Aktuelle Zahlen zum Meeresspiegelanstieg

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08.07.2018 12:23
Kategorie: News

Wissenschaftler stellen Studie zur Massenbilanz des antarktischen Eisschildes vor

Eisverluste in der Antarktis führen seit dem Jahr 1992 zu einem Meeresspiegelanstieg, der sich in den letzten fünf Jahren beschleunigt. Das berichten 84 Wissenschaftler von 44 internationalen Organisationen – darunter das Alfred-Wegener-Instituts - jetzt in der Fachzeitschrift Nature. Sie kombinierten für ein großes Klimagutachten im Rahmen der Ice Sheet Mass Balance Inter-Comparison Exercise (IMBIE) Daten von 13 Satellitenmissionen.

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Vor dem Jahr 2012 verlor der antarktische Eispanzer kontinuierlich 76 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr, das ist mehr als alles Wasser im Bodensee – und ließ damit den globalen Meeresspiegel jährlich um 0,2 Millimeter ansteigen. Zwischen 2012 und 2017 verlor der Kontinent 219 Milliarden Tonnen Eis, so dass sich der Beitrag zum Meeresspiegelanstieg auf 0,6 Millimeter pro Jahr verdreifachte. Damit trägt die Antarktis mit etwa einem Drittel zur gegenwärtigen Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs bei.

Der Eisverlust in den letzten fünf Jahren setzt sich zusammen aus einem beschleunigten Abfluss von Gletschern in der Westantarktis und auf der Antarktischen Halbinsel sowie einem geringeren Schneefall in der Ostantarktis. Dabei veränderte sich die Bilanz in der Westantarktis am stärksten: Verlor die Region in den 1990er Jahren 53 Milliarden Tonnen, so stieg die jährliche Abnahme in den Jahren seit 2012 auf 159 Milliarden Tonnen an. An der Nordspitze des Kontinents hat der Zusammenbruch eines großen Eisschelfs an der Antarktischen Halbinsel seit Anfang der 2000er Jahre zu einem Anstieg des Eisverlustes um 25 Milliarden Tonnen pro Jahr geführt. Der Eisschild in der Ostantarktis wächst durch erhöhten Schneezutrag derzeit im langjährigen Mittel leicht. Der jährliche Zuwachs von fünf Milliarden Tonnen in den letzten 25 Jahren kann den Massenverlust in der Westantarktis jedoch nicht ausgleichen. 

Leitautoren des Gutachtens sind Prof. Andrew Shepherd (University of Leeds, Großbritannien) und Dr. Erik Ivins (NASA’s Jet Propulsion Laboratory, California, USA), mit Unterstützung der Europäischen Weltraumbehörde ESA und der US-amerikanischen NASA. „Laut unseren Analysen ist es in den letzten zehn Jahren zu einer Beschleunigung des Massenverlustes in der Antarktis gekommen. Der Kontinent trägt gegenwärtig zu einem höheren Anstieg des Meeresspiegels bei als jemals zuvor in den letzten 25 Jahren. Es muss den Regierungen, denen wir vertrauen, ein Anliegen sein, unsere Küstenstädte und -gemeinden zu schützen", sagt Andrew Shepherd.

Die Vergleichsstudie bilanziert die Massenverluste mit bisher unerreichter Genauigkeit. Vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) sind der Klimawissenschaftler Dr. Ingo Sasgen und der Glaziologe Dr. Veit Helm beteiligt. „Wir haben Beiträge zur Landhebung und Eishöhenänderung in der Antarktis geleistet“, berichtet Ingo Sasgen. Eine von drei der Nature-Publikation zugrundeliegenden Methoden ist die Eismassenbilanzierung auf Basis der Erdanziehung (Satellitengravimetrie). „Die Landhebung entsteht durch den Rückgang des Eises seit der letzten Eiszeit. Das geringere Gewicht des Eisschildes führt zeitverzögert zu einer Landhebung und Massenänderung im Erdinnern, die wir herausrechnen müssen“, erklärt Ingo Sasgen seinen Beitrag, der beispielsweise auf Daten der GRACE-Satelliten basiert.

Eine weitere Methode, die in der Vergleichsstudie Anwendung fand, ist die direkte Messung der Höhenänderung mit Hilfe von Radarwellen, die Satellitenaltimetrie. Diese Daten wurden unter anderem von Veit Helm ausgewertet. Sie reichen bis  in die frühen Neunziger Jahre zurück und bilden eine lückenlose Zeitreihe, die derzeit vom ESA-Satelliten CryoSat-2 fortgeführt wird. „Die Intercomparison Group liefert mit der Publikation und weiteren zugrundeliegenden Technical Reports einen wichtigen Beitrag, um den Meeresspiegelanstieg zu beobachten und Prognosen zu erstellen, auf welche Szenarien wir uns zukünftig einstellen müssen“, sagt der AWI-Klimaforscher.

Link zur Studie: www.nature.com/articles/s41586-018-0179-y.