich das davon nicht abhalten.