Insel Vis. Titos verbotene Ferieninsel

Teile:
10.04.2014 08:15
Kategorie: Reise


Wracks, Gorgonien, Steilwände und gute Sichtweiten gefällig? Malerische kleine Städtchen, echte dalmatische Küche in urigen Konobas auch? Ruhe, Natur pur, einsame Buchten ebenso? Andererseits Massentourismus, Hotelburgen und Halligalli unerwünscht? Dann ab auf die Insel Vis in Kroatien!

Bericht von Harald Mathä

Das Steuerrad der "Teti" ist noch immer an seinem Platz. Hinter ihm stand der Kapitän, als er es im Winter 1930 zielsicher auf das Inselchen Barjak lenkte. Angeblich war er betrunken, aber spätestens im kalten Wasser wohl wieder schlagartig nüchtern. Opfer gab es keine zu beklagen; aber die Besatzung wurde ebenso nass wie die Ladung Pflastersteine. Aber das Steuerrad wäre heute sicher nicht mehr an seinem Platz, wäre die Insel nicht bis 1989 militärisches Sperrgebiet gewesen. Mit beschränktem Zutritt für Einheimische und tabu für Ausländer.

Josip Brod "Tito", der jugoslawische Partisanenführer, fand 1944 auf der von Engländern besetzten Insel Unterschlupf, nachdem er von deutschen Spezialeinheiten in Drvar (Bosnien) fast erwischt worden wäre. Seine Kommandohöhle am Berg Hum kann besichtigt werden. Später wurde Tito jugoslawischer Präsident und vereinte mit harter Hand die zerstrittenen Nationalitäten zur Republik Süd-Slawien. 1980 starb Tito und bald darauf zerbrach Jugoslawien und versank in einem schrecklichen Bürgerkrieg.

Vis war vom Jugoslawienkrieg nicht direkt berührt. Im 2. Weltkrieg jedoch befand sich ein Notlandefeld der RAF auf der Insel (siehe Abb. rechts). Mehrere alliierte Flugzeugbesatzungen, die über Deutschland von der Flak oder Jagdfliegern beschädigt wurden, konnten auf Vis notlanden. Ein "Liberator" Bomber und eine "Fliegende Festung" schafften es nicht mehr ganz. Erster wurde erst 2009 entdeckt, liegt in mehrere Teile zerbrochen in 41 Metern, darf zurzeit aber nicht betaucht werden, weil kroatisches Kulturgut oder so...

Der Zweite liegt für Normalsterbliche mit Luft zu tief in 72 Metern, ist aber in sehr gutem Zustand. Das Militär blieb nach dem Krieg auf Vis und nutzte die Insel, ebenso wie Lastovo, als Augen und Ohren um die Adria bis Italien zu überwachen. Radarstationen zeugen noch heute davon ebenso wie U-Bootbunker und riesige unterirdische Stellungen, die inzwischen von Macchia dicht überwuchert sind.

"Glorreich siegend vor Lissa"


Auch 1866 wurde Krieg geführt. Österreich gegen Italien unter anderem. Aber in dieser einen Seeschlacht schlugen sich die Österreicher fulminant! Admiral Wilhelm von Tegethoff vernichtete die überlegene italienische Flotte nördlich von Vis (ital. Lissa). Für die Neo-Seefahrernation ein wichtiges Stück Selbstbewusstsein, das erst 1978 für die Nie-Fussballnation bei der Weltmeisterschaft in Cordoba durch den 3:2 Sieg gegen Deutschland aufgefrischt wurde.


Infobox Vis


Lage: Mitteldalmatien/Kroatien
Größe: 17 x 8 km
Anreise: Von Split 2 Stunden mit der Autofähre (Trajekt)
Währung: 7,4 Kuna = 1 Euro
Bank und Geldautomaten in Vis Stadt und Komiža

Tauchbasen:
Anma Diving, Vis
Issa Diving, Komiža
Manta Diving, Komiža

Infos zur Region auf Taucher.Net



Wracks, Steilwände und Gorgonienhaine


Die "Vassilios T." ist ein Frachtschiff, das auf die Küste auflief und seither auf ihrer Backbordseite parallel zum Ufer zwischen 20 und 65 Metern liegt. Beindruckend ragen die Daviten ins Freiwasser. Sie sind dicht bewachsen und die prächtigen gelben Schwefelschwämme besonders fotogen. Die Frachträume können einfach betaucht werden.


Die Wracks von Vis: die Vassilios T., Teile der Teti und die Conger der Teti.

