Ozeanversauerung: Marine Baumeisterin verliert Stabilität

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16.02.2016 07:48
Kategorie: News

Koralline Rotalge bildet bei erhöhtem Kohlendioxid-Gehalt empfindlichere Zellen

Koralline Rotalgen zählen zu den bedeutendsten Baumeistern im Lebensraum Meer. Doch bei steigenden Kohlendioxid-Konzentrationen und zunehmender Ozeanversauerung könnte es ihnen schwerer fallen, anderen Pflanzen und Tieren eine Existenzgrundlage zu bieten. Experimente am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel sowie Messungen am GEOMAR, an der Universität Bristol und der Universität Western Australia ergaben, dass die Art Lithothamnion glaciale ihre Widerstandskraft gegen Erosion und Fraß einbüßen könnte. Damit wäre eine wichtige Grundlage der artenreichen Ökosysteme am Meeresboden in Gefahr.

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Im Zuge der globalen Veränderungen und der zunehmenden Versauerung der Ozeane könnte eine wichtige Basis für Lebensräume am Meeresboden verlorengehen. Lithothamnion glaciale – eine rot-violette koralline Alge, deren Strukturen eine Vielzahl an marinen Organismen, darunter auch Larvenstadien wirtschaftlich wichtiger Fischarten, beherbergen – bildet bei steigenden Kohlendioxid-Konzentrationen weniger stabile Zellen. Dadurch kann ihre Widerstandskraft gegen Erosion und Fraß leiden. Dies haben die Untersuchungen der Wissenschaftler ergeben. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin Scientific Reports.

Koralline Algen bilden ihre Zellwände üblicherweise aus einer Form von Kalzit, die eine große Menge an Magnesium enthält. Während ihres Wachstums entwickeln sie kreisförmige Bänder, die an Baumringe erinnern. Im Sommer gewachsene Bänder enthalten mehr Magnesium als diejenigen, die im Winter entstanden. Um das Wachstum und die Anreicherung mit Magnesium zu überprüfen, hielten Wissenschaftler Lithothamnion glaciale unter aktuellen Kohlendioxid-Konzentrationen und bei Werten, die für die Zukunft erwartet werden. Wassertemperatur und Lichtverhältnisse wurden stabil gehalten.

Unter einem erhöhten Kohlendioxid-Anteil arbeiteten die Algen weniger Magnesium in ihre Zellwände ein, und die Wände blieben dünner als bei gegenwärtigen Konzentrationen. Auch deren Struktur war verändert“, fasst Dr. Federica Ragazzola, Biologin am Institut für Meereswissenschaften an der Universität Portsmouth zusammen. „Wir sehen zwei mögliche Gründe für den Magnesium-Schwund: Entweder haben die Algen magnesium-reiches Kalzit gegen eine weniger lösliche Zusammensetzung ausgetauscht oder sie haben einen Teil des Kalzits aufgrund der Versauerung eingebüßt. In jedem Fall verliert Lithothamnion ihre Elastizität und Härte. So kann sie leichter beschädigt werden.“ Die Wissenschaftler vermuten daher, dass die Alge nicht in der Lage sein wird, ihre wichtige Funktion als Ökosystem-Ingenieurin beizubehalten.

Weil sie Veränderungen der Temperatur und der Licht-Intensität als Gründe für den Rückgang der Magnesiumkonzentrationen in ihrem Experiment ausschließen können, interpretieren die Forscher ihn als eindeutige Reaktion auf die Ozeanversauerung. Dies hat auch Auswirkungen auf die Rekonstruktion des Klimas vergangener Erdzeitalter: „Das Verhältnis von Magnesium zu Kalzium in Kalkalgen wurde häufig als Anhaltspunkt für Temperaturen verwendet. Aber da unsere Proben bei konstanten sieben Grad Celsius gehalten wurden, können wir Veränderungen in der Magnesiumkonzentration nicht auf die Temperatur zurückführen. Ohne eine Information zum Säuregrad können Temperatur-Rekonstruktionen, die ausschließlich auf dem Verhältnis von Magnesium zu Kalzium basieren, leicht in die Irre führen“, betont Dr. Jan Fietzke vom GEOMAR.

Link zur Studie: www.nature.com/articles/srep20572