Die "Teti" wurde schon erwähnt. Sie ist ein traumhaftes Wrack und liegt zwischen 5 und 32 Metern. Das Vorschiff wurde durch Dünung und Bura flachgelegt, was das Austauchen aber kurzweilig und interessant macht. Ab etwa 15 Metern ist das Wrack gut erhalten. Der Dampfkessel liegt wie ein riesiges Fass am Abhang. Die Kondensatoren sind gleich daneben zu finden. Weiter abwärts über die Laderäume tauchend sieht man die, bis auf Pflastersteine, leeren Laderäume und zum Abschluss das Heck mit dem berühmten Steuerrad. Leider sind die angefütterten Conger am Wrack (Heck, backbords) recht aufdringlich und können einem den Tauchgang ganz schön vermiesen, wenn sie nicht wie erwartet Futter bekommen.

Die "Fortunal" steht einem Geisterschiff gleich in 50 Metern Tiefe aufrecht auf hellem Sandgrund. Die Masten des Fischerbootes ragen bis 35 Meter hoch. Es wirkt, als ob es jeden Moment wieder losfahren möchte und wartet nur auf die Ankunft des Klabautermanns. Mehr Wracks kennt jede Tauchbasis und fährt sie mit geeigneten Gruppen auch an.

An Steilwänden begeistert vor allem die Süd-West vorgelagerte "Insel Biševo". Von Null bis in sehr große Tiefe fällt der Meeresgrund fast senkrecht ab. Im 40 Meter Bereich stehen die violetten Gorgonien so dicht beieinander wie die Brombeerfelder im Böhmerwald. Zwischen ihnen lauern Drachenköpfe und Heringskönige auf unvorsichtige Fahnenbarsche. In dieser großen Tiefe finden sich auch versteckte Bestände von roten Korallen, die zur Herstellung von Schmuck hochgegehrt, aber nur mehr selten zu finden sind.

Ebenfalls nicht zu verachten sind die vielen Untiefen, die man auf der Seekarte erkennt. Aus großen Tiefen ragen Felsnadeln bis knapp unter die Wasseroberfläche. Bestens umströmt und vor Fischernetzen geschützt, wachsen die gelben und violetten Gorgonien zu immenser Größe heran!





Lokaltipp: Konoba "Pol Murvu"

Das Pol Murvu hat bei Liebhabern authentischer dalmatischer Kost seit Jahren einen legendären Ruf. Es liegt etwa in der Inselmitte bei der Ortschaft Žena Glava. Der beste Tisch im Gastgarten ist unter dem namensgebenden Maulbeerbaum. Schon der Vorspeisenteller begeistert: Pršut und Sir, Schinkenspeck und Käse.

Von der Insel bzw. hausgemacht, ebenso wie das Brot. Dazu Kapern und marinierter Seetang aus der Nachbarschaft. Oktopus aus der Peka und Lamm von Grill steigern den kulinarischen Genuss schon fast ins Unerträgliche. Die Kombination aus zünftigen Pfefferoni aus dem Garten und den Maulbeeren harmoniert perfekt zum Lamm. Die alten Inhaber des Lokals haben sich inzwischen zur Ruhe gesetzt; ein junges Team führt die Tradition sanft und mit neuen Ideen weiter.


Bewertung (auf das Mittelmeer bezogen)


Sichtweiten: 4 Flossen
Fisch: 3 Flossen
Steilwände: 6 Flossen
Bewuchs: 4 Flossen
Wracks: 5 Flossen
Anfängertauglich: 4 Flossen
Höhlen/Grotten: 3 Flossen
Abwechslungsreich: 5 Flossen
Familientauglich: 2 Flossen
Ausflüge: 2 Flossen


Fazit


Vis ist, unter wie über Wasser, eine der schönsten und abwechslungsreichsten Inseln Kroatiens. Die angefütterten Conger an der Teti nerven zwar, aber die Schönheit der Wracks und die großartigen Gorgoniengärten und Steilwände entschädigen dafür. Und die großartigen Lokale: Das Barba mit delikatem Lamm vom Grill und der Terrasse mit dem schönen Ausblick auf Komiža; das elegante, auf Langusten spezialisierte Jastožera und die Konoba unter dem Maulbeerbaum sowieso!



Video zum Thema:



Video der "Wrackwoche 2011" auf Vis mit Aufnahmen des B-17 Bombers, der Brioni (Passagierdampfer), Fortunal und der Teti.

Weitere Tauchvideos zur Region in unserer Videodatenbank